Komplizierte Bergung über dem Wasser
30.3.2012, 08:10 UhrDer Bord-Ladekran des Binnenschiffs „Esmee“ war, wie berichtet, beim Umsetzen eines Autos auf dem Achterdeck unter der Fahrt in eine Stromleitung geraten, die zwischen Meckenlohe und Leerstetten den Kanal kreuzt. Der Kran-Arm hing nur noch an einem Streifen Stahl und am Hydraulikzylinder. Das Auto, das er gehoben hatte, hing kopfüber schräg über das Schiffsheck hinaus.
Die Schiffsbesatzung hatte Riesenglück, denn die 20.000 Volt Spannung in der Freileitung sind für jeden, der mit ihr in Kontakt kommt, tödlich. Doch der Strom floss wohl nur in den Kranausleger, der zwei Leiterseile herunterriss und ein drittes beschädigte. Offenbar funktionierten die Sicherheitsvorkehrungen. „Die Schutzeinrichtungen haben nach dem Kurzschluss innerhalb von Millisekunden die Leitung spannungslos geschaltet“, versichert N-Ergie-Pressesprecherin Melanie Söllch.
Seine liebe Not hatte der Rednitzhembacher Abschlepp-Unternehmer Rainer Schwanfelder, den die Wasserschutzpolizei für die Bergung dieses Autos bestellt hatte. Er rückte mit dem großen Abschleppwagen und einem Kollegen an. Normalerweise brauchen die Profis für die Bergung eines Unfallwagen eine halbe Stunde, höchstens 45 Minuten.
„Das war mit eine der schwierigsten Bergungen in meinem Leben als Abschleppunternehmer“, sagt Rainer Schwanfelder, der dieses Geschäft seit 1998 betreibt. Zweieinhalb Stunden dauerte der Einsatz. Die Schiffsbesatzung hatte die Vorderachse mit einem Zurrgurt am Schiff befestigt, um das Abrutschen des Mercedes-CLS 350 zu verhindern. Er hing nur noch am sprichwörtlichen seidenen Faden, ebenso der Ausleger des Schiffskrans.
Doppelte Gefahr
Damit drohte ein doppelter Ölunfall. Zum einen, wenn der Mercedes in den Kanal gerutscht wäre, zum anderen, wenn der Kran samt Hydrauliköl-Zylinder vollends abgebrochen wäre.
„Mach mir da bloß keine Delle rein“ blaffte der Schiffskapitän den Abschleppunternehmer an. Der musste ohnehin höchst behutsam vorgehen. Nachdem die Hinterachse des Autos zusätzlich mit einen Spanngurt am Schiff festgezurrt und das Auto damit einigermaßen vor dem Herabrutschen gesichert war, kletterte Schwanfelder durch das zerbrochene Schiebedach und schaltete die Zündung ein, damit er die Seitenscheiben elektrisch senken konnte. Durch die beiden Öffnungen zog er den Bergegurt, mit dem der 5,5 Tonnen-Kran des Abschlepp-Lastwagens den Mercedes langsam anhob und an den Kai schwenkte.
Das ganze Ausmaß des Schadens wurde erst deutlich, als das Mercedes-Sportcoupe wieder auf den Rädern stand: Kein einziges Teil der Karosserie hatte den Unfall heil überstanden. Dach, Kotflügel, Türen — überall Dellen, Schrammen und deutliche Knicke im Blech. Der Abschleppunternehmer und Karosseriebauer Schwanfelder sprach das Todesurteil über den Wagen: „Wirtschaftlicher Totalschaden.“ Schwanfelder schaffte das Fahrzeug-Wrack auf seinen Betriebshof in Rednitzhembach. Die Versicherung wird den Fahrzeug-Rest vermarkten.
Vor der Bergung des abgeknickten Schiffskrans kapitulierte Rainer Schwanfelder schließlich. Zu groß erschien ihm das Risiko, dass der tonnenschwere Ausleger seinen Abschleppwagen in den Kanal hätte reißen können. Ferner bestand die Gefahr, dass der Hydraulik-Zylinder des Schiffskrans leckschlägt. Da mussten dann am Nachmittag die Taucher des Wasser- und Schifffahrtsamts Nürnberg und ein Autokran ran.
Die N-Ergie hat am Donnerstag die Reparatur der kaputten Stromleitungen abgeschlossen. Ausgetauscht wurden im Bereich des Kanals drei 20.000-Volt- und eine 11.0000-Volt-Leitung.
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