,SPD ist Wertegemeinschaft’

12.9.2012, 17:45 Uhr
,SPD ist Wertegemeinschaft’

© Shaw

An ihre erste Stadtratssitzung vor 22 Jahren kann sich Marlene Lobenwein noch gut erinnern. In einer Partei, in der es naturgemäß keine Gründungsmitglieder mehr gibt, gehört die 2008 ausgeschiedene Stadträtin zum aktiven „Urgestein“. „Nach der Vereidigung lag ein Buch auf meinem Platz mit der Widmung: ,Wenn Du mal nicht weiter weißt, schau zu mir rüber – vielleicht weiß ich’s auch nicht‘“, blickt sie zurück. Die Zeilen hatte ein politischer Gegner, aber auch langjähriger Wegbegleiter geschrieben: CSU-Original Georg Engelhardt.

Was die Beschenkte nicht ahnte: Schon in der nächsten Sitzung bewahrheitete sich der Spruch. „Unterstände für Schuppenwild“ standen da zur Debatte. „Ich wusste weder was ein Unterstand, noch was Schuppenwild ist“, erzählt Lobenwein. Und als sie fragend zu Engelhardt blickte, habe der auch nur den Kopf geschüttelt und grinsend imaginäre Schuppen von seinen Schultern gewischt. „Darüber haben wir noch jahrelang gelacht.“ Des Rätsels Lösung: Es waren Ufernischen für Fische gemeint.

So kollegial ging es in der 120-jährigen Geschichte der Rother SPD nicht immer zu. Voll Stolz spricht Werner Tapprich, ebenfalls Stadtratsmitglied von 1990 bis 2008 und seit 45 Jahren Sozialdemokrat, von den „Straßenkämpfen“ zu Beginn der Nazi-Diktatur. Die SPD war damals in der Arbeiterstadt etabliert und bot dem Unrecht zumindest anfangs Paroli.

1933 verschleppten die Nazis deshalb eine der herausragendsten Persönlichkeiten der Rother Sozialdemokratie ins KZ: Xaver Meisinger war Bezirksrat und hatte sich schon 1909 den Gründern August Rößler, Leonhardt Schnürlein, Michael Matthold, Friedrich Matthold und Wolfgang Stumpf angeschlossen. Ihm folgten zwölf weitere Genossen nach Dachau, darunter sechs Stadtratsmitglieder.

Die Erzählungen der „Alten“ vom Kampf gegen die NSDAP haben Werner Tapprich bis heute nicht losgelassen. Deshalb hofft er auch, zum Jubiläumsfest am Sonntag, 16.September, um 10.30 Uhr in der Kulturfabrik die alte Rother Reichsbanner-Fahne zeigen zu können. Das Stück lagert derzeit im Depot.

An die Vorkriegsgeschichte der SPD erinnert auch das Friedrich-Ebert-Denkmal in der gleichnamigen Straße. Zu dessen Demontage kam 1933 eigens Julius Streicher, Herausgeber des Hetzblatts „Der Stürmer“, nach Roth. 1951 wurde der Brunnen wieder aufgebaut und unter der Regie eines neuen Rother SPD-Schwergewichts eingeweiht: Fritz Knoll, der von 1948 bis 1952 zusammen mit Xaver Meisinger sowie nochmals von 1960 bis 1990 im Stadtrat war.

„Auch verzeihen können“

Den NSDAP-Ortsgruppenleiter Karl Merkel hatte Meisinger nach Kriegsende sogar entlastet. Trotz KZ-Haft meinte er, man müsse „auch verzeihen können“. Meisinger starb 1954. Sieben Jahre später benannten die Rother eine Straße nach ihm.

