Furios und packend virtuos: Ten Years After in Roth
15.04.2013, 07:53 Uhr
Es ist eine Weile her, dass der jüngst verstorbene Alvin Lee seinen Ausstieg als Leadsänger bei „Ten Years After“ verkündete. Die persönlichen Differenzen mit seinen Bandkollegen waren eskaliert, Lee beschritt von da an Solopfade. Als die Gruppe ankündigte, mit dem jungen Bluesgitarristen und Sänger Joe Gooch weitermachen zu wollen, gaben manche Insider dem Projekt keine sonderlich lange Halbwertszeit.
Weit gefehlt. Dieser Tage konnten Bassist Leo Lyons, Keyboarder Chick Churchill und Schlagzeuger Ric Lee das "Zehnjährige“ mit ihrem "Neuen“ feiern. Und zeigten beim Bluestage-Auftritt in der Kulturfabrik, wie eng, fast symbiotisch mittlerweile das Zusammenspiel klappt.
Wenn sich Leo Lyons und Joe Gooch furiose Instrumentalduelle liefern, wie dies nur echte Saitenmagier können, dann kommt nicht eine Sekunde lang das Gefühl auf, dass hier zwei völlig verschiedene Blues-Generationen auf der Bühne stehen. Das ist ein hermetisches Miteinander, eine intelligent geteilte Idee davon, wie Blues klingen kann, wenn man keine Grenzen zieht.
Hat der Bluesrock bei "Ten Years After“ doch einen auffallend weiten Horizont, pflegt diese 1967 gegründete und 1969 in Woodstock zur Legende gewordene gewiss kein langweiliges Nostalgie-Rezept für Altfans. Jene werden zwar mit einer Reihe großer Songs der Bandgeschichte bedient, bekommen diese aber in sehr zeitgemäßen Versionen serviert.
Dass Joe Gooch und Leo Lyons nebenher das Projekt "Hundred Seventy Split“ betreiben, in dem sie mehr Rock als Blues spielen, eröffnet auch der "Ten Years After“-Stammformation andere Möglichkeiten und stilistische Dimensionen. Da dürfen sich schon einmal Funk und Soul in die Soli schleichen, dürfen es auch einmal ungewohnte Harmonien und eine bewusste Abwendung von gängigen Blues-Schemata sein.
Irgendwann verlässt Ric Lee seinen Platz hinter dem Drumset, das auf der Basedrum unübersehbar seinen Namen trägt und bedankt sich mit einem sehr gelösten Lächeln beim Festival-Publikum, von dessen Enthusiasmus und Begeisterung die alten Kämpen sichtlich beeindruckt sind. Ric Lee erinnert an den jähen Tod seines Namensvetters Alvin vor wenigen Wochen mit nur 68 Jahren und kündigt an, man werde ihm die Reverenz so erweisen, wie es ihm selber wohl gefallen hätte.
Als die ersten Töne von "I’m going home“ den Saal füllen, werden die Hände zum tosenden Applaus nach oben gereckt. Und dann bekommen die Bluestage-Gänger eine Version des unsterblichen Alvin-Lee-Erkennungssongs, wie sie sie wohl noch nicht gehört haben: explosiv, packend, rasend schnell und mit Gitarrensoli des Frontmannes, deren Virtuosität jeden Rahmen sprengt. Hier wird nicht nur der Hut vor einem Großen des Bluesrock gezogen, sondern die Musik einer ganzen Generation so ins Hier und Heute transportiert, dass Fragen nach ihrer Existenzberechtigung gegenstandslos werden. Der Blues lebt – nicht zuletzt dank Gruppen wie "Ten Years After“, die den Spagat zwischen Gralshüter und Erneuerer so souverän beherrschen.
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