Spott im Netz für "CSU-Babo" Fabian Giersdorf
3.2.2014, 11:05 UhrBei Wahlplakaten, da werden sie kreativ. Um bei den jungen Menschen anzukommen. Um aus dem bürgerlichen Mief rauszukommen. Erst bei der letzten Bundestagswahl kaperte der Berliner FDP-Listenkandidat Linus Vollmar für sein Wahlplakat den Ausdruck "Yolo", der für "You Only Live Once", also frei übersetzt, "Du lebst nur einmal" steht.
Dass den Ausdruck selbst kaum jemand mal aus dem Mund eines Jugendlichen gehört hat, dass er im Netz zu diesem Zeitpunkt längst eine Lachnummer war, ein Scherz auf Kosten der Fitnessstudiogänger und Sonnenbankanbeter, das kümmerte Vollmar damals offenbar nicht. Oder die entsprechende Agentur.
Nun ist nicht einmal ein Jahr vergangen und die Kommunalwahl steht in Bayern an. Und wieder tritt ein Kandidat in die Falle mit der Jugendsprache. "Chabos wissen, wer der Babo ist", prangt unter dem Gesicht des jungen Mannes von der CSU Roth. "Gerade haben wir mein erstes DinA1 Plakat aufgehangen - ich bin hocherfreut", schreibt Fabian Giersdorf auf Facebook zu dem Foto von seinem Wahlplakat.
"Babo", das ist das Jugendwort des Jahres 2013 und bedeutet so viel wie "Boss", "Chabos" sind "Brüder" oder "Kollegen". Die ganze Zeile geht auf einen gleichnamigen Song des Rappers Haftbefehl zurück. "Du weißt, dass ich Babo bin, weil ich deine Mutter fick', Du bist wie mein Schwanz beim Wichsen. Ich spucke auf dich", heißt es in dem Song. Könnte man für Rap der härtesten Gangart halten oder aber einfach für große Unterhaltung, für Übertreibung mit Augenzwinkern. Und nicht wenige Fachjournalisten und Szenekenner attestieren Haftbefehl ein Gespür für Sprache. Selbst das Feuilleton nahm sich des Rappers an, der nicht nur Lob, sondern auch Kritik für antisemitischen Tendenzen in seinen Texten bekam.
Giersdorf schafft es nun, mit dem geposteten Foto von dem Wahlplakat in aller Munde zu sein - allerdings nicht mit seiner politischen Botschaft. Mehr als tausend Kommentare gab es auf Facebook schon, mehr als tausend Mal haben Nutzer das Bild geteilt. Eine Nutzerin schrieb: "Gratulation zur kommenden politischen Elite in Bayern… Man, man…Finster ist gar kein Ausdruck. Hier ist zeigt (sic!) sich ganz deutlich, dass street credibility doch irgendwie mit debil zusammenhängt…" Das ist noch der harmlosere Spott, der sich unter dem Post ergießt.
Auch Rapper Haftbefehl äußerte sich auf seiner Facebook-Seite zu dem Wahlplakat. "Servus Leute, ich habe gerade das Wahlplakat von Fabian K. Giersdorf gesehen und frage mich, wie man meinen Songtitel ausnutzen kann, um neue Wähler für sich zu gewinnen? Abgesehen davon wurde bei mir nach keiner Freigabe gebeten! Herr Giersdorf - die Tage erhalten Sie Post von uns..."
Ist eine Zeile aus einem Songtext aber eigentlich wirklich justiziabel? "Es kommt drauf an, ob es urheberrechtlich geschützt ist", so Dr. Michael Metzner, Anwalt für Urheber- und Medienrecht aus Erlangen. "Und ein Songtext ist immer urheberrechtlich geschützt, selbst Teile daraus." Der Einzelfall muss natürlich immer geprüft werden, aber nur bei der Umsetzung des Textes in ein neues Werkformat wäre dies zulässig ohne Einverständnis des Künstlers. "Der Urheber kann Unterlassungsanspruch geltend machen."
Der CSU-Jungpolitiker selbst äußerte sich zu dem Vorfall auf Nachfrage der Online-Redaktion. "Einer meiner Spitznamen an der Universität und unter Freunden ist auf Grund meiner Tätigkeit als Tutor und meiner dreijährigen Tochter 'Babo' für 'Papi' - daraufhin habe ich mir überlegt, mit einem in der Jugendsprache bekannten Spruch die Jugendlichen, die sich normalerweise nicht für Politik interessieren, auf Kommunalpolitik und deren Bedeutung hinzuweisen", so Giersdorf. "Denn gerade auf kommunaler Ebene wird entschieden, was die Menschen direkt betrifft. Dies zeigt sich leider nicht an der Wahlbeteiligung."
Mit der Aufregung im Netz hat der 23-Jährige allerdings nicht gerechnet. "Mein Ziel ist es jetzt, da ich wider Erwarten so im Fokus stehe, den Menschen zu zeigen, dass ich an und für sich ein seriöser Jungpolitiker bin, der eben dieses Mal einen etwas anderen Weg gegangen ist." Der Trubel ums Plakat zieht derweil weite Kreise. Immer wieder teilen Medienseiten auf Facebook das Bild des Plakats. Ein Album von Haftbefehl besitzt Giersdorf nach eigener Aussage übrigens nicht.
Giersdorf ist nicht der erste Politiker, der sich die Songzeile für ein Wahlplakat nahm. Auch der bayerische SPD-Politiker Herbert Woerlein warb wohl vor einiger Zeit mit dem "Slogan", zumindest haben diverse Nutzer ein Plakat von ihm fotografiert und gepostet. So gesehen: Wirklich kreativ sind sie dann für das Wahlplakat bei der CSU doch nicht geworden. Die Aufregung ums Plakat hat Giersdorf nun aber immerhin erstmal exklusiv.
Der Artikel wurde um 11.05 Uhr um die Zitate von Fabian Giersdorf erweitert. Vorher lag keine Stellungnahme von ihm vor.
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