In den Folgejahren dominierte die SPD mit Bürgermeister Heinrich Pürner den Stadtrat, wie Dr. Ursula Bloos in ihrer Chronik schreibt. Weniger erfreulich für die Sozialdemokraten war die Unterbrechung ihrer Führungsrolle von 1969 bis 1984 durch den parteilosen CSU-Kandidaten Friedrich Wambsganz. Doch auch in dieser Zeit „ging es mit der SPD stetig bergauf“, betont Andreas Buckreus, der seit März 2012 Ortsvorsitzender ist.

Nachdem sie Ralph Edelhäußer 2011 nach 27 Jahren an der Stadtspitze abgelöst hat, muss der 29-jährige Polizist die Sozialdemokraten nun ebenfalls durch schwierige Zeiten führen. Sein Vorbild ist Hans Weiß, der das Rathaus 1984 zurückeroberte. „Wie kein anderer prägte er die Geschicke der Stadt“, so Ursula Bloos. In die Amtszeit des Grundschulrektors fielen laut Tapprich „immense Investitionen“, unter anderem der Bau der Kulturfabrik und des Jugendhauses. Weiß habe die Verkehrsberuhigung des Marktplatzes durchgesetzt, die Unternehmerfabrik angestoßen und viele Arbeitsplätze nach Roth geholt.

„Dabei stand und steht die Stadt finanziell gut da“, ist auch SPD-Kreisvorsitzender Sven Ehrhardt beeindruckt. Zusammen mit der 43-jährigen Petra Hoefer und dem 49-jährigen Dr. Edgar Michel bildet der 23-jährige Student das neue, stark verjüngte Führungsquartett des Ortsvereins. „Die Rother SPD hat schon immer ihre Wirtschaftskompetenz ausgezeichnet“, ist er überzeugt.

Auf Weiß folgte 1999 Richard Erdmann. „Die Stimmung für den autofreien Marktplatz hat ihn ins Rathaus katapultiert“, blickt Ehrhardt zu-rück. Ein Wahlversprechen, das laut Lobenwein „bis heute anhält“. Trotzdem schrumpfte die Zahl der SPD-Mandate von 13 im Jahr 1984 auf neun bei der Wahl 2008. Doch erst der Verlust des Bürgermeisteramts im März 2011 „hat viele wachgerüttelt“.

Der Ortsverein zählt aktuell 125 Mitglieder, 100 weniger als zu seinen Glanzzeiten. „Die Stärke der Rother SPD hat man vor allem auch in den Vereinen gespürt“, erklärt Sven Ehrhardt. „Zu Hochzeiten hatten die Vorsitzenden alle ein SPD-Parteibuch.“ Ein Musterbeispiel für diese „Verankerung“ sei der im März verstorbene Awo-Vorsitzende Ernst Rossmeissl gewesen, der von 1970 bis 1994 für die SPD im Bezirkstag saß.

Als Ziel für die nächsten Jahre formuliert Buckreus deshalb unter anderem, „in die Vereine zurückzukehren“. Außerdem wolle die Rother SPD „zehn plus x Stadtratssitze, den Bürgermeister und einen überregionalen Abgeordneten stellen“. Das bisher einzige Landtagsmitglied aus ihren Reihen war von 1982 bis 1990 Günter Fichtner.

Das Selbstbewusstsein aus 120 Jahren Mitgestaltung der Stadt- und Kreisgeschichte hat sich die junge Führungsriege bewahrt: „In Bayern ist die SPD traditionell am Boden, während sie im Landkreis Roth vor Stärke teils kaum laufen kann“, erinnert Ehrhardt an den zuletzt mit Dreiviertelmehrheit wiedergewählten Landrat Herbert Eckstein.

Wichtig ist ihm auch der Unterschied der SPD zu den Freien Wählern: „Wir sind keine Wähler- sondern eine Wertegemeinschaft.“ Das äußert sich am Sonntag, wenn die Sozialdemokraten ganz zum Schluss ihre Hymne „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ singen. Die hat zwar noch keine 120 Jahre auf dem Buckel, ist aber ebenfalls älter als alle politischen Gegner.PATRICK SHAW

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