Legokamera entsprang einem Geistesblitz
9.8.2015, 18:58 UhrMit hellwachen Augen, die ständig die seines Gegenübers suchen. Er will, dass man ihm zuhört. Dazu eine Haartracht, die man nur sehr bedingt als Frisur bezeichnen kann. Jens Werlein , Jahrgang 1959, ist anders als andere. Anders als die Norm. Die ist auch nicht so sein Ding.
Nein, er ist kein Verrückter, bloß weil er Kameras aus Legosteinen baut. Er ist nur ein wenig anders als andere. Rund ein Dutzend Menschen - auch nicht gerade auf Norm gebürstete – wollten am Wochenende auch Kameras aus Legosteinen bauen. Und kamen deshalb ins Deutsche Kameramuseum nach Plech. Dort leitete Jens Werlein einen Workshop, in dem er zeigte, wie man Kameras aus Legosteinen baut.
„Es geht um das Urprinzip der Fotografie“, sagt Werlein, während er sich vor Beginn des Workshops eine selbst gedrehte Zigarette reinzieht. Den Teilnehmern sagt er ein wenig später: „Jeder soll zufrieden rauskommen, mit seiner eigenen Kamera, mit den ersten Ergebnissen.“ Keine zweifelnden Blicke. Es wird schon stimmen, was Werlein sagt. Schließlich macht er das nicht zum ersten Mal.
Der Mann aus Schwäbisch Gmünd, seit 1982 als selbstständiger Werbefotograf tätig und seit 1985 auch noch als Hochschuldozent für Fotografie, tourt mit seinen Legokameras durch ganz Deutschland. Seine Kurse besuchen alle Altersgruppen. Er hat es sogar bis nach Berlin in den deutschen Ableger des weltberühmten Guggenheim-Museums geschafft. „Da waren Leute von acht bis 88 da, auch Opas mit ihren Enkeln.“ Auch denen hat er gezeigt, wie man aus Legosteinen eine echte Fotokamera bastelt.
Eine, mit der man richtig fotografieren kann. Er wiederholt mehrfach: „Das ist eine richtige Kamera, mit der man normale und scharfe Fotos machen kann.“ Und zwar ganz unabhängig davon, welche Variante man wählt. Die schlichte Version als Lochkamera, bei der man in eine Alufolie per Stecknadel ein Löchlein sticht. Das muss die richtige Größe haben. Sonst werden die Bilder unscharf. „Spätestens beim dritten Versuch hat man das raus“, sagt Werlein.
Oder die „Komfortausführung“ mit einem richtigen Objektiv. Das bekommt seine eigene Legokiste, die in die Gehäusekiste integriert wird. Sie kann hin und her geschoben und damit die Schärfe reguliert werden. Früher hat man diese Kisten aus Holz gebaut, sagt Werlein.
Doch warum nicht aus Legosteinen? Auf die Idee brachte ihn seine Tochter. Die sollte in der Schule einen Vortrag zum Thema Fotografie halten, bat ihren Vater um Hilfe. Und da er auf dem Dachboden einen riesigen Vorrat an Legosteinen entdeckt hatte, reifte die Idee, diese für den Bau einer Kamera zu nutzen. Und für den Schulvortrag. Das erste Exemplar war also sozusagen ein Familienstück, entstanden aus einem Geistesblitz.
Mit was wird fotografiert? Nun, teilweise auf normalem Planfilm, teilweise mit Polaroid-Rückteil auf Sofortbildfilm. Die bevorzugte Variante bei seinen Workshops. Gut, ein bisschen verrückt muss man wohl sein, sagt er. Auf jeden Fall aber viel Leidenschaft und Kreativität mitbringen.
Einer jener „ein wenig Verrückten“ ist Andreas Wolf, Mann der ersten Stunde im von Kurt Tauber geleiteten Kameramuseum. Auch er macht beim Workshop mit. Er hat schon vorgearbeitet. Sprich: Er hat sich auf den Werlein-Seiten im Internet umgesehen und eine fertige Legokamera mitgebracht. Eine von der Komfortsorte mit Objektiv. Und Selbstauslöser und ein paar weiteren Schikanen. „Ich konnte einfach nicht so lange warten, ich musste das ausprobieren“, sagt Wolf. Werlein gefällt das. Gut sei es geworden, das bunte Teil. Weltweit dürfte es über 200 Legokameras geben. Nicht alle Bastler haben einen Workshop von Werlein besucht. „Mit einigen habe ich das per E-Mail auf die Reihe bekommen, da waren auch Leute in den USA und China dabei.“
Eine Bauanleitung hat Werlein nicht: „Jede Kamera soll ein individuelles Stück sein, ein Unikat.“ Die Teilnehmer finden das gut. Auch Stefan Anlanger aus Wien, der im Raum Plech Bekannte hat. Von ihnen erfuhr er auch vom Workshop. Er darf sich seit zwei Tagen Dr. Anlanger nennen. Er hat seinen Doktor in Jura gebaut, dafür auch eine Flasche Champagner zum Feiern im Reisegepäck verstaut. Und jetzt baut er eine Legokamera . . .
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