Müntefering: Dem Sterbenden helfen statt Sterbehilfe

26.1.2014, 19:35 Uhr
Müntefering: Dem Sterbenden helfen statt Sterbehilfe

© ley

Sein Wort wiegt schwer. Nicht nur, weil er in der bundesdeutschen Politik über Jahrzehnte mitmischte und unter anderem auch Vizekanzler war. Sondern auch, weil er sich 2007 dazu entschlossen hatte, diese Position aufzugeben. Der Grund: Er wollte seine krebskranke Frau betreuen und pflegen, was er dann auch bis zu ihrem Tod ein Jahr später tat. Das hat den katholischen Politiker nachhaltig geprägt. Und ihn gelehrt, den Fokus auch in der jetzt neu entflammten Diskussion weg von der Todespille zu setzen. „Ich habe gelernt, dass es darauf ankommt, dem Sterbenden zu helfen“.

Für ihn persönlich sei die Zeit, in der er seine Frau gepflegt habe, eine sehr wertvolle gewesen, erklärte Müntefering. Er sprach sogar von einem „unglaublichen Vorteil“, Menschen in den letzten Wochen ihres Lebens begleiten zu dürfen. Der Ausdruck „Sterbehilfe“ meine hingegen etwas völlig anderes und sei deswegen auch „begrifflich ein Problem“. Doch nicht nur mit dem Wort hadert Müntefering, sondern auch mit der Denke dahinter. „Die Qualität unserer Gesellschaft entscheidet sich nicht daran, ob wir Selbsttötung legalisieren, sondern wie wir mit Sterbenden insgesamt umgehen“, so der heute 74-Jährige. Wohlwissend, dass er allein mit dieser Wortwahl provozierte. Müntefering sprach fortwährend über „Selbsttötung“ und vermied es, sich auf eine Diskussion um passive oder aktive Sterbehilfe einzulassen. Er warnte aber davor, sich im gesellschaftlichen Disput zu sehr auf letztere zu versteifen. „Den Menschen, die sterben, und denen, die um sie trauern“ müsse vielmehr gezielt geholfen werden.

Eben jenen Ansatz verfolgt man auch in der Kreisklinik, wo solche Worte mit großem Wohlwollen aufgenommen wurden. Hier wurde im Jahre 2006 eine Palliativstation gegründet, damals als zweite Einrichtung ihrer Art in Mittelfranken. Die Überzeugung, eine solche Station zu brauchen, habe seinerzeit den Ausschlag für sie gegeben, betonte Landrat Herbert Eckstein beim Gespräch vor Ort. Die Frage der Wirtschaftlichkeit sei zunächst eine nachrangige gewesen.

Das Wagnis hat sich gelohnt: Er bekomme bezüglich keiner Landkreiseinrichtung mehr positive Rückmeldungen, so Eckstein. Die ersten vier Jahr habe man „keine Zahlen sehen wollen.“ Langfristig stand indes freilich die Frage im Raum, inwieweit sich ein solches Angebot „ins Klinikgeschehen einordnen lässt“, formulierte Kreisklinikchef Werner Rupp mit Bedacht. Doch genau das „ist uns weitgehend gelungen.“

Eng arbeitet die Palliativstation mit dem Hospizverein Hilpoltstein-Roth zusammen, deren Vorsitzende Agathe Meixner die Bedenken Münteferings teilt. Die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme zu einer der beiden Einrichtungen sei hoch, dabei könnten sie dank menschlicher Nähe und Schmerztherapie neue Lebensqualität vermitteln. Hier gelte es, den Hebel anzusetzen. Viel zu oft aber greife gerade bei Älteren der Gedanke: „Ich bin nichts mehr wert und nur noch eine Last“. Wer in diese Verzweiflung stürze, so ergänzte Müntefering, frage sich dann, „ob er nicht lieber gehen solle“. Diese Haltung werde durch eine „Heroisierung der Selbsttötung“ dann noch unterstützt, bedauerte er. „Es ist eine fatale Problematik, in der wir da stehen.“ Am schlimmsten aber sei die Einsamkeit, mit der sich viele ältere Menschen konfrontiert sähen. Und dies inmitten einer so „zeitreichen Gesellschaft“.

Einen Lösungsansatz brachte Chefarzt Dr. Stephan Barthel ins Spiel: Der Palliativgedanke müsse noch stärker nach außen getragen werden. Gelinge dies, könnte sich „die Frage nach der aktiven Sterbehilfe erübrigen.“ Dabei sei es wichtig, dass die Thematik „in den Mittelpunkt der Gesellschaft rückt“, wie SPD-Kreisrätin Christine Rodarius einforderte. Das aber sei nicht einfach, wie die eigene Tochter zu bedenken gab. So gäbe es Fälle, wo Angehörige einer zu Hause gepflegten Person den Pflegedienst bäten, das Auto „um die Ecke zu parken“, rief Danielle Rodarius (stellvertretende Hilpoltsteiner SPD-Orstvorsitzende) in Erinnerung.



Ganz im Sinne Münteferings warnten die Gesprächsteilnehmer vor einer einseitigen Betrachtungsweise. Todkranke Menschen bräuchten nicht nur Hilfe, sondern könnten auch viel geben, zum Beispiel „Glaubenskraft und Lebensmut“. So sei auch seine Erfahrung, betonte Klinikseelsorger Heinrich Hofbeck. Das Schlusswort gebührt natürlich dem Gast, der resümierend feststellte: „Gelingendes Sterben hat etwas mit gelingendem Leben zu tun...“

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