Staatsregierung will "Mein Kampf" im Giftschrank lassen
11.12.2013, 16:45 UhrDie Staatsregierung will eine Veröffentlichung von Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ trotz des Auslaufens der Urheberrechte im Jahr 2015 verhindern. Das Buch sei volksverhetzend, sagte Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) am Dienstag in München.
Wenn Verlage das Buch in Zukunft veröffentlichen wollten, werde die Staatsregierung Strafanzeige stellen. Auch die bereits in Vorbereitung befindliche Ausgabe des international renommierten Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) soll es nicht mehr geben – obwohl eine Anregung dazu vor Jahren von Finanzminister Markus Söder (CSU) gekommen war. Die Staatsregierung hatte für das Projekt bislang schon eine halbe Million Euro gezahlt. Beim IfZ zeigte sich sehr „überrascht“, die Grünen im Landtag sind empört.
Inhaber der Urheberrechte ist seit der Nachkriegszeit der Freistaat, der seitdem eine Neuveröffentlichung verhindert. Die Rechte laufen jedoch 2015 aus, so dass dann theoretisch jeder Verlag das antisemitische Propagandawerk veröffentlichen könnte. Doch nach Auffassung der Staatsregierung wäre das dann eine Straftat.
Bereits jetzt im Buchhandel erhältlich sind kommentierte Auszüge, ungekürzte Gesamtausgaben sind in Deutschland antiquarisch legal erhältlich oder illegal via Internet. Nach Rechtsauffassung der Staatsregierung wäre aber auch der antiquarische Verkauf nicht erlaubt, da das Buch volksverhetzend sei, wie Haderthauer sagte.
Die Staatsregierung setzt sich mit ihrer Position auch über eine Forderung des Landtags hinweg. Der hatte vor der Landtagswahl parteiübergreifend für eine historisch-kritische Hitler-Ausgabe auf Staatskosten und deren multimediale pädagogisch aufbereitete Verbreitung plädiert – als Buch, als Kurzfassung, als CD.
„Eine Unverschämtheit erster Güte"
Die wissenschaftlich kommentierte Ausgabe ist bereits am Institut für Zeitgeschichte in Vorbereitung. Damit sollte der Freistaat unseriösen Verlegern zuvorkommen. Doch diese Ausgabe soll es nicht mehr geben: „Unsere Auffassung ist: Auftrag gestoppt“, sagte Haderthauer. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und sein Kabinett seien zu dem Schluss gekommen, dass die Verbreitung von Nazipropaganda keine Staatsaufgabe ist. „Ich kann nicht einen NPD-Verbotsantrag stellen in Karlsruhe und anschließend geben wir sogar noch unser Staatswappen her für die Verbreitung von “Mein Kampf“ – das geht schlecht“, sagte Seehofer.
Der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr war empört: „Das ist eine Unverschämtheit erster Güte. Es gibt einen ganz klaren Auftrag des Landtags.“ Die Staatsregierung hätte eine Historikerkommission einsetzen sollen, die die Veröffentlichung des Werks ergebnisoffen prüfen sollte, sagte Dürr. „Seehofer ist kein Experte und keine Kommission.“
In dem Beschluss vom 21. Februar hatte der Landtag die Staatsregierung aufgefordert, die historisch-kritische Ausgabe zu unterstützen. Dürr war der Initiator des Antrags gewesen. Beim Institut für Zeitgeschichte (IfZ) zeigte man sich sehr überrascht. „Wir haben von der Staatsregierung dazu noch keinerlei Information erhalten“, sagte eine Sprecherin. Man müsse daher erst die Sachlage klären. Das Editionsprojekt sei ja schließlich aus dem Staatshaushalt finanziert. Bislang habe es kein Signal gegeben, dass die jahrelange Arbeit an der kommentierten Edition für 2015 eingestellt werden müsse.
Der offizielle Startschuss war im Sommer 2012 auf Initiative von Finanzminister Söder mit einem Runden Tisch gefallen. Es sollte eine kritische, kommentierte Ausgabe werden, in der der Text nicht nur eins zu ein abgedruckt wird. „Wir kommen gut voran“, sagte die Sprecherin. In anderer Hinsicht jedoch gibt die Staatsregierung einer Forderung der Grünen nach: Historiker sollen herausfinden, wie viele Altnazis nach 1945 in der bayerischen Staatsregierung sowie bei Polizei und Verfassungsschutz tätig waren.
Bisher ist nur ein prominenter Fall bekannt: Der angesehene Staatsrechtler Theodor Maunz (CSU) musste 1964 als Kultusminister zurücktreten, weil er in der NS-Zeit juristischer Propagandist des Führerstaats gewesen war.
Mit dem Stopp einer seit Jahren geplanten offiziellen Ausgabe von Hitlers «Mein Kampf» hat die bayerische Staatsregierung überrascht. Die jüdische Gemeinde zeigt sich hingegen erleichtert. Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, begrüßte die Entscheidung der Staatsregierung: «Hitlers Machwerk ist von Hass und Menschenverachtung durchdrungen und erfüllt Experten zufolge den Tatbestand der Volksverhetzung.»
Dieser Artikel wurde zuletzt am 11. Dezember um 16.45 Uhr aktualisiert.
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