"Sexismus ist nie lustig": Faschingsrede polarisiert weiter
7.2.2018, 06:00 UhrDass Norbert Neugirgs Zoten über Präsidentengattin Brigitte Macron in der Fernseh-Prunksitzung "Fastnacht in Franken" "grenzwertig" waren, will Bernhard Schlereth nicht leugnen. Gleichwohl dürfe man aber gerade im Fasching nicht alles zu ernst nehmen, sagt der Präsident des Fastnachts-Verbands Franken, der gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk die kabarettistische Sendung verantwortet, die nun Empörungswellen ausgelöst hat.
Was ist geschehen? Neugirg, Kommandant der singenden, lästernden Komödiantentruppe "Altneihauser Feierwehrkapell’n" aus der Oberpfalz, knöpfte sich in seinem Beitrag die Ehefrau des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor, die 24 Jahre älter ist als er. Neugirg bezeichnete sie als "gut eingefahr’nen Schlitten", "gut abgehang’ne Dame" und "schärfste alte Hütte". Das missfiel zahlreichen Zuschauern vor den Bildschirmen und im Saal, die die Witzchen mit Buh-Rufen quittierten.
Sensibel in Zeiten von #metoo
In einer Zeit, in der notwendigerweise die #metoo-Debatte geführt werde, auch um auf den immer noch vorhandenen Sexismus in der Gesellschaft hinzuweisen, reagierten manche Menschen besonders sensibel, wenn sich jemand über das weibliche Geschlecht lustig mache, meint Schlereth. "Ich will mir aber nicht vorstellen, wie groß das Geschrei’ gewesen wäre, wenn wir Neugirgs Beitrag gekürzt hätten", so der Fastnachts-Verbands-Präsident, der den monierten Beitrag für etwas zu lang hält. Man lasse den Künstlern "relativ viel Freiheit". Wenn etwas "wegen der Sendungslänge" gekürzt werden müsse, bitte man die Künstler um eigene Kürzungsvorschläge.
Der Kritisierte selbst will sich nicht äußern. Stattdessen verweist Norbert Neugirg auf die BR-Stellungnahme. Darin kündigt der Sender an, "dass sich die zuständige Redaktion im kommenden Jahr noch genauer mit dem Fastnacht-Verband und den Künstlern im Vorfeld abstimmen werde" – und erhält dafür Applaus, zum Beispiel von Verena Osgyan, die den Rundfunkrat mit dem Thema betrauen will. Die Grünen-Landtagsabgeordnete aus Nürnberg schreibt auf ihrer Facebook-Seite: "Dass es bei der Fastnacht mal derber zugeht, ist ok. Und dass sich PolitikerInnen einiges gefallen lassen müssen." Aber im vorliegenden Fall "ging es nicht nur in den Privatbereich", Sexismus und Altersdiskriminierung seien "nie lustig".
So recht lachen konnte auch Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein nicht über Neugirgs "grenzwertigen Auftritt". Mit seiner Frau Marga ist Beckstein regelmäßiger Gast in Veitshöchheim. Das Urteil wolle er lieber der Öffentlichkeit überlassen. Zumal er als Politiker "abgehärtet" sei. "Meine Frau schimpft da eher." Ihr habe die Darbietung der Kapelle gar nicht gefallen.
Die Verantwortlichen beim Bayerischen Fernsehen stellen sich indes hinter die Oberpfälzer Truppe. Kathrin Degmair, Leiterin des BR-Studios Franken, erinnert daran, dass Kabarett von Zuspitzung und hoher künstlerischer Freiheit lebe, da könne das Pendel durchaus mal kräftiger ausschlagen. Sie räumt aber ein, dass diesmal aus Sicht vieler Zuschauer die "Narrenfreiheit mit den Altneihausern davongaloppiert" sei. Die Nummer habe "sehr polarisierend" gewirkt. Man bedauere die Irritationen und nehme die Rückmeldungen der Zuschauer sehr ernst.
Fastnachts-Redakteur Rüdiger Baumann weist darauf hin, dass die Künstler ihre Freiheit ausüben können müssen. Das sei ein hohes Gut. Das Grundprinzip der "Altneihauser" sei es, zu provozieren und Gegenwehr zu erzeugen. Die umstrittene Textpassage rechtfertige keinen redaktionellen Eingriff "auf Biegen und Brechen".
Doch hinter den Kulissen scheint es Zweifel gegeben zu haben. Neugirg veränderte jedenfalls von der Generalprobe bis zur Livesendung Textpassagen, die unserer Redaktion vorliegen. So wurde ein kräftiger Seitenhieb gegen Brigitte Macron gestrichen.
Auf ihrer Homepage verarbeitet die "Altneihauser Feierwehrkapell’n" die Schelte mit einem Gedicht. Unter der Überschrift "Was hat die Oberpfalz nicht, unverschuldet, im Lauf der Jahre schon erduldet", heißt es: "Da werden die paar Seelenschäden, die wir in Franken abbekommen, von uns duldend hingenommen!"
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