Wie aus dem Nichts in Mitteleuropa aufgetaucht

1.7.2016, 23:31 Uhr
Wie aus dem Nichts in Mitteleuropa aufgetaucht

© Foto: Udo Güldner

Wie aus dem Nichts in Mitteleuropa aufgetaucht

© Foto: Udo Güldner

Sie sind ein schwer fassbares Phänomen, die Menschen, die vor rund 7500 Jahren plötzlich in Mitteleuropa aufgetaucht sind. Es gibt Hinweise, dass sie aus dem Nahen Osten kamen. „Linearbandkeramiker“ nennt sie die Forschung – nach der Art, wie sie in der Jungsteinzeit ihre Tongefäße durch Ritzen und Stechen verziert haben.

„Der Kontinent befand sich im Umbruch, denn es bildete sich von Frankreich bis in die Ukraine eine homogene Gruppe“, erklärt Carsten Mischka vom Institut für Vor- und Frühgeschichte an der Friedrich-Alexander Universität. Auch im Gebiet der heutigen Fränkischen Schweiz lebten diese Menschen. Bislang waren Archäologen davon ausgegangen, dass sich die Bandkeramiker nur in den Flusstälern mit ihren fruchtbaren Löss-Böden angesiedelt haben – etwa im Wiesenttal bei Ebermannstadt. Da Eschlipp auf einer Hochfläche liegt, „hatte man da nicht gesucht“, so der 43-Jährige.

Im August 2014 änderte sich das, als Mischka, seine Frau Doris (die ebenfalls am Institut arbeitet) und weitere Fachleute einen Acker in der Flur „Krügelsmelm“ unter die Lupe nahmen. Hinweise hatte ihnen der private Sammler Jörg Hähnel aus Bamberg gegeben, der seit fast 30 Jahren bei Spaziergängen auf Funde gestoßen war. Neben den Drügendorfer Schotterwerken untersuchten die Erlanger Wissenschaftler zwei Areale, die Löss-Sedimente enthielten. „Eben, was die durch das Baumfällen verursachte Erosion nach 7500 Jahren übriggelassen hat“, sagt Mischka.

Unter der Humusschicht, die immer noch landwirtschaftlich genutzt wird, fanden sich neben Pfostenlöchern auch Müllgruben, in denen Steinartefakte, Tonscherben und verkohle Speisereste lagen. „Es sind wahre Fundgruben, denn der Abfall verrät unglaublich viel über die Menschen.“ Anhand der rundlichen Verfärbungen im Erdreich können Mischka und seine Kollegen mindestens zwei Dutzend Langhäuser rekonstruieren. „Das waren massive Bauten mit 25 Metern Länge, mehrgeschossig und alles andere als primitiv.“ Auf den etwa zweieinhalb Hektar Fläche siedelten in vier Gehöften schätzungsweise 30 bis 50 Menschen mit ihren aus wilden Arten domestizierten Haustieren, insbesondere Kühen und Schweinen.

Die Feuersteinfragmente geben Aufschluss darüber, dass sich die Bandkeramiker eher mit Werkzeugen befassten, die bei der Rodung des dichten Waldes (Steinklingen für Beile und Dechseln), der Ernte (Sichelklingen) und der Nahrungsverarbeitung (Mahlsteine) zum Einsatz kamen.

„Allerdings sind noch viele Fragen offen“, so Mischka in seinem Vortrag, den er im Rahmen der Familien-Ausstellung „Als das Mammut zu schwitzen begann“ hielt.

Die wenigen Keramikscherben, die im Erdreich zutage traten, legen wegen ihrer besonderen Verzierung nahe, dass Eschlipp eine der ersten Siedlungen der Bandkeramiker in Mitteleuropa war – „als eine in sich geschlossene Gesellschaft, die in einer gefährlichen Welt für Sicherheit sorgte“, wie Mischka glaubt.

Die Siedlung bei Eschlipp blieb rund 200 Jahre bestehen (von zirka 5250 bis 5050 v. Chr.). Ihre Bewohner taten das, was in der neolithischen Revolution üblich war: Sie gaben ihre Lebensweise aus Jagen und Sammeln auf und betrieben Landwirtschaft, bauten Getreide und Hülsenfrüchte an, darunter Emmer, Einkorn, Linsen, und Erbsen. Das geht aus verkohlten Überresten von Körnern und Spelzen hervor. Und sie sorgten mit der Weidewirtschaft dafür, dass die Flächen baumfrei blieben.

Nach rund 650 Jahren verschwanden die Bandkeramiker auf dem gesamten Kontinent wieder so schlagartig, wie sie aufgetaucht waren.

Die Ausstellung „Als das Mammut zu schwitzen begann“ ist bis zum 18. September, dienstags bis sonntags, von 10 bis 17 Uhr, im Fränkische-Schweiz-Museum Tüchersfeld zu sehen. Mehr Infos unter Telefon (0 92 42) 16 40 oder im Internet unter www.fsmt.de

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