Wirbel um Rechten-Demo: Hitlergruß und Judenhetze

3.7.2018, 05:46 Uhr
Wirbel um Rechten-Demo: Hitlergruß und Judenhetze

© Thomas Witzgall

Die Zahl bei politisch motivierten Straftaten, besonders die mit antisemitischem Hintergrund, ist in Deutschland leicht gestiegen. Aus der aktuellen Kriminalitätsstatistik geht hervor, dass die Behörden im vergangenen Jahr 1504 Fälle registrierten, 2,5 Prozent mehr als 2016. Verantwortliche finden sich in jeder gesellschaftlichen Gruppe, der weitaus größte Teil geht aber auf das Konto rechtsradikaler Kreise.

So auch bei der Demonstration am vergangenen Samstag in Nürnberg. Das Motto der Kundgebung, die am Rathenauplatz startete und auf dem Willy-Brandt-Platz endete, lautete: "Freiheit für alle politischen Gefangenen, für die Abschaffung des Paragrafen 130 StGB" (Volksverhetzung). "Wir hatten auch schon linke Gruppen, die unter ähnlicher Überschrift Versammlungen angemeldet haben", erklärt Robert Pollack, stellvertretender Leiter des Ordnungsamtes, am Montag. Hier müssen Aktivisten ihre Kundgebungen anmelden. Die Anmelder der Kundgebung am Samstag gehören offenkundig zum Spektrum der Reichsbürger, die Anmelderin stammt aus Thüringen. Pollack: "Die wusste im Kooperationsgespräch im Vorfeld genau, was sie sagen kann und was nicht, um die Anmeldung nicht zu gefährden. Die kannte sich aus."

Doch wer gegen den Straftatbestand der Volksverhetzung auf die Straße geht, wird die Grenzen, die ihn erfüllen, möglicherweise ausreizen und überschreiten. Aus Sicht von Beobachtern traf das dann am Samstag auch zu. Gewalttätig wurde zwar niemand, wie die Polizeipressestelle mitteilte. Doch die Redebeiträge und Gesten einiger Teilnehmer, die für verurteilte Rechtsradikale auf die Straße gingen, waren unmissverständlich: Eingeleitet mit den Worten, es gebe da einen Hund, der könne so hoch springen, stand Alfred S. auf der Ladefläche eines Lkw und streckte den rechten Arm mit flacher Hand stramm in die Luft und behielt die Pose einige Sekunden lang bei. Ein anderer Redner brüllte ins Mikrofon, er würde "den Juden gerne das Maul stopfen", eine Oberfränkin verkündete auf der Bühne unverhohlen, dass die Vergasung der Juden in der NS-Zeit eine "Erfindung der bolschewistisch-zionistischen Juden" gewesen sei.

Ein kleines Häufchen Gegner

Das Bündnis Nazistopp hatte für den Samstag eine Gegendemonstration am Rathenauplatz angemeldet. Doch die Teilnehmerzahl war äußerst dürftig, wie Birgit Mair vom Bündnis feststellt. Ein kleines Häufchen von rund 80 Leuten hat versucht, die Rechtsradikalen in die Schranken zu weisen. Alarmierend ist aus ihrer Sicht: Erstmals seit langem war die Zahl der Gegner rechter Kundgebungen in Nürnberg kleiner als die der Rechten selbst. Es waren mehr als 200. Die kleine Gruppe der Gegner hat sich beim Marsch Richtung Willy-Brandt-Platz dann auch noch nahezu aufgelöst. Eine Erklärung dafür: Zugleich hat am Samstag in Augsburg der Bundesparteitag der AfD stattgefunden. Mehr als 6000 Gegner sammelten sich in der Fuggerstadt, um gegen die Rechtspopulisten zu protestieren. Über die geringe Gegenwehr in Nürnberg würden sich die Rechtsradikalen jetzt freuen. Mair: "Die werden wiederkommen, die haben sich hier wohlgefühlt."

Fassungslos zeigt sich auch Rüdiger Löster, ehemaliger SPD-Geschäftsführer in Nürnberg und Betreiber der Internetplattform "Endstation Rechts". Der 64-Jährige war mit weiteren Beobachtern von Anfang bis Ende der Kundgebung dabei. "Ich habe schon viele rechte Aktionen beobachtet. Aber eine so offene Hetze gegen Juden habe ich noch nicht erlebt. Da haben ja nur noch die Hakenkreuzfahnen gefehlt", sagt er. Als Ursache dafür macht er den allgemeinen Rechtsruck in Deutschland und Europa aus. "Man sieht es am Erstarken der AfD — das braune Gedankengut rückt immer weiter in die gesellschaftliche Mitte", sagt Löster.

Polizei schritt nicht ein

Die Frage aber bleibt: Warum hat die Polizei trotz der offenkundigen Verstöße gegen die Auflagen die Veranstaltung nicht beendet? In der Polizeipressestelle heißt es dazu: "Die Teilnehmer hielten sich im Großen und Ganzen an die geforderten Auflagen. Es gab deshalb für die Polizei keinerlei Veranlassung, gegen diese Versammlung einzuschreiten oder sie zu beenden", so Pressesprecher Bert Rauenbusch. Allerdings hat die Polizei, zuständig war die Inspektion Mitte, gegen Alfred S. wegen des Hitlergrußes ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Insgesamt werden mit Blick auf die Demo vier strafrechtlich relevante Delikte geprüft. Dabei geht es um die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Urkundenfälschung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Informationen im Netz: www.endstation-rechts-bayern.de

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