Grandioses Muttertagskonzert mit Geigerin Nazrin Rashidova
12.5.2015, 10:08 UhrHatte die britische Violinmagierin mit aserbaidschanischen Wurzeln tags zuvor das Schwabacher Publikum im Markgrafensaal mit Tschaikowskys großem Violinkonzert verzaubert (Kammerorchester brillierte mit Geigerin Nazrin Rashidova), zeigte sie beim Duoauftritt, dass ihr Können sich nicht auf die Demonstration spektakulärer Virtuosität beschränkt.
Gerade in der Reduktion auf die Zweierbesetzung kommen Nazrin Rashidovas solistische Stärken zu Geltung: Diese Geigerin hat keinen großen Violinton – er ist nachgerade riesig. Was rein gar nichts mit Lautstärke zu tun hat: Selbst ein unendlich behutsam hingetupftes Pianissimo gerät der jungen Ausnahme-Künstlerin stets raumfüllend.
Dabei hat es Nazrin Rashidova nicht nötig, um Aufmerksamkeit zu buhlen, denn ihr Spiel ist nicht nur zuverlässig auf der Höhe des Notentextes, sondern rührt darüber hinaus an, appelliert an das Unterbewusste ebenso wie an den Verstand.
So gelingt Wolfgang Amadé Mozarts B-Dur-Sonate für Violine und Klavier (KV 454) von 1784 vielschichtig und starkfarbig. Intelligente Hofmusik mit Bedeutungen zwischen den Notenzeilen, die streckenweise tradierte Volksweisen paraphrasiert und dennoch nicht „tümelt“, die reich verziert ist und die Arabeske dennoch nie zum Selbstzweck erhebt. Nazrin Rashidova schwelgt in Wohlklang jenseits aller Originalklang-Diskussionen; Daniel Grimwood, den man spätestens seit dem Henselt-Festival als machtvollen Tastenlöwen kennt, wird an Rashidovas Seite ein subtiler Sekundant, der für rhythmische Struktur und Plastizität des musikalischen Geschehens sorgt.
Vom Filigranarbeiter zum hoch emotionalen Stürmer und Dränger: Ludwig van Beethovens relativ frühe Es-Dur-Sonate für Geige und Klavier (Opus 12, Nr. 3) von 1797/98 erscheint im Vergleich zu Mozarts mit leichter Hand komponierter Sonate wie der Gegenentwurf aus einer anderen Welt, druckvoll vorwärts stürmend, große Ereignisse in scharf umrissenen Dialogen artikulierend. Ein Werk, das aus der Klangrede der musikalischen Partner seine Binnenspannung bezieht, das von Kontrasten und kraftvollen Aufschwüngen lebt, das die himmelhochjauchzende Euphorie neben die abgrundtiefe Verzweiflung stellt und diesen Seiten der Medaille gleichberechtigt Raum gibt.
Folgerichtig agieren Geigerin und Pianist auf Augenhöhe, finden das Idealmaß für dynamische und artikulatorische Balance.
Gleichsam zum Luftholen serviert Daniel Grimwood das introvertierte Des-Dur-Nocturne (Opus 63) des französischen Grenzgängers Gabriel Fauré (1845 – 1924), dessen auf die Moderne der Wiener Schule vorausweisende Tonsprache in Grimwood einen überlegt vorgehenden Sachwalter findet, der mit feinem Pinselstrich ein ergreifendes Genrebild malt.
Wohlfühl-Atmosphäre herrscht in Moritz Moszkowskis 1909 geschriebenen „4 Morceaux“ (vier Stücken). Das in der Pariser Lebensphase des Breslauer Komponisten entstandene Opus 82 ist eine Sammlung von knackigen Miniaturen, bestimmt für die Salons der Oberschicht – und so klingt diese Musik auch: ein wenig plüschig, anspruchsvoll virtuos und hartnäckig ohrwurmig.
Erheblich dickere Bretter bohrt das Duo zum guten Schluss in Francis Poulencs Sonate Nummer 4 für Violine und Klavier aus den 1940er Jahren. Das ist bekenntnishafter Seelenstoff, komplex, spieltechnisch irrwitzig anspruchsvoll. Die Virtuosität der Ausführenden wird ebenso auf die Probe gestellt, wie ihr Vermögen, schlüssige Spannungsbögen zu spannen, innere Zusammenhänge erkennbar zu machen und spektakuläre Akzente bruchlos in ein großes Ganzes zu integrieren. Eine Titanenaufgabe, der sich Nazrin Rashidova und Daniel Grimwood mit maximalem Fingerspitzengefühl und sorgsam fokussierter Spielfreude stellen. Das Komplizierte gibt sich ganz einfach – und zieht den Zuhörer in einen unentrinnbaren Sog. Grandios.
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