Wenn das Gerichteraten zur Sinnkrise wird
07.05.2012, 00:00 Uhr
Er weiß, dass er selbst die Kochlöffel in die Hand nehmen muss, wenn er die deutsche Esskultur ändern will. Vor allem in unserer Zeit, in der „Politiker lieber frittieren als regieren.“ Was für Schlagzeilen sorgt wie „Merkel kocht Kohl“ und auch den „Finanzminister Schäufele“ in ganz neuem Licht dastehen lässt. Da bleibt bloß noch Frustessen. Also wieder auf in den Supermarkt zum fröhlichen Gerichteraten anhand der Zutatenliste. Was das wohl für ein leckeres Essen sein mag, in dem „explosionsgetrockneter Sellerie“ drinnen ist? Richtig, eine Buchstabensuppe.
Und schon ist Weber mitten im Kernthema seines aktuellen Programms namens „Futter streng verdaulich“. Was die Lebensmittel-Industrie dem Deutschen so alles auf den Teller werfen will, verdient nach Ansicht des 37-Jährigen genau jenes Prädikat. Was sind denn die oft auf den Verpackungen zu lesenden „natürlichen Aromen“? Über solche verfügten ja auch getragene Sportsocken, meint Weber in der Realschulaula.
Für guten Geschmack im Erdbeerjoghurt sorgen die Holzspäne. Und die 20 Chemikalien einer Weizensemmel möchte der Konsument auch nicht missen. Weber bastelt aus der Entfremdung des Verbrauchers vom Inhalt der Dosen und dem Spruch „Man ist, was man isst“ sogar eine eigene Identitätskrise. Denn „woher soll ich wissen wer ich bin, wenn ich nicht mehr weiß, was ich esse“?
Damit haben auch die drei imaginären Gäste ihre Probleme, die sich Weber am Abend in der Realschule zum „Slow food“ Essen einlädt. Denn die haben Glutamat-Allergie, Lactose-Intoleranz und ähnliches. Beinahe hätte er da seine Mutter zur Verstärkung geholt. Denn die weiß, wie aktive Immunisierung funktioniert. „Du isst, was auf den Tisch kommt!“ So habe er es früher zu hören bekommen. Seine Mama hat eben ihrerseits eine „Nahrungsmittelunverträglichkeitsintoleranz“. Essensverweigerung wurde mit einem Schlag auf die Backe und einem extra Schlag Wirsing auf den Teller bestraft.
Ob Weber mit seinem Programm also ein Kindheitstrauma verarbeitet? Psychische Störungen lassen sich ja ohnehin am Umgang mit Essen bestens ablesen. Von der Gurken-Psychose bis zur Ablehnung des Spargelgemüses als Form von Penisneid. Aber mittlerweile kann man ja dank Gentechnik seine Lebensmittel selbst basteln.
Jüngst wurden etwa Erdbeeren mit flinken Flundern gekreuzt. „Die Pflücker tun mir jetzt schon leid“, so der gebürtige Odenwälder. Sein Vorschlag: Warum nicht Schwein mit Soja und Lemming kreuzen? Heraus käme die suizidale Tofu-Sau, die sich selbst in die Fleischbrühe stürzt. Immer noch besser als Sushi.
Für die weiblichen Besucher in der Realschule hat er gute Nachrichten: „Wir Männer finden dicke Hintern gut!“ Also sich nichts von der Diät-Industrie einreden lassen, so Webers Tipp. Deren neuester Hit aus den USA: cholesterinfreies Wasser!
Der Kabarettist kommt selbst aus dem Kichern nicht mehr heraus, bevor er sich über die nächste Skandalschlagzeile hermacht. Diese lautet: „Nikotin in den Eiern.“ Für den kochenden Kabarettisten kein Problem: „Das klingt doch nach Rock’n’Roll!“ Dem Bio-Essen misstraut er ebenso. Denn solches werde oft aus einer Entfernung von Tausenden von Kilometern importiert. Da sei es dann egal, ob man sich als Verbraucher die Biogurke mit dem Hubschrauber aus dem Laden hole.
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