Wo der "Nürnberger Witz" zu Hause ist
16.1.2018, 12:14 UhrEs gibt Nürnberger Witze und es gibt – eine Fürther Spezialität – Witze über Nürnberger. An beiden scheiden sich die Geister. "Nürnberger Witz" aber ist etwas, auf das die Bürgerinnen und Bürger der Stadt uneingeschränkt stolz sein dürfen. Er bezeichnet nämlich den Ideenreichtum der Nürnberger Handwerker, Unternehmer, Tüftler, Künstler und Baumeister, der die Reichsstadt im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit international berühmt machte. Nicht umsonst sagt ein Sprichwort: "Nürnberger Witz und Tand sind durch die Welt bekannt."
Um 1860 hatte sich Nürnberg endlich von der Serie von Pleiten, Pech und Pannen, die die Stadt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts heimgesucht hatte, erholt. Die Industrie brummte, jährlich strömten Tausende Neubürger in die Metropole an der Pegnitz.
Im Süden des "Centralbahnhofs" (heute Hauptbahnhof) ließ die Stadt die eingemeindeten Dörfer Sankt Peter, Glockenhof, Galgenhof, Lichtenhof und Steinbühl zu modernen Vorstädten ausbauen. Dass man deren Straßen die Namen der historischen Persönlichkeiten verpasste, die den "Nürnberger Witz" verkörpern, lag nahe. Denn jener Erfinder- und Unternehmergeist war es, der die Stadt nun im Zeichen der Industrialisierung wieder groß machte.
Neben den Kunstschlossern Hans Ehemann und Hans Bulmann, dem Buchdrucker Wolfgang Endter und dem Kupferstecher Jost Amman ehrte man 1875 den Uhrmacher Peter Henlein (um 1479–1542) mit einem Straßennamen. Obwohl das berühmte "Nürnberger Ei" wohl nicht sein Werk ist, gilt Henlein als Erfinder der Taschenuhr.
Um 1900 war das abgebildete westliche Ende der Peter-Henlein-Straße wie auch ihr näheres Umfeld ein Wohnviertel der "kleinen Leute". Der unbekannte Fotograf, der die historische Ansichtskarte im Auftrag des Tabakwarenhändlers Hans Mühlmeier aus der Oberen Mentergasse anfertigte, motzte die Straße daher mit einem Automobil aus dem Schnippelbuch auf (das verdächtigerweise ein Kennzeichenschild aus dem Bezirk Bayerisch Schwaben trägt).
Der Zahlungskraft der Mieterklientel entsprechend war die Ausstattung der Häuser auf der linken Bildseite des historischen Bildes – erbaut zwischen 1887 und 1889 – eher bescheiden. Die Planfertiger Heinrich Detzer, Michael Heim und Albin Kupfer ließen es sich aber nicht nehmen, die Fassaden zur Straße mit teils üppigem Bauschmuck im Stil des Klassizismus zu versehen. Das Auge wohnt halt doch mit.
Obwohl die Gebäude im selben Stil gehalten sind, legte man Wert darauf, dass die Fassaden sich voneinander zumindest in den Details unterschieden – die Idee des "Malerischen", die man im 19. Jahrhundert durch das Studium der mittelalterlichen Baukunst wiederentdeckt hatte, machte sich selbst hier, in einem erklärten Arbeiterviertel, bemerkbar.
Die spitzwinklige Einmündung in die Wiesenstraße veredelte eine Litfaßsäule mit kunstvoller Bekrönung aus Schmiedeeisen. Ein teilweise abgerissenes Plakat darauf verrät, dass zu der Zeit, als unser historisches Foto aufgenommen wurde, gerade das "Schlierseer Bauerntheater" von Xaver Terofal im Nürnberger Apollo-Theater an der Pfannenschmiedsgasse gastierte.
Die Bomben des Zweiten Weltkriegs trafen den nördlichen Teil Steinbühls besonders hart und kosteten zahllose Menschenleben. Von den Häusern auf unserer alten Ansichtskarte blieb kein einziges erhalten.
Der "Nürnberger Witz" aber ermöglichte ein weiteres Mal die Wiederauferstehung, als sich die Stadt nach dem Krieg ihren Rang als süddeutsche Messe- und Industriemetropole zurückeroberte. Auch dieses Mal entstand an der Peter-Henlein-Straße eine geschlossene Bebauung, nun einheitlich im zurückhaltenden Stil des Wiederaufbaus.
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