Adieu für den letzten Kinderarzt der Stadt
15.06.2012, 18:41 Uhr
Doch der Reihe nach — wir führten ein Gespräch mit ihm über seinen jahrelangen Einsatz, über die Arztpraxis in früheren Tagen ohne jede Hightech, über Höhepunkte und die Tiefs eines Arztlebens, über die großen Probleme der kleinen Patienten und über die Praxisvariante mit Bayreuth.
Zunächst war da die Suche nach einem Nachfolger für den Pegnitzer Kassenarztsitz für Kinder- und Jugendmedizin, eine schier endlose Geschichte. Goerings handfester Mutterwitz blieb oft auf der Strecke, als er über Jahre vergebens in der „Agentur für Arbeit“, bei Berufsverbänden, bei der kassenärztlichen Vereinigung, in Tschechien, Polen und sogar Griechenland (über Bekannte) und nicht zuletzt in Kliniken suchte. Im Umkreis von Nürnberg, Würzburg und Coburg hing fast in jedem Krankenhaus sein Gesuch.
Ende April, auf den Tag genau nach über drei Jahrzehnten, schloss er dann seine Praxis. Über eine Agentur hatte sich schließlich mit Dr. Katrin Franke-Augustin eine Kinder- und Jugendärztin gefunden. Sie betreibt in Bayreuth im Spinnereigebäude mit einer weiteren Arzt-Assistentin eine große Praxis. Nach Erwerb der Zulassung wollte sie in Pegnitz eine Filiale eröffnen.
Ein Zeitproblem
Aber nun kam das Problem: Dr. Franke-Augustin nimmt in Bayreuth am zusätzlichen kinderärztlichen Bereitschaftsdienst teil. Aber weil die Bayreuther Gruppe sehr klein ist, fallen entsprechend viele Dienste an. Deshalb kann sie den Pegnitzer Bereitschaftsdienst nicht mehr übernehmen.
Die Pegnitzer, Auerbacher und Creußener Ärzte wurden gebeten, die neue Kollegin von diesem Dienst zu befreien. Aber es kam kein mehrheitlicher Beschluss zustande.
So wird jetzt Dr. Uwe Goering in Bayreuth mit reduzierter Arbeitszeit in der Praxis von Dr. Franke-Augustin helfen. Außerdem betreut er weiter die Geburtshilfe-Abteilung der SanaKlinik in Pegnitz.
Wie begann das alles? Wo hat er seine Wurzeln? Ein Gespräch mit Christa und Uwe Goering führt ins Jahr 1978 zurück. Damals sahen sich beide zum ersten Mal in Pegnitz um. Christa Goering kannte gerade mal das PPP, wo sie von Erlangen aus Seminare für Siemens-Mitarbeiter organisiert hatte. Beide trafen zur Zeit der Löhrs-Kirwa ein und es regnete in Strömen.
Dr. Uwe Goering war zuvor bei der Bundeswehr 15 Monate Stabsarzt gewesen. Seinen Facharzt hatte er in Erlangen abgelegt und dazu reiche Klinikerfahrung gesammelt. Der Praxiseröffnung in der Rosengasse stand also nichts mehr im Wege.
Oberste Priorität war bei den Goerings immer der Erhalt der Arbeitsplätze. Da ist beispielsweise Evi, schon 31 Jahre lang Arzthelferin in der Praxis. „Unter zehn Jahren war hier niemand beschäftigt.“
„Mein Bestreben ist“, so Uwe Goering, „den Kindern einen angstfreien Arztbesuch zu garantieren.“ Und jeder, der die kuschelige Praxis mit Kinderhaus, Kochherd, Motorrad, Werkbank und Magnettafel kennt, kann sich das gut vorstellen.
Der große, stattliche Arzt kam mit den Winzlingen immer fantastisch zurecht. Die Kleinen nahmen ihn als Onkel: „Hallo, grüß dich Doktor, ich hab neue Schuhe!“
Einmal setzte sich beim Flinderer ein Knirps ungeniert bei den Goerings hin und wich nicht mehr. Als sich seine Großmutter dafür entschuldigte, sagte Dr. Goering nur: „Er darf da sitzen, ich bin sein Arzt.“
Zu den Erinnerungen gehören auch kritische Situationen. Etwa, als einmal ein Frühchen, unter einem Kilo schwer, nach der Geburt dunkelblau angelaufen war, wegen Sauerstoffmangels. Dr. Goering reanimierte es. Heute hat das Frühchen Abitur.
Die vielen Nachtdienste, die angstvollen Anrufe von Eltern — mehrmals im Monat kam es vor, dass Dr. Goering die kleinen Patienten nachts mit in die Kinderklinik begleitete. Am frühen Morgen ging’s dann übergangslos zurück in den Dienst.
Unser Gespräch streift auch die Zeit ohne Anrufbeantworter, Handy oder Computer. Das Telefon musste da stets in Hörweite sein.
Der Impf-Papst
Dr. Goering galt auch als ein Impf-Papst. „Vor der Hib-Impfung waren die nächtlichen Krupp-Anfälle bei Kindern sehr häufig.“ Fürs Impfen wurde er 1993 mit dem hochdotierten Helmut-Stickl-Preis ausgezeichnet und er hält Vorträge dazu.
Dr. Goering war auch bereit zu ausgefallene Therapien. So segelte er einmal mit Jugendlichen, die an Mukoviszidose erkrankt waren.
Sehr aktiv ist er in Berufsverbänden. Als Obmann oder in der Beschwerdekommission, als Delegierter der Kassenärztlichen Vereinigung, als ehrenamtlicher Richter. Unentgeltlich erstellte er auch die Pläne für den Bereitschaftsdienst der Ärzte.
Ein Foto zeigt den jungen Goering und den jungen Seehofer, damals noch Gesundheitsminister. Sie diskutierten in Pegnitz. Es ist Beweis für Goerings Streitbarkeit und für seinen Einsatz für Gerechtigkeit.
Seine zwei Kinder besuchten in Pegnitz die Schule, seine pflegebedürftigen Eltern wohnten bei ihm. „Ohne Unterstützung und Rückhalt der gesamten Familie wäre das nicht möglich gewesen“, betont er.
Nun freut er sich, dass er seine reiche Erfahrung in Bayreuth einbringen kann. Die Fachrichtungen passen: Dr. Franke-Augustin bietet zusätzlich Behandlungen für Diabetes und Asthma, er für Allergien und Psychotherapie.
Dr. Uwe Goering ist in der Spinnereistraße 7 zu finden. Telefon (0921) 1512727.
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