Corona-Ausnahmezustand im Brigittenheim

27.04.2020, 06:55 Uhr
Corona-Ausnahmezustand im Brigittenheim

© Foto: Klaus Trenz

"Wir haben so etwas noch nicht erlebt", sagen Elke Mellinghoff und Roswitha Schecklmann, "hoffentlich trägt keiner von uns das Coronavirus ins Haus." Die beiden Pflegedienstleitungen des Brigittenheims – von der Tagespflege und der ambulanten Betreuung beziehungsweise vom Heim selber – sind in großer Sorge. "Wir wissen nie, was morgen ist", sagt Schecklmann. Seit vier Wochen ist die Einrichtung abgeriegelt, kein Besucher darf rein, die Bewohner dürfen sich nur auf dem Gelände bewegen.

Einmal hätten Angehörige mit Kind versucht, reinzukommen. "Da bin ich schon sehr direkt geworden und habe sie des Hauses verwiesen", sagt Schecklmann. Seit 40 Jahren arbeitet die gelernte Krankenschwester in der Altenpflege. Und sie versuche alles, damit es den Bewohnern in der momentanen Situation gut geht, sie sich nicht infizieren. Alle Mitarbeiter tragen deshalb Mundschutz – die Bewohner nicht; es finden keine Veranstaltungen statt, Essen gibt es nur auf den Zimmern.

Unterstützt werden die 95 Pflege- und Betreuungskräfte von den Kollegen der Tagespflege, die zurzeit geschlossen ist. "Das fängt etwas auf", sagen die beiden Verantwortlichen. Die Seelsorgearbeit, die sie leisten, sei momentan aber noch intensiver. "Aber wir können den Bewohnern nicht die Angehörigen ersetzen", sagt Schecklmann. Man versuche mit dem Tablet Skype-Kontakte zu den Angehörigen herzustellen, aber das sei halt nicht das Gleiche wie der direkte Kontakt.

Die Bewohner würden zwar viel Verständnis für die Prophylaxe-Maßnahmen zeigen, aber zum Beispiel sei es oft schwierig, weil sie die Mimik der Pflegekräfte nun nicht sehen. "Trotzdem sagen sie, dass sie sich bei uns sicher fühlen und dass sie schon viel Schlimmeres, zum Beispiel im Weltkrieg, erlebt haben."

Im Brigittenheim gab es zeitig einen Notfallplan, der, als die Schließung vom Freistaat angeordnet wurde, sofort griff. "Das musste ja sofort funktionieren, wir hatten nicht die Zeit, das vorher anzumelden", berichtet Schecklmann. Kommt ein Bewohner nun aus dem Krankenhaus – wegen etwas anderem als Corona – wird er getestet. Fällt der Test negativ aus, kommt er für zwei Wochen auf die Quarantänestation, muss im Zimmer bleiben. "Sollte ein Coronapatient aus dem Krankenhaus kommen, nehmen wir den nicht ins Brigittenheim auf, er kommt in eine andere Einrichtung", sagt die Pflegedienstleitung. Aber zum Glück sei dieser Fall noch nicht eingetreten.

Sollte ein Mitarbeiter infiziert sein, das Virus ins Haus bringen, das wäre der "worst case" ("schlimmste Fall"), sagt sie. Dann würden alle Mitarbeiter getestet werden. Ohnehin wird in zwei Teams gearbeitet, um zu gewährleisten, dass im Infektionsfall immer eines einsatzbereit ist. Übergabezeiten gebe es nicht mehr, das werde alles schriftlich oder telefonisch gemacht. Es sei immer nur die jeweilige Schicht zusammen.

"Aber wir merken, dass die Hygienemaßnahmen greifen", resümiert Schecklmann. Denn: "Normalerweise haben wir im Frühjahr Fälle von Norovirus oder Grippe. Das ist heuer nicht so." Die 57-Jährige appelliert an die Vernunft aller, verantwortungsbewusst mit der Situation umzugehen. Ausnahmen werden gemacht, wenn ein Bewohner im Sterben liegt, dann dürfen die Angehörigen zu ihm. Aber nur dann und unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen.

Ob sie Angst vor der momentanen Situation hat? "Nein", sagt Schecklmann, "wir schaffen das." So sieht es auch ihre Kollegin Elke Mellinghoff (54). Nicht nur die Tagespflege ist geschlossen, auch die ambulante Pflegeberatung läuft meist telefonisch, um direkte Kontakte zu vermeiden. Sollte doch mal ein Besuch nötig sein, tragen die Pflegekräfte eine Maske. "Es läuft zurzeit viel Organisatorisches, die aktuellen Vorgaben müssen umgesetzt werden. Es ist Flexibilität gefragt und der Verwaltungsaufwand ist sehr groß."

Es müsse sorgfältig überlegt werden, was mit Krankenhausrückkehrern geschieht, welche Schutzmaßnahmen umgesetzt werden müssen. "Quarantäne reicht oft nicht aus." Es ist eine große Belastung, sagt Mellinghoff, weil sie oft ans rechtliche Limit kämen, um sowohl den Mitarbeitern als auch der Versorgung gerecht zu werden.

InfoIm Brigittenheim leben 141 Personen mit einem Durchschnittsalter von 86, die von 95 Pflegekräften betreut werden. In der ambulanten Pflege werden normal 170 Personen betreut, jetzt sind es rund 150.

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