Die Gelackmeierten
24.2.2011, 08:03 UhrBeim Blick auf den Fuhrpark schlägt das Herz eines jeden Feuerwehrmannes, einer jeden Feuerwehrfrau höher: Tanklöschfahrzeug (TLF) reiht sich an Hilfeleistungs-Löschfahrzeug (HLF), Mehrzweckfahrzeug steht neben der Drehleiter. Gerätewagen, Lichtmastfahrzeug und einfaches Löschfahrzeug komplettieren die Reihe. Alles blitzblank geputzt und bereit für den Ernstfall. Blöd nur: Die für die Feuerwehr-Ausstattung zuständigen Städte und Gemeinden sind mindestens zehn Jahre lang einem Kartell auf den Leim gegangen und haben ihre Fahrzeuge zu mutmaßlich überteuerten Preisen eingekauft.
Betroffen davon sind auch die Stadt Schwabach und praktisch alle Gemeinden im Landkreis Roth. Wie hoch der Schaden ist, lässt sich nur schwer beziffern. „Es gibt ja keinen Vergleich, weil die betroffenen Firmen 90 Prozent des Marktes abgedeckt haben“, sagt die Pressesprecherin der Stadt Schwabach, Sandra Hoffmann-Rivero. Das Thema könnte nach einer Anfrage auch den Stadtrat in seiner morgigen Sitzung beschäftigen.
Die Schwabacher Feuerwehr hat in den vergangenen zehn Jahren zweimal bei den Firmen Ziegler, Schlingmann und Rosenbauer eingekauft, die inzwischen Preisabsprachen eingeräumt und einer Strafe von 20,5 Millionen Euro zugestimmt haben. Gegen eine vierte Firma läuft noch ein Ermittlungsverfahren. Bestätigt sich der Verdacht, dass auch diese zum Kartell gehört (hat), wäre Schwabach nicht mit zwei, sondern mit fast allen zehn größeren Fahrzeugen dabei, die seit 2002 in Dienst gestellt wurden.
Ein ungutes Gefühl
Ähnlich sieht es in der Nachbarschaft aus. Rednitzhembach beispielsweise hat 2004 und 2005 ein Tanklöschfahrzeug und ein Löschfahrzeug für zusammen 462.000 Euro gekauft. Schon damals habe man bei der Gemeinde und bei der Feuerwehr ein ungutes Gefühl gehabt, berichtet Klaus Helmrich, der geschäftsleitende Beamte im Rathaus. Schließlich habe sich der Festzuschuss der Regierung von Mittelfranken in diesem Fall an einem angenommenen Gesamtpreis von 330.000 Euro orientiert. „Selbst wenn wir in unserem Sonderfall noch knapp 20.000 Euro für eine Sonderausstattung herausrechnen, die nicht bezuschussungsfähig ist, ergibt sich eine Differenz von über 100.000 Euro“, so Helmrich.
Schaden schwer zu beziffern
Doch kann man den Schaden wirklich genau beziffern? Und, wenn ja, kann man von den Feuerwehr-Ausrüstern Geld zurückverlangen? Helmrich setzt auf Hilfe durch den Bayerischen Städte- und Gemeindetag als Interessenvertretung der Kommunen.
Der von Helmrich angesprochene Bayerische Gemeindetag ist nach Auskunft seines Pressesprechers Wilfried Schober an einem „gemeinsamen Vorgehen“ interessiert. Er verwies auf ein Gespräch gestern Nachmittag im Bayerischen Innenministerium und an eines nächste Woche in Berlin. Eine Musterklage seines Verbands wollte er nicht ausschließen.
Auf Rednitzhembacher Antrag hin wird sich der Kreisverband des Gemeindetags nächste Woche bei seiner Sitzung in Roth mit dem Thema befassen. Kreisvorsitzender Werner Bäuerlein, Bürgermeister von Abenberg, ist, was die Dimension des Falles angeht, beinahe fassungslos. „Das kommt mir vor wie in einem schlechten Mafia-Film.“
Bäuerlein und Abenberg gehören selbst zu den Geschädigten. Zwei große Feuerwehr-Fahrzeuge hat man in der Burgstadt 2006 und 2008 für zusammen 570.000 Euro in Dienst gestellt. Bei einem stammt der Aufbau von der in das Kartell verwickelten Firma Ziegler. Beim anderen kam jene Firma zum Zug, gegen die derzeit noch ermittelt wird, die aber noch nichts zugegeben hat. „Ganz koscher ist das nicht, wie das gelaufen ist“, sagt Abenbergs Kämmerer Markus Büchler. „Sobald auf einem Fahrzeug eine rote Farbe drauf ist, wird es erheblich teuerer.“
Oft nur ein Angebot
Der Gredinger Kreisbrandrat Werner Löchl hat sich in den vergangenen Jahren immer gewundert, „dass es oft Ausschreibungen gab, bei denen nur ein Angebot kam“. Teilweise habe es nicht einmal mehr ein Vertreter der Firma für nötig befunden, vor Ort für sein Produkt zu werben.
Bei Feuerwehr-Fahrzeugen ist das große Geld in der Regel mit den Aufbauten verdient. Der „Unterbau“, also die reine Zugmaschine, macht mit Kosten um die 500.00 Euro bei einem herkömmlichen Fahrzeug den kleineren Teil aus. Hier ist der Markt auch relativ offen.
Für Aufbau und Ausrüstung sind dagegen zum Teil hohe sechsstellige Summen fällig. Und hier haben sich mit den Firmen Ziegler, Schlingmann und der österreichischen Rosenbauer-Gruppe drei Große der Branche abgesprochen. Nicht nur in Deutschland decken sie gemeinsam mit der vierten verdächtigten Firma den Markt zu 90 Prozent ab. „Auch im übrigen Europa und selbst in Asien gibt es kaum Alternativen“, berichtet der Schwabacher Stadtbrandrat Holger Heller.
Milde Strafe?
Vor diesem Hintergrund lässt sich kaum abschätzen, um wie viel Geld die Ausrüstungs-Spezialisten Städte und Gemeinden geprellt haben. Alleine in Bayern sollen seit 2001 rund 1500 Löschfahrzeuge für einen (viel) zu hohen Preis ausgeliefert worden sein. Deutschlandweit käme man demnach auf mindestens 10.000 Fahrzeuge, weltweit noch einmal auf ein Vielfaches.
Angesichts solcher Zahlen erscheint vielen Feuerwehrleuten die 20-Millionen-Strafe für die drei Hersteller als viel zu milde. Noch dazu, weil von diesem Geld die Kommunen (vorerst) nichts sehen. Die Scheine fließen zunächst einmal dem Bund zu.
Fraglich, ob hier die Bundesländer und die Städte und Gemeinden noch zum Zug kommen. Mehr als eine mögliche Wiedergutmachung des Schadens beschäftigt den Abenberger Bürgermeister Bäuerlein, den Kreisvorsitzenden des Gemeindetags, wie es künftig weitergeht: „Das Vertrauensverhältnis zu den Herstellern ist doch völlig zerstört. Kann man denen wirklich noch einen Auftrag geben, wenn die Neuanschaffung eines Feuerwehrautos auf der Tagesordnung steht?“
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