Radfahren, ein Leben lang
9.3.2017, 17:57 UhrSiebzig Jahre ist eine lange Zeit. Fast ein ganzes Leben ist das. Heiraten, Kinder, und Enkel kriegen – das alles kann man in siebzig Jahren machen. Eine Sache ist bei Bärbel Sturm in diesen siebzig Jahren aber immer geblieben. Ihre Leidenschaft fürs Fahrradfahren. Siebzig Jahre – so lange fährt Bärbel Sturm nämlich schon.
An ihre ersten Übungen kann sie sich sogar noch ein bisschen erinnern, vier Jahre war sie da alt. "Ich bin damals immer ein bisschen im Garten rumgefahren", sagt die 74-Jährige. Seitdem sind viele weitere Erlebnisse mit dem Rad dazu gekommen.
Knie macht nicht mehr mit
Bärbel Sturm konnte dann aber irgendwann nicht mehr so Fahrrad fahren, wie sie das gewohnt war. Die Gesundheit, die Gelenke, das Knie. Ein künstliches Kniegelenk hat sie bekommen. Fahrrad fahren wollte sie aber trotzdem noch.
Die Lösung für Bärbel Sturm war ein E-Bike, beziehungsweise Pedelec. Ein Elektrofahrrad also, bei dem Bärbel Sturm von einem elektronischen Antrieb unterstützt wird, wenn sie gleichzeitig selbst die Pedale tritt. "Eine liebe Freundin hat gleich zu mir gesagt, dass ich so ein Pedelec brauche und ich bin sehr zufrieden damit", sagt Sturm und ergänzt: "Ich kann jetzt auch wieder längere Strecken fahren, nicht nur in Nürnberg, das ist man ja auch leid irgendwann."
So wie Bärbel Sturm geht es vielen Menschen, die sich für den Kauf eines Pedelecs entscheiden. In Deutschland hat sich zwischen 2012 und 2016 die Anzahl der Pedelecs von 1,3 Millionen auf 2,8 Millionen mehr als verdoppelt. "Es ist ein Trend, der schwer aufzuhalten ist", sagt Beate Stoertzenbach vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club, Kreisverband Nürnberg und Umgebung. "Ich wohne oben am Berg und habe oft schwere Einkäufe, die ich jetzt wieder erledigen kann", sagt Bärbel Sturm. Für ältere und leistungsgeminderte Menschen ist so ein Pedelec also besonders geeignet. "Man muss dadurch eben keine Bedenken mehr haben, wenn man in die Fränkische Schweiz oder die Berge fährt, dass man irgendwo in der Prärie stehen bleibt, weil die Hügel zu steil sind", sagt Beate Stoertzenbach.
Schon länger haftet den Elektrofahrrädern zwar ein Rentner-Image an. Doch das Durchschnittsalter der Pedelec-Käufer sinkt. Auch für Untrainierte oder Wiedereinsteiger nach längerer Sportpause bietet es sich an — für ein moderates Training. Reicht die Kondition nicht aus, wird auf die Unterstützung des Motors zurückgegriffen. "Es ist ein ideales Fitnessgerät", sagt Beate Stoertzenbach vom ADFC.
Das sagt auch Hermann Pfeiffer von der Kreisverkehrswacht Neumarkt: "Gerade weil man keine großen Muskelkater bekommt, ist es ein geniales Trainingsgerät." Er warnt aber auch gleichzeitig vor der Unfall-Gefahr, die sich vor allem für ungeübte Radfahrer ergeben. Oft werde die Geschwindigkeit unterschätzt. Pfeiffer bietet bei der Kreisverkehrswacht deshalb auch Senioren-Sicherheitstrainings an.
Für Bärbel Sturm war dies nach jahrelangem Fahrradfahren kein Problem. "Ich habe das schnell gelernt", sagt sie. Sturm freut sich vielmehr darüber, weiterhin ihrem Hobby nachgehen zu können und fit zu bleiben.
Klassisches Fahrradfahren trägt dazu bei, weit verbreitete Zivilisationskrankheiten und deren Folgen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Übergewicht abzuschwächen oder zu vermeiden. Radeln ist also gut für Organismus und Immunsystem.
Ganz ohne eigenes Tun geht es auch beim Pedelecfahren nicht. Soll es auch nicht. Der Fahrer wird beim Treten zwar unterstützt, sollte den kleinen Motor aber so wenig wie möglich nutzen. Dann ist das Pedelec ein gutes Trainingsgerät, um die eigene Ausdauer zu verbessern.
Es gleicht dem aeroben Training. Den Muskeln wird die Energie dabei hauptsächlich durch Fettsäuren zur Verfügung gestellt. Das Radeln mag zunächst weniger anstrengend sein, als beispielsweise ein Sprint, im Durchschnitt verbrennt der Körper beim moderaten Fahren mit den "Stromern" aber trotzdem 300 Kalorien pro Stunde — nur 100 Kalorien weniger als mit einem normalen Rad.
Bei längeren Strecken kann der Motor immer weniger zu Hilfe genommen werden. Wenn nicht nur die Ausdauer verbessert werden soll, sind auch Strecken mit Hügeln sinnvoll, denn durch den Antrieb ist auch bei Gegenwind bergiges Gelände überwindbar. Unüberwindbar war am Ende aber die Hürde, Bärbel Sturm am Telefonhörer zu behalten. Mit gutem Grund. Sie stand mitten in Hamburg, mit Freundinnen. Und vermutlich auch mit ihrem Pedelec.
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