Renan Demirkan fordert eine echte Willkommenskultur
27.3.2015, 08:16 UhrRenan Demirkan ist 1955 in Ankara geboren. Als Siebenjährige kam sie mit ihren Eltern nach Deutschland. Hier ist sie zu einer erfolgreichen Schauspielerin und Schriftstellerin geworden. Goldene Kamera, Grimme-Preis, Bundesverdienstkreuz für politisches und soziales Engagement. Doch Renan Demirkan hält sich weder für eine Deutsche noch für eine Türkin. „Ich bin etwas Drittes“, sagt sie bei der Lesung im Schwabacher Bürgerhaus. „Ich habe eine transkulturelle Identität.“
Renan Demirkan ist auf Einladung der hiesigen vier Partnerschaftskomitees nach Schwabach gekommen: Les Sables, Kemer, Kalampaka, Gossas. Letztes Jahr hatten deren Gremien mit einer Kulturreihe über die Länder der Schwabacher Partnerstädte begonnen. Ein französischer Liederabend bildete im vergangenen Jahr den Auftakt.
Diesmal waren Kemer und die Türkei dran. Komitee-Chefin Ayse Biyik begrüßte ihre Landsfrau als „wunderbare Künstlerin“, ehe sich die Gäste im Bürgerhaus zu einer Schweigeminute für die Opfer des Flugzeugabsturzes in den französischen Voralpen von den Plätzen erhoben.
„Duldung ist zu wenig“
„Respekt – Heimweh nach Menschlichkeit“, so heißt das Buch, in dem Renan Demirkan 2011 dem Unterschied zwischen Toleranz und Respekt nachspürte. „Duldung“, was „Toleranz“ wörtlich übersetzt bedeutet, das sei zu wenig für Migranten und Flüchtlinge, stellt Renan Demirkan fest. Sie fordert „Anerkennung auf Augenhöhe ohne Herrschaftsanspruch“. Denn: „Duldung erfordert Distanz, Respekt schafft Nähe.“ Und sie tritt für eine echte Willkommenskultur ein.
Schließlich seien Flüchtlinge und Einwanderer eine Bereicherung. Vor allem, weil sie einen unerschütterlichen Zukunftsglauben haben. „Ungerechtigkeit treibt sie in die Flucht, hier bei uns sind sie bereit mitzumachen“, glaubt Demirkan, angetrieben von der Überzeugung, „es mit ihrer Hände Arbeit zu schaffen, dass es für sie besser wird“. Die deutsche Gesellschaft müsse deshalb Bedingungen schaffen, damit sich die Neuankömmlinge integrieren könnten.
„Ein ,wir‘ wollen“
Ihre Forderungen mit Blick auf Flüchtlinge sind nicht isoliert von einer politischen Überzeugung. Sie entwirft in ihrem Buch ein linkes Gesellschaftsmodell, dessen oberste Prinzipien Gerechtigkeit, Sicherheit und Teilhabe für alle sind. „Es muss Zeitgeist werden, dass wir ein ,wir‘ wollen“, lautet ihr Slogan. „So sollte es Grundsatz sein, dass ein Mensch von seiner Arbeit leben kann“, sagt sie und macht der SPD und den Grünen heftige Vorwürfe. „Befristete Arbeitsverträge sind das Beschissenste was es gibt“, weiß sie aus eigener Erfahrung.
„Schröder hat sie mit den Grünen eingeführt“, wird sie schließlich deutlich, „und ich warte darauf, dass Gabriel eine andere Sozialpolitik ausruft.“ Mitglied sei sie nicht. „Aber eine rot-grüne Sympathisantin.“ Die CDU kritisiert sie wegen deren Weigerung, Alleinerziehende besser zu entlasten. Sie seien zu zwei Dritteln armutsgefährdet.
„Solidarität trainieren“
„Ich bin Künstlerin, Chronist und Analyst“, sagt sie über ihre Funktionen mit Blick auf das Buch. Auswege, Lösungen oder Verbesserungsvorschläge beschreibt sie hingegen kaum. Einer entsprechenden Frage aus dem Publikum antwortet sie dennoch ohne Zögern. „Wir müssen uns zusammensetzen, reden und Solidarität trainieren, denn Revolutionen bringen nur neues Leid“, schildert sie ihre Haltung. „Das Ding ist mühsam.“
Demirkans Auftritt in Schwabach ist ebenso authentisch und glaubwürdig wie beeindruckend. Ihr Eintreten für Gerechtigkeit und gegen 20 Prozent Armutsquote ist keine Attitüde. Man nimmt der 60-Jährigen jedes Wort und jede ihrer Überzeugungen ab. Mit jedem Wort wächst der Respekt vor ihrer klaren Haltung. Nicht nur wegen des Inhalts. Auch Demirkans Sprachstil ist ganz wunderbar. Das deutsche Nationalgefühl ist entscheidend geprägt von der gemeinsamen Sprache. Unter diesem Gesichtspunkt ist eines ganz sicher: Renan Demirkan ist Deutsche.
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