Schnaittacher Doppelmord: Liebesbriefe vor Gericht verlesen

20.2.2019, 19:29 Uhr

"Mein Engelchen, ohne dich breche ich bald auseinander. Mittlerweile geht es mir fast schlechter als damals, als du mir zur Seite gestanden hast – wir sehen uns wohl erst vor Gott wieder. Wenn ich sterben sollte, mein Restguthaben geht an dich."

Als Ingo P. Ende Februar 2018 an Stephanie schrieb, hielt man ihn in der U-Haft in Ansbach für suizidgefährdet, so wurde er für einige Wochen in der psychiatrischen Abteilung der JVA Würzburg inhaftiert. "Mit Fuß- und Handschellen gefesselt" sei er hingefahren worden, teilt Ingo P. im Liebesbrief mit, schildert seinen Alltag "mit verhaltensgestörten Häftlingen in der Forensik", berichtet von seinem blau geschlagenen Auge und ausführlich vom dortigen Speiseplan. Er endet mit Liebesschwüren: "Du bist so fern, du fehlst mir, mein kleiner Stern." 150 Euro für Briefmarken, damit auch sie ihm aus der Nürnberger U-Haft schreibt, habe er ihr bereits überweisen lassen. Rund ein Jahr später sitzen beide vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, zwischen ihnen ein Polizeibeamter. Sie würdigen sich keines Blickes.


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Stephanie P. bekundet ihre Unschuld – von einem Mordkomplott, wie es Staatsanwalt Stefan Rackelmann annimmt, will sie nichts wissen. An den beiden Giftanschlägen auf Ingo P.s Mutter im Herbst 2017 sei sie nicht beteiligt gewesen und als er Mutter und Vater in der Nacht zum 14. Dezember mit einem Zimmermannshammer zu Tode prügelte, nächtigte sie bei ihren Eltern in Burgthann.

Misshandelt und malträtiert

Stephanie P. beschrieb Ingo P. schon in einer ersten Vernehmung bei der Polizei als eiskalten Elternmörder, der ihr seine Verbrechen gestand und sie nach der Bluttat zwang, zu putzen und die Wohnung zu renovieren. Ingo P. habe sie misshandelt, wie eine Marionette benutzt, Morddrohungen ausgestoßen, sie mit einem Hammer und einem Messer bedroht.

Ingo P. schweigt im Prozess, den schweren Vorwürfen setzt er nichts entgegen. Wer jedoch die Textnachrichten zu hören bekommt – in der Schwurgerichtskammer werden sie verlesen – die sich Ingo und Stephanie P. in den Wochen nach der Tat schickten, kann sich Stephanie P. nur schwer als malträtierte, unterdrückte Frau vorstellen: Während Ingo P. an seine "Süße" schreibt und sie "Prinzessin" nennt, sind ihre Botschaften rustikal. Er solle "die Fresse" halten, ihm habe man wohl "ins Hirn geschissen". Grund ihrer Wut: Offenbar hat er sie beim Kartenspiel sitzenlassen. Ingo P.s Antworten fallen moderat aus. Sauer – und eifersüchtig – wurde er offenbar erst, als er bereits in der U-Haft saß, und erfuhr, dass Stephanie P. auch einem gewissen Sven Briefchen schickte.

Er habe mal eine "doofe Frage", schrieb Ingo, warum schicke sie denn irgendeinem Sven, den sie "ganz toll lieb" habe, Briefe mit Herzchen aus der Haft? Überhaupt solle sie aufhören, ständig ihre Unschuld zu behaupten: "Manches ändert sich eben doch nicht, du lügst eben immer wieder gern – siehe die Prozessakte."

Streit mit Eltern

Stephanie P.s Wahrheitsliebe ist begrenzt, dies belegen abgehörte Telefonate zwischen ihr und ihrer Oma. Und wie erschüttert das Verhältnis zu ihren Eltern war, zeigt der SMS-Verkehr zwischen ihr, den Eltern und Ingo P.: Gestritten wurde um nicht bezahlte Rechnungen, Krankfeiern am Arbeitsplatz, dem nicht vorhandenen Versicherungsschutz. Und während Stephanie P. ihrem Vater und ihrer Mutter vorgaukelte, dass ihr Handy "spinnt" und sie deshalb nicht erreichbar sei, forderte sie Ingo auf, das Telefon nicht abzuheben und ihren Eltern die Haustür nicht zu öffnen.

"Heuchler." Für einige Mitglieder der Facebook-Gruppe "I love Schnaittach" sei nach den ersten Widersprüchen die Sache klar gewesen, schildert Nicole D., Administratorin der Gruppe. Schnaittach sei halt "a Kaff, da weiß jeder irgendwas".


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Als die ersten Ungereimtheiten öffentlich wurden, sei es in der Gruppe rundgegangen: "Aufhängen", lautete die Forderung, so die Zeugin und teilt den Richtern mit, dass sie einen ganz guten Job machen. "Man sollte es halt so handhaben wie Sie, im Zweifel immer erst mal für den Angeklagten", erklärt sie im Zeugenstand.

"In Schnaittach ist halt nix los"

Doch man müsse die Schnaittacher verstehen, meint D.: Der Versuch, das Wohnmobil der Eltern zu verkaufen, noch während sie als vermisst galten, und in dieser Zeit auch noch die Heirat – "freilich haben sich die Leute die Mäuler zerrissen". "Feinfühlig" habe sie damals versucht, Steffi zu erklären, "dass das von außen so ausschaut, als habt ihr die im Wohnmobil in den Wald gekarrt und verscharrt".

Um die Hitze aus der brodelnden Gerüchteküche zu nehmen, habe sie Stephanie P. zur Stellungnahme via Facebook geraten. Die Zeugin liefert ihre Begründung: "In Schnaittach ist halt nix los, aber wenn mal was los ist, dann ist was los."