Eiswurf: Stadt Pegnitz lässt Windräder abstellen

3.12.2014, 18:29 Uhr
Eiswurf: Stadt Pegnitz lässt Windräder abstellen

© privat

Thomas Förster ist sauer angesichts der Ostwind-Aussage. Mehrfach war er am vergangenen Wochenende auf der schmalen Verbindungsstraße zwischen Büchenbach und Trockau unterwegs. „Da waren mindestens 20 feuchte Stellen auf der Fahrbahn, die nichts mit normaler Wasserbildung zu tun hatten“, sagt er. Der Büchenbacher wunderte sich, schaute sich um – und entdeckte Eisbrocken. Richtige Brocken: „Die waren bis zu 25 Zentimeter lang, mehrere Zentimeter hoch und lagen vom Gewicht her durchaus im Kilogrammbereich.“

Aus Sicht des ehemaligen Kommandanten der Büchenbacher Feuerwehr, der in unmittelbarer Nachbarschaft des Windparks ein Waldgrundstück besitzt, liegt hier ein enormes Sicherheitsrisiko vor. Vor allem mit Blick auf die nur 20 Meter entfernt verlaufende Autobahn. Es könne keine Rede davon sein, dass – wie von Ostwind behauptet – Eis nur im unmittelbaren Umfeld eines Windrads herunterfallen könne: „Die Straße zwischen Büchenbach und Trockau ist mindestens 40 bis 50 Meter entfernt.“ Er will jetzt die Stadt und das Landratsamt über seine Erkenntnisse informieren – „damit niemand sagen kann, er habe von nichts gewusst“. Aus seiner Sicht wird hier „viel zu leichtfertig mit der Sicherheit der Bürger umgegangen“.

Bremse gezogen

Wolfgang Hempfling, Kämmerer der Stadt und für den kommunalen Windpark-Betrieb zuständig, handelte gestern auf Nachfrage unserer Zeitung umgehend. Dass hier ein ernsthaftes Problem in Sachen Eisabwurf vorliegen könnte, habe er „so detailliert“ erst durch dieses Nachhaken erfahren. Hempfling holte den technischen Betriebsführer des Windparks ins Boot, der einen Blick in die Betriebsprotokolle der Anlage warf. Das Ergebnis, so Hempfling: „Zum maßgeblichen Zeitpunkt waren die in Frage kommenden Windanlagen nicht wegen Eisansatzes abgeschaltet.“

Die Stadt Pegnitz nehme mögliche Probleme sehr ernst. Die Konsequenz: Nachdem aus der bisherigen Auswertung der Daten nicht zu 100 Prozent sichergestellt werden konnte, „dass alle Eiserkennungsanlagen reibungslos funktionieren, wurde unverzüglich ein Servicetermin zu den Anlagen beordert, um diese Systeme zu überprüfen“. Bis zum Abschluss dieser Überprüfung wurden die Windanlagen gestoppt.

Ostwind-Sprecher Christoph Markl-Meider hält einen massiven Eisabwurf in Kilogramm-Größe auch auf erneute Nachfrage nicht für denkbar. Alle Windkraftanlagen seien so konzipiert, dass sie sich bei Eisbildung sofort abschalten. Schon allein deshalb, weil da eine Unwucht entstehe. Und: Die Anlagen des Herstellers Vestas, von dem die Windräder bei Büchenbach stammen, verfügen sogar über noch ein Sicherheitselement mehr – „weil sie auch an den Rotorblättern Sensoren besitzen, die auf Eis gleich reagieren“.

Die Deutschland-Sprecherin des Herstellers war auf wiederholte Anfrage der NN> nicht zu erreichen, um zum Büchenbacher Vorfall Stellung zu nehmen. Erich Wust, Inhaber einer Firma für Windparks in Mittelfranken, sagt: „Es ist möglich, dass Eisplatten mit einer Dicke von bis zu einem halben Zentimeter und einer Größe wie DIN-A 4 aus der Anlage fallen.“ Allerdings erst, wenn die Rotoren sich nicht mehr drehen.

Erich Wust ist der Meinung, dass eine solche Eisplatte durch die Wetterlage zum Beispiel auch in einem Umkreis von 50 oder 60 Metern landen könne. Außerdem müssten an jedem Windpark Warnhinweise auf Eiswurf angebracht sein – das sei Pflicht. Denn: „Zu jeder Anlage führt ein Weg und damit Menschen.“ Doch: Es gehe um Verhältnismäßigkeiten.

Aufgrund der Wetterlage mit Temperaturen um den Nullpunkt und einer hohen Luftfeuchtigkeit kann es wegen Eiswurfgefahr vor allem bei Standorten in der Oberpfalz und des nördlichen Mittelfrankens zu Abschaltungen kommen“, heißt es aktuell auf Wusts Internetseite. „Allein in der Oberpfalz haben wir drei Parks, die seit Tagen stehen“, fügt der Chef hinzu.

Jede Anlage habe Sensoren, so genannte Eisdetektoren, „die so feinfühlig sind, dass die Anlage steht und Sie das Eis nur mit der Lupe entdecken können“. Die Sensoren stellen fest, dass sich die Rotoren unrund und langsamer drehen, in der Leitstelle geht ein Störungssignal an, das erst weicht, wenn das Eis verschwunden ist. „Man darf niemanden den Vorwurf machen, dass er sein Windrand auch bei Eisluft zu Lasten der Sicherheit anderer betreibe“, sagt Wust.

Nur im Windrad selbst könne der Monteur den Betrieb aufnehmen. Andere Kontrollen oder vorbeugende Maßnahmen gebe es nicht: „Für beheizte Rotorenblätter ist es in unseren Gefilden zu warm, und eine vorbeugende Beschichtung kommt zu teuer und ist zu kurzlebig.“ Also kann nur der Stillstand Abhilfe gegen das Eis schaffen. „Im Endeffekt steht ein Rad pro Jahr 20 Stunden still“, sagt Erich Wust.

80 Kilometer pro Stunde

Die Landesverbände Windenergie schicken derzeit ihre Monteure auf die Anlagen, auf die Suche nach dem zerbrechlich feinen Eis, dass beim Absturz in die Tiefe zum Katapult oder Fallbeil werden könnte. Vor allem in Flusstälern und nebeligen Gebieten müssen die Fachkräfte die Windräder auf Vereisung und Schäden kontrollieren, fasst Windenergie-Sprecher Wolfram Axthelm zusammen.  „Es gilt bei Vereisung eben große Vorsicht“, warnt auch Ingenieur Claudio Balzani von der Leibniz Universität Hannover, Experte für Windkraftanlagen und selbst Rotorblatt-Entwickler. „Stellen Sie sich vor: Ein Rotorblatt hat Spitzenwerte von 80 oder 90 Stundenkilometern. Da entwickeln sich Geschwindigkeiten!“

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