Marktkauf in der Rother Valentin-Passage macht dicht

29.9.2011, 19:52 Uhr
Marktkauf in der Rother Valentin-Passage macht dicht

© Tschapka

Am Dienstag informierte die Geschäftsführung aus Rottendorf zunächst den Betriebsrat und den örtlichen Geschäftsleiter und anschließend die Belegschaft in zwei Mitarbeiterversammlungen über die Schließungspläne. Der Standort sei für die Unternehmensleitung im bestehenden Wettbewerbsumfeld nicht mehr wirtschaftlich vertretbar, versuchte Marktleiter Günther Kastner zu verstehen, was vor allem den Mitarbeitern schwer zu vermitteln ist.

In der Tat: Immer neue Märkte entstanden am Stadtrand, dazu kommt eine hohe Mietbelastung für Marktkauf und rückläufige Umsätze, im Durchschnitt sieben bis acht Prozent pro Jahr. Dies setzte dem Vollsortimenter schwer zu, der am Standort Roth nach Meinung der Unternehmensleitung „nicht mehr haltbar war“. Es seien alle Kostenpositionen analysiert und Mietaufwendungen so-wie die dazugehörenden Verträge auf die Höhe der Mietzahlung, Nebenkosten und auch auf ihre rechtliche Haltbarkeit hin überprüft worden. Der Vermieter, die Edeka Grundstücksgesellschaft Nordbayern-Sachsen-Thüringen mbH, hätte dabei festgestellt, dass der Mietvertrag mit der gesetzlichen Kündigungsfrist kündbar sei.

Umsatzziele klar verfehlt

Günther Kastner, der seit dem 1.Januar 2010 das Haus in Roth leitet, war zunächst zuversichtlich, wenigstens die Vorjahresumsätze halten zu können. Doch es ging weiter abwärts. Und mit neuen Supermärkten aufwärts. Norma, Rewe, Lidl, Aldi und Netto errichteten am Ort neue Märkte. Dazu kam die Rothmühl-Passage. Darunter habe die Innenstadt gelitten, sagte Kastner. Auch in den umliegenden Orten hätte die Zahl der Märkte weiter zugenommen.

„Die Wochenendkunden haben zwar nach wie vor für gute Umsatzzahlen gesorgt, doch vor allem montags und dienstags war die Situation katastrophal, gleichzeitig sind die Kosten weiter gestiegen.“ Betrug die Mitarbeiterzahl in den ersten Jahren um die 100, schrumpfte die Belegschaft auf derzeit 60. „Einige Mitarbeiter waren am Dienstag im Schockzustand, andere hatten Tränen in den Augen“, zitierte ver.di-Sekretär Manfred Wages den Betriebsrat. „Denn diese Mitteilung bedeutet nichts anderes als den konkreten Entzug der Lebensgrundlage.“

„Die durchgeführte Schließung in Fürth und die zum 31. Oktober 2012 geplante Schließung in Zirndorf reicht der Edeka wohl längst nicht aus, denn jetzt soll auch noch die Marktkauf-Filiale in Roth dran glauben“, stellte der für den Einzelhandel in Mittelfranken zuständige ver.di-Sekretär fest, „und die Zeitspanne zwischen Ankündigung und Schließung wird von Mal zu Mal kürzer.“

Die Geschäftsleitung kündigte an, in Kürze mit den Mitarbeitern einen Sozialplan und Interessenausgleich zu verhandeln. Gewerkschafter Wages hielt dagegen: „Wir werden gemeinsam mit dem Betriebsrat alles in unserer Macht Stehende tun, der Edeka die geplante Schließung des Marktkauf-Hauses in Roth so teuer wie möglich zu machen.“ Wages verwies in dem Zusammenhang auf eine am 7.Oktober geplante Betriebsversammlung. „Schwierig wird es vor allem für die Teilzeitkräfte um die 50, einen neuen Job zu finden“, meinte Marktleiter Kastner. Gute Chancen sah er dagegen für das Bedienungspersonal und die beiden Auszubildenden.

Die Valentin-Passage, die mit Ausnahme des Modehauses Wöhrl seit 2007 der Halifax and Bank of Scotland (HBOS Group) gehört, gilt als die wohl prägnanteste Geschäftsimmobilie in der Kreisstadt. Und ist deshalb als Magnet auch so wichtig für die gesamte Innenstadt. Die Schließung bedeutet auch das „Aus“ für die von Marktkauf weitervermieteten Einzelhandelsflächen.

Unter anderem betreibt dort seit zwei Jahren Nicole Wiedner einen Zeitschriftenladen sowie ein Lottogeschäft. „Derzeit stehe ich ohne Alternative da“, reagierte sie mit einem Kopfschütteln auf die unerwartete Entwicklung. Auch der Inhaber der türkischen Feinkosttheke gegenüber ist mehr als geschockt. „Es geht um die Existenz, um Familien“, sagte er.

Siegfried Valentin, Bauherr und früherer Eigentümer, der immer noch mit Herzblut die Entwicklung dieser Immobilie verfolgt, konnte die Vorgehensweise von Marktkauf ebenfalls nicht begreifen und zweifelte zudem die angeführte Ausstiegsklausel an. Ihm tue es leid für die Innenstadt, sollte die Immobilie für einen längeren Zeitraum leerstehen.

Derartige Sorgen treiben auch Bürgermeister Ralph Edelhäußer um. „Schlimm. Tragisch“, lauteten seine ersten Reaktionen. „Wahnsinn. Das tut mir in der Seele weh“, pflichtete ihm seine Stellvertreterin Elisabeth Bieber bei. „Katastrophal für Innenstadt und Außenwirkung“, bekräftigte Sybille Meier von der Werbegemeinschaft Roth. Gerade erst sei eine gute Kooperation mit Geschäftsleuten in den Rothmühl-Passagen angelaufen, um die Innenstadt weiter zu beleben, sagte sie. Deshalb sei diese neue Entwicklung ein gewaltiger Rückschlag. Alle Verantwortlichen in der Stadt Roth sollten sich ihrer Meinung nach zusammensetzen, damit nach dem Auszug von Marktkauf die Valentin-Passage kein Geisterbau wird.

„Vom Aussterben bedroht“

„Wenn wir unterstützend tätig werden können, werden wir das auch tun“, versprach Edelhäußer. Wenn es jedoch nicht gelinge, eine rasche Lösung zu finden, befürchtet Uwe Heyder vom Einzelhandelsverband ein „Aussterben der Innenstadt“.

Will man Gerüchten Glauben schenken, steht der Name Kaufland im Raum. Kaufland war schon einmal in Roth im Gespräch, nämlich in der Anfangsphase des Fachmarktzentrums Rothmühl-Passage. Damals befürchtete die Werbegemeinschaft, dass mit dem „Goliath“ die Innenstadt platt gemacht werde. Vorläufiges Ende: Kaufland ist nicht in die Rothmühl-Passage eingezogen, dafür zieht Marktkauf aus der Valentin-Passage aus.DETLEF GSÄNGER

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