Die letzte Videothek in Weißenburg schließt

5.4.2017, 17:27 Uhr
Die letzte Videothek in Weißenburg schließt

© Foto: Steiner

Nach Angaben des Verbandes des Video- und Medienfachhandels schließt rein statistisch täglich eine Videothek in Deutschland endgültig. Von 2008 bis 2014 hat sich die Anzahl der Videotheken in Deutschland mehr als halbiert. 2008 gab es nach Brachenangaben 3508 Läden, im Jahr 2014 nur noch 1544. In nur sechs Jahren hat sich die Anzahl der Videotheken in Deutschland mehr als halbiert.

Der Grund? Vor allem die Digitalisierung. Die Jugend greift schon lange nicht mehr zur DVD. Videokassetten sind vielen nicht einmal mehr bekannt und wirken wie Medien aus dem Museum. Für "Video-Klaus", wie ihn manche Weißenburger nennen, waren Videokassetten dagegen erst einmal nur ein Hobby und danach jahrelang sein Beruf. Früher verlieh Klaus an absoluten Top-Tagen, wie an Samstagen, bis zu 200 Filme.

Heute sind es maximal bis 80 Stück. Dem Filmeliebhaber war deshalb schon seit Längerem klar, dass er nicht bis zu seiner Rente hinter dem Tresen in seiner Videothek stehen kann. Spätestens seit zwei Jahren ist dem gelernten Facharbeiter für Kunststofftechnik klar, dass er sich noch einmal einen anderen Job suchen muss. Als der 45-Jährige seinen Entschluss auf seiner Facebook-Seite und auf einem Plakat in der Videothek bekannt machte, gab es vor allem Beileidsbekundungen: "Schade, dass Du zumachst", fanden die meisten. "Klaus, danke für die geile Zeit, die WIR hatten", postete eine Stammkundin, die auch geahnt hatte, dass dieser Tag irgendwann kommen würde.

Nach den verschiedenen Standorten "Am Hof", danach am Ellinger Tor und zuletzt an der Schanzmauer ist jetzt definitiv Schluss mit der letzten Videothek im Umkreis von 50 Kilometern. Die Schließung liegt im Trend. "In spätestens zwei Jahren wird es in Deutschland keine Videothek mehr geben", lautet die Prognose des Fachverbandes, dessen Statistik sich liest wie eine Rote Liste für bedrohte Tierarten: Die Umsätze beim DVD- und Blu-Ray-Verleih gingen von 2014 bis 2018 von 335 Millionen Euro auf 188 Millionen Euro zurück – ein Minus von 44 Prozent. Grund für diesen dramatischen Rückgang sind vor allem illegale Downloads aus dem Internet und die große Anzahl der Video-on-Demand­Angebote.

"Kein Zutritt unter 18"

Vor diesem Hintergrund wirkt inzwischen auch der Erwachsenen-Bereich mit der verschlossenen Tür und dem Hinweis "Kein Zutritt unter 18 Jahren – auch nicht in Begleitung Erwachsener" irgendwie antiquiert. Denn auch Hardcore-Pornos und Horror- Filme gibt es längst auch in den Untiefen des Internets – ganz ohne Bezahlschranke und Altersnachweis. "FSK, die freiwillige Selbstkontrolle, ist irgendwie seitdem lächerlich geworden", findet deshalb auch Klaus, für den früher die Erwachsenen-Videothek einen guten Teil seines Einkommens sicherte. Während die Pornos zu 99 Prozent von Männern ausgeliehen wurden, waren die Horrorfilme vor allem bei Frauen beliebt, weiß der Videothekar, der sich noch heute ärgert, dass die Regierung nichts gegen den Wildwuchs unternommen hat und das Internet im Unterschied zur Videothek ein quasi rechtsfreier Raum ist.

Denn Klaus Dorner wurde in regelmäßigen Abständen immer wieder unangekündigt kontrolliert, ob alles den gesetzlichen Vorgaben entsprach und der Jugendschutz eingehalten wird. Immerhin hatte der Videothekar in Hochzeiten bis zu 3000 Artikel vorrätig, jeden Monat kamen 30 Neuheiten dazu. Doch auch wenn Klaus am 17. April für immer zusperrt, wird ihn seine Leidenschaft für Filme nie ganz loslassen. Gleich neben seiner ehemaligen Videothek will er einen kleinen Media-Shop eröffnen, in dem Kunden ihre alten Video-Kassetten digitalisieren lassen können.

Nicht alles in HD

Er selbst wird dagegen auch in Zeiten von Blue-Ray und DVD noch immer den einen oder anderen Film auf Kassette und analogem Fernseher anschauen. "Ich muss mir nicht alles in High Definition ansehen, jedes Medium hat ja auch seinen eigenen Reiz", weiß der letzte Videothekar von Weißenburg, der auf die vergangenen Jahre zwar in Wehmut, aber auch in Dankbarkeit zurückschaut: "Ich durfte 20 Jahre lang mein Hobby zum Beruf machen und konnte davon leben. Es waren 20 unglaublich schöne Jahre!"

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