Ex-Weltklasseschwimmer Behrend wieder zu Hause
10.8.2015, 18:19 UhrIm Delphin-Stil holte er viele deutsche Titel, war 1978 EM-Sieger und 1980 der Viertbeste der Welt und zweimal im Olympiakader. Er spürte Ruhm, flog in viele Länder, lebte in Los Angeles, sah aber auch die Kehrseite der Medaille: Sein Körper ist überstrapaziert. Beruflich gab es zig Wendungen, vom Barmann bis zum Physiotherapeuten. Für eine Familiengründung blieb keine Zeit.
Behrend (51) ist in Berlin geboren. Aber schon zwei Jahre später zog seine Mutter zu den Großeltern Gäbler nach Pegnitz. „Wir haben beim Milchhof gewohnt. Ich bin bei den Kleingärtnern aufgewachsen. Es war eine wunderbare Kindheit.“
Als er neun Jahre alt war, ging es weiter nach Neckarsulm. Dort kam er zum Schwimmverein. Damit begannen unzählbare Trainingsstunden im Wasser. „Ich hab seitdem so oft nur die Kacheln am Boden von Schwimmbecken gesehen“, sagt Behrend. „Deswegen will ich jetzt raus.“ Er radelt, joggt, klettert und hat „endlos Eisen im Keller“ für Muskeltraining. Das braucht er, „weil viele Sachen kaputtgegangen sind“: Schulter, Hals- und Lendenwirbel, Sprunggelenk. Leistungsport ruiniert. Auch das Immunsystem bricht bei Ausdauersportlern ab einem Alter von 30 Jahren oft zusammen. „Ich kann deshalb kein deutsches Obst mehr essen.“ Würde sich Behrend jetzt nicht dauernd bewegen, hätte er Schmerzen. „Wenn ich ein Gelenk nicht bewege, geht es kaputt. Funktion macht die Struktur. Hab ich keine Funktion, keine Bewegung, geht die Struktur dahin. Das ist ein Leitsatz.“
Als Junge musste Behrend 15 Kilometer zum Schwimmtraining radeln, auch bei Schnee. Sein Vater fuhr ihn nicht. „Kümmern musste ich mich selber.“ In ihm war aber die Lust am Erfolg erwacht, am Wettkampf. Mit 15 Jahren wechselte er deshalb nach Würzburg und dann alle zwei Jahre zu anderen Vereinen und Trainern. Er schwamm deutsche Rekorde auf 50, 100 und 200 Meter Delphin. „Wenn man das rhythmisch macht, ist es nicht anstrengend. Brustschwimmen ist schwerer, weil man sich dabei dauernd kurz gegen die Schwimmrichtung bewegt.“
Sein Training in Deutschland: sechs bis sieben Stunden am Tag. In Los Angeles, von der Sporthilfe getragen, waren es acht bis neun. „Die Amerikaner trainieren ganz anders.“ Für Behrend war es brutal hart. Er wollte alles hinwerfen. „Ich dachte, da gehst du unter, des packst du net.“ Aber Jugendliche am Beckenrand feuerten ihn an. Das motivierte ihn.
Die Jahre dort waren schön, mit Sportwagen, Motorrad und Strand am Morgen und am Abend. Er schwamm in der Jugendnationalmannschaft, bei EU-Meisterschaften und stand 1980 vor der Olympiade in Moskau. Doch diese wurde abgesagt, weil die Sowjets in Afghanistan einmarschiert waren. Als Ersatz gab es Wettkämpfe in China. 1984 warteten die Olympischen Spiele von Los Angeles, wo er Siebter über 100 Meter wurde.
Er schwamm jetzt in vielen Ländern der Erde, in Japan, Kanada und Australien. Er lernte auch viele Sportler kennen. „Ich bin dankbar, dass ich das alles erleben durfte.“ Schwimmstar Michael Groß (21 Titel) wurde sein Freund. „Er ist ein Überflieger-Talent, ein Kracher. Er hatte alle Voraussetzungen: Konzentrierter als ich, größer. Ein toller Mensch.“
Aber 1992 war seine letzte deutsche Meisterschaft. „Ich kam raus aus der Nationalmannschaft und da war nichts. Ich hab lange gekämpft, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Das Geld war von jetzt auf nachher weg.“ Behrend wurde Barmann, Lkw-Fahrer, Bademeister, Geschäftsführer einer Kneipe. In Frankfurt arbeitete er in einer großen Disco. „Da lernst du Sachen kennen, komische Jungs, wo du dir denkst: Da muss man nicht länger bleiben. Das war alles total spannend, kostete aber Lebenszeit.“
Sein Zickzack-Weg deprimierte ihn aber nie. „Ich bin ja an allem, was ich tue, selber schuld. Ich hätte es ja nicht machen müssen.“ Sein nicht abgeschlossenes Maschinenbau-Studium, die Jahre mit seiner kleinen IT-Firma, wo er nächtelang durcharbeitete, um Leitungen in Fabriken zu legen (von Kannen mit Kaffee wachgehalten) – all das begleitete Behrend mit Sport. Er hat den A-Schein und kann damit Nationalmannschaften trainieren. Er führte den Landeskaderstützpunkt. Von daher besann er sich irgendwann: „Ich hatte keine Lust mehr auf EDV. Ich wurde Physiotherapeut.“ Es war schwer, mit vielen teuren Fortbildungen verbunden, für TCM und Mc Kenzie-Technik. „Aber es war etwas tolles für mich selber.“ Er will jetzt auch hier Erfolg haben, wie beim Leistungsport: „Ich will keine Dauerpatienten.“
Behrend fand eine Praxis im Rhein-Main-Raum, wo er als Selbstständiger einsteigen konnte. Seine Kunden waren Schwimmer auf nationaler und internationaler Ebene, Top-Triathleten und am Spätabend bis um 23 Uhr jene Bänker und Versicherer, die es nicht früher aus ihren Frankfurter Büros schafften.
Dann kam plötzlich ein Revival-Treffen aller Schwimmstars aus seiner aktiven Zeit. Das war in Essen: „Wunderbar.“ Dort traf er eine Freundin aus Pegnitz wieder, die ihn früher in München angefeuert hatte. Zu ihr zog Andreas Behrend jetzt und fand hier auch eine Praxis für Krankengymnastik. Und kam damit zurück zu einem Schwimmbad, in dem er oft geheim für Wettkämpfe trainiert hatte. Denn die Bademeister Kurt Klein und Bernd Wiesner hielten ihm immer eine Bahn frei.
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