Wofür steht die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde?

22.6.2012, 17:10 Uhr
Wofür steht die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde?

© Michael Matejka

Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen: Zur Begrüßung gebe ich Sajid Ahmed Qureshi und Imran Zaka die Hand, bei der Verabschiedung erklärt Zaka mir höflich, dass dies in der Gemeinde zwischen Männern und Frauen unüblich sei. Natürlich nehme man die Hand, die einem geboten wird, „alles andere wäre unhöflich“. Aber, so die Botschaft, erwünscht ist das nicht. Bei der Ahmadiyya-Gemeinde herrscht strikte Geschlechtertrennung. Die Frauen haben eine eigene Organisation, Lajna Imaillah, „in die sich die Männer nicht einmischen“, so Zaka. „Männer und Frauen sind getrennt und werden erst durch die Ehe miteinander verbunden.“

Arrangierte Ehen: Ehen innerhalb der Gemeinde sind ausdrücklich erwünscht. Zwar dürfen Mitglieder auch außerhalb der Gemeinde heiraten, benötigen dafür aber eine Erlaubnis des Kalifen, also des spirituellen Oberhaupts der Ahmadiyya. Die Geschlechtertrennung führt dazu, dass Männer und Frauen kaum Gelegenheit haben, sich auf normalem Wege kennenzulernen. Von den Eltern arrangierte Ehen sind daher keine Seltenheit. Es sei allerdings ausdrücklich verboten, dass Eltern über den Kopf des Kindes hinweg entscheiden, sagt Zaka. Zwangsehen gebe es nicht.

Auch Zakas Ehe ist arrangiert. „Ich bin glücklich verheiratet und habe zwei Kinder“, sagt der Wirtschaftsprüfer. Arrangierte Ehen halten seiner Erfahrung nach oft besser als die klassischen Liebesheiraten. „Da hat man anfangs die rosarote Brille auf und ist später enttäuscht.“ Das Motto der Ahmadiyya-Gemeinde lautet daher: „Heirate nicht die Frau, die du liebst, sondern liebe die Frau, die du heiratest.“ Die Scheidungsquote sei bei den Ahmadiyya deutlich niedriger als der bundesdeutsche Durchschnitt. Vielleicht aber auch, weil Allah die Scheidung zwar erlaubt, sie aber laut Koran nicht gern sieht.

Gewalt gegen Frauen: Seine Ehefrau zu schlagen wird bei den Ahmadiyya verurteilt. Dass einige Muslime sich durch eine Sure im Koran dazu berechtigt fühlen, führt Imran Zaka auf einen Interpretationsfehler zurück. Seine Erklärung zeigt aber auch, dass das Frauenbild der Ahmadiyya sich vom westlichen deutlich unterscheidet. Es heiße im Koran nämlich, man dürfe seine Frau strafen, wenn sie widerspenstig ist. Körperliche Gewalt sei allerdings nicht gemeint.

Gleichberechtigung: Von Gleichberechtigung will Imran Zaka nicht sprechen, eher schon von Gleichwertigkeit. Aber die Rollenverteilung bei den Ahmadiyya ist äußerst traditionell: Der Mann hat die Pflicht, seine Familie zu ernähren. Die Frau darf, muss aber nicht arbeiten. Das Bildungsniveau der Religionsgemeinschaft ist hoch, auch bei den Frauen. Viele arbeiten als Ärztinnen, Architektinnen, Anwältinnen. Ihren Verdienst darf die Frau für sich behalten, während der Mann sein Einkommen in die Familie einbringen muss. Die Pflichten seien unterschiedlich verteilt, so formuliert es Imran Zaka.

Verschleierung: Von den Frauen der Ahmadiyya-Gemeinde wird erwartet, dass sie ein Kopftuch tragen und ihre Kleidung so wählen, dass sie ihre weiblichen Reize nicht zur Schau stellen. Das sei aber etwas, in das sich die Männer nicht einmischen, sagt Imran Zaka. „Das regeln die Frauen in der Frauenorganisation unter sich.“

Wofür steht die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde?

© dpa

Homosexualität: Für die Ahmadiyya ist Homosexualität nicht natürlich. Die Ehe sei der zentrale Bestandteil der Gesellschaft, sagt Imran Zaka. Allah sehe vor, dass sich Mann und Frau in der Ehe zusammentun und für Nachkommen sorgen. Das sei bei gleichgeschlechtlichen Verbindungen nicht möglich. Zaka glaubt nicht, dass ein homosexuelles Gemeindemitglied ausgeschlossen würde. Er vermutet aber, dass derjenige seine Neigungen nicht offen ausleben, sondern geheimhalten würde. Gern gesehen wird Homosexualität in der Gemeinde nämlich nicht.

Alkohol: Alkoholkonsum ist – wie üblich im Islam – nicht erlaubt. Wer wiederholt in der Öffentlichkeit trinkt und sein Tun verteidigt, kann im schlimmsten Fall sogar aus der Gemeinde ausgeschlossen werden – zumindest zeitweise.

Die finanzielle Situation der Ahmadiyya-Gemeinde: Die Gemeinde bekommt keine Zuschüsse und muss sich selbst finanzieren. Sie tut dies über Beiträge der Gemeindemitglieder, die in der Regel ein Sechzehntel des monatlichen Einkommens betragen sollen. Über diese Beiträge werden alle Projekte finanziert, auch die jetzt geplante Moschee. Viele spenden darüber hinaus für bestimmte Projekte oder die eigene Hilfsorganisation „Humanity First“. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Gott einem mehr wieder zurückgibt, als man gegeben hat“, sagt Sajid Ahmed Qureshi. Man könne sich aber auch von den Beiträgen befreien lassen. „Das tut jedoch nicht mal ein Prozent der Mitglieder.“

Die Bedeutung des Minaretts: Das geplante Minarett habe lediglich eine symbolische Funktion, betonen Qureshi und Zaka. Es sei nicht begehbar und auch nicht dafür gedacht, dass ein Muezzin daraus zum Gebet ruft. „Das ist in keiner unserer 30 Moscheen in Deutschland der Fall.“ Es diene als Erkennungsmerkmal für die Moschee.

Verfolgung: Die Ahmadiyya werden wegen ihrer Islam-Auslegung in vielen Ländern verfolgt, unter anderem in Pakistan. Dort gibt es immer wieder Anschläge gegen Gemeindemitglieder, der größte ereignete sich 2010. Zaka selbst verlor dabei Bekannte und Verwandte. Etwa 90 Prozent der Ahmadiyya in Deutschland sind Pakistani, viele sind politische Flüchtlinge, die wegen ihres Glaubens ihre Heimat verlassen mussten.

Abgrenzung zu Fanatismus und Terrorismus: Die Ahmadiyya stehen für Frieden, Freiheit und Toleranz. Sie richten sich ausdrücklich gegen Organisationen wie die Salafisten, gegen Gewalt und Zwang in der Religion. „Viele Muslime entfernen sich vom Islam“, sagt Imran Zaka. Er vergleicht die heutige Situation des Islam mit derjenigen des Christentums in Zeiten der Kreuzzüge und Hexenverbrennungen. Es handele sich um fehlgeleitete Gelehrte, die so etwas veranlassen. „Wir wollen den Islam wieder ins rechte Licht rücken.“

Gesetzestreue: Die Ahmadiyya-Gemeinde lebt nach dem Grundsatz, dass die Gesetze des Landes, in dem man lebt, in jedem Fall respektiert werden müssen. „Wir wollen gute Nachbarn sein.“

 

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