Schüler-Streik fürs Klima: So reagieren die Schulleiter
1.2.2019, 06:00 UhrFridays for Future - Freitage für die Zukunft: Schüler gehen auf die Straße statt zur Schule, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Am vergangenen Freitag protestierten sie vor dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin, in dem die Kohlekommission den Kohleausstieg beschloss. Auch in der Region demonstrieren Schüler aller Altersstufen. Wie die Schulen mit dem Streik umgehen, ist äußerst unterschiedlich. Die Direktoren stehen im Kreuzfeuer von Schülern, Eltern und dem Kultusministerium und verteilen Verweise, pädagogische Arbeiten oder ermuntern zum Demonstrieren. Am Freitagmorgen startet auch in Bamberg eine entsprechende Demonstration.
Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass Schüler und Studenten ihren Unmut öffentlich ausdrücken - und die Schulen reagieren mussten. Man erinnere sich nur an den Bildungsstreik vor zehn Jahren, bei dem kostenlose Bildung für alle und mehr Lehrer gefordert wurden.
Klimaschutz statt Bildung
Jetzt geht es den jungen Menschen nicht um Bildung, sondern ums Klima. Vorbild der Schüler ist die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg, die seit August 2018 jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament statt im Unterricht sitzt.
Denn: Das Klima bestimme die Zukunft der jungen Menschen auf unserem Planeten. Die beste Bildung hilft nichts, wenn die Erde zugemüllt und kaputt gemacht wird. "Uns Jungen wird immer vorgeworfen, dass wir politisch uninteressiert sind. Aber das stimmt nicht", sagt Görkem Sahin aus Nürnberg.
Der Schüler geht auf das Neue Gymnasium und möchte, dass durch die Demo auf das Klima-Thema aufmerksam gemacht wird. "Die Politik und die Stadt sollen auch auf uns junge Menschen schauen", meint der 17-Jährige, der sich für die Krankmeldung eine kreative Ausrede wie "Kopfschmerzen aufgrund des Klimawandels" einfallen ließ, um an der Protestaktion kürzlich in Nürnberg teilnehmen zu können.
Der 17-jährige Brandon Lindenberger kann sich an seiner Schule, dem Gymnasium Stein, nicht selbst krankmelden, blieb dem Unterricht aber trotzdem fern, um zu demonstrieren. "Die Oberstufenschüler hatten daraufhin ein Gespräch mit dem stellvertretenden Schulleiter, der uns statt eines Verweises eine pädagogische Aufgabe gegeben hat. Von Schülern anderer Schulen weiß ich aber, dass sie Verweise bekommen haben", erzählt Brandon. Er meint, dass an einigen Schulen auch Lehrer über Konsequenzen entscheiden. "Manche unterstützen den Schülerstreik wegen der guten Sache, andere lassen nachsitzