Saurer Regen steckt noch im Fichtelgebirge
18.9.2016, 18:17 UhrSo sauer war der Regen Anfang der 1980er, dass viele Menschen im besonders betroffenen Erzgebirge sogar über Augenreizungen klagten. Der pH-Wert des Niederschlags ging bis auf 3,0 hinunter, normal wäre für Regen 5,6. Schuld waren die vielen Braunkohlekraftwerke und Zementwerke im Umkreis, die damals noch Schwefeldioxid in rauen Mengen in die Atmosphäre bliesen.
Die Folgen waren fatal: Bäume und Böden übersäuerten, die Wälder starben großräumig ab. In der Region war vor allem das Fichtelgebirge betroffen. „Es hat alle Baumarten erwischt. Bei Nadelbäumen waren die Effekte aber nochmal stärker. Sie haben eine deutlich größere Oberfläche, außerdem hängen die Nadeln das ganze Jahr hindurch am Baum“, erklärt Andreas Schweiger.
Der Ökologe von der Universität Bayreuth hat gerade für seine Forschungen zum sauren Regen den Bernd-Rendel-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhalten, eine Auszeichnung für Nachwuchs-Geowissenschaftler.
Grün, aber krank
Und er hat nachgewiesen: Obwohl schon längst kein saurer Regen mehr fällt, obwohl bereits die Großanlagenfeuerungsverordnung von 1983 für eine weitgehende Reduzierung der Schadstoffe sorgte, obwohl die Wälder schon längst wieder grün und gesund erscheinen — die Folgen der Naturverschmutzung sind noch lange nicht ausgestanden.
„Der pH-Wert im Boden hat sich im Fichtelgebirge in den letzten 30 Jahren kaum verändert. Er liegt noch immer bei 4,5 bis 5, normal wäre 6 oder 7“, meint Wissenschaftler Schweiger. Das hat weitreichende Folgen: Nährstoffe werden ausgeschwemmt und giftige Schwermetalle, vor allem Aluminium und Cadmium, werden freigesetzt. Dass die Bäume trotzdem wieder grün sind, liegt daran, dass der schädliche Einfluss über den Regen ausbleibt und die sauren Effekte nur noch aus dem Boden kommen.
Die Folgen für die Vegetation sind dennoch enorm, wie Schweiger bei der Untersuchung von Sicker- und Sumpfquellen herausgefunden hat. „Die Zusammensetzung der Vegetation hat sich stark verändert“, verdeutlicht der Forscher. Jetzt wachsen bei den Quellen etwa Torfmoose, die die Umgebung aktiv versauern. Dafür tritt das Gegenblättrige Milzkraut, das für neutrale Quellen typisch ist, kaum noch auf.
„Im Boden gibt es Substanzen, die einer Versauerung entgegenwirken. Diese Puffersysteme sind durch den sauren Regen völlig erschöpft. Es wird noch sehr lange dauern, bis sie sich regenerieren. Vielerorts sind die Ökosysteme sogar irreversibel verändert“, glaubt Schweiger.
Diese geschädigten Ökosysteme sind auch deutlich empfindlicher gegenüber belastenden Einflüssen wie Krankheiten oder Trockenheit, meint Schweiger. „Ohne den sauren Regen der Vergangenheit wäre das Fichtelgebirge heute widerstandsfähiger gegen den Klimawandel.“
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