S-Bahn-Tragödie: Heroldsberg ist über Medien entsetzt
31.1.2019, 05:24 Uhr"Es ist einfach unmöglich, wie versucht wurde, Jugendliche abzufangen und aus ihnen etwas herauszuquetschen", empört sich Heroldsbergs Bürgermeister Johannes Schalwig. Fernsehteams hätten sich am Rathausplatz positioniert, wo Trauernde auf einer Treppe eine Art Gedenkstätte für die beiden verstorbenen Jugendlichen eingerichtet hatten, und gewartet, bis trauernde Jugendliche mit dem Zug aus der Schule zurückkommen.
Die beiden 16 Jahre alten Jungen waren in der Nacht zum Samstag bei einer Schlägerei an der Nürnberger S-Bahn-Station Frankenstadion auf die Gleise gestürzt und durch den einfahrenden Zug getötet worden.
"Einen, bei dem sie mitbekommen hatten, dass er das Unglück live miterlebt hat, haben sie bis nach Hause verfolgt, sie haben ihn einfach nicht in Ruhe gelassen", erzählt Schalwig. So aggressiv traten offenbar einige Medienvertreter auf, dass dem Bürgermeister schließlich der Kragen platzte, er von seinem Hausrecht Gebrauch machte und die Journalisten vom Platz jagte.
Schlägerei endete tödlich: EKO "Frankenstadion" eingerichtet.
Vorher sollen sich aber noch einige unschöne Szenen ereignet haben, wie ein junger Heroldsberger schildert. Er hatte ein TV-Team gebeten, am Ort der Trauer nicht zu filmen und auch keine Interviews mit den trauernden Passanten oder Angehörigen zu führen. "Die beiden Journalisten wurden nach dieser Bitte sehr aggressiv und beharrten auf ihrem Recht, an öffentlichen Plätzen Filmaufnahmen zu machen", berichtet er.
Kameramann beschimpft Umstehende
Am Schluss soll die Situation so eskaliert sein, dass ein Kameramann die Umstehenden aufs Übelste beschimpfte. "Sinngemäß mit den Worten: Ihr seid ja wahrscheinlich alle solche S-Bahn-Schubser, deswegen wollt ihr nicht, dass wir berichten", meint der junge Heroldsberger. Etliche Zeugen können seine Version des Vorgefallenen bestätigen. Die Bewohner des Ortes, die nach dem Vorfall ohnehin unter Schock stehen, müssen sich nun also auch noch mit aufdringlichen Reportern herumschlagen.
Auch am Gymnasium in Eckental, das einer der Verstorbenen besucht hatte, sorgte die Berichterstattung vor allem der Bild-Zeitung für Entsetzen unter den Schülern.
Namen der Toten wurden vertauscht
"Die Comic-Zeichnung am Montag, die das Unglück genau veranschaulichte, empfanden sie als Lächerlichmachen der Opfer. Das war komplett geschmack- und würdelos. Die Fotos von den Verstorbenen am nächsten Tag, bei denen auch noch die Namen der beiden vertauscht wurden, empfanden die Schüler als massive Störung in ihrem Trauerprozess und Verletzung der Menschenwürde der Opfer", sagt eine Religionslehrerin der Schule. Die Familien der beiden jungen Männer sind nun gegen die Berichterstattung vorgegangen und haben eine Abmahnung gegen die Bild-Zeitung geltend gemacht.
Kommentar: Soziale Netzwerke - Wo Mitgefühl überbewertet wird.
An den Ausgängen der Schule waren extra Lehrer platziert worden, damit die Schüler nicht von Medienvertretern angesprochen werden konnten. Um die Schüler kümmerten sich Krisenteams und Psychologen. Mit einer Zusammenkunft in der Aula bemühte sich die Schulleitung, die Schüler in ihrer Trauer zu unterstützen, außerdem ging sie noch speziell in die Klassen, in der der verstorbene Schüler bekannt war.
Film-Versuch beim Fußballtraining
Stefanie Piegert, Vorstand der Tuspo Heroldsberg, wo die beiden Jugendlichen Fußball gespielt hatten, empfindet die Veröffentlichung der Fotos in der Bild-Zeitung ebenfalls als "krass, ein absolutes No-Go". Ein Fernsehsender hatte überdies ein Training der Heroldsberger Fußballer filmen und die Mitspieler befragen wollen. "Solange ich Hausherrin auf dem Sportplatz bin, werde ich so etwas verbieten", betont Piegert.
Bürgermeister Schalwig fordert derweil Medienvertreter dazu auf, nicht zur Trauerfeier für die beiden 16-Jährigen zu erscheinen und von Foto- und Filmaufnahmen Abstand zu nehmen. Falls es dennoch nötig werden solle, werde man auch auf dem Friedhof und auf dem Kirchengelände vom Hausrecht Gebrauch machen. Die trauernden Heroldsberger wünschten sich jetzt ganz einfach, in Ruhe gelassen zu werden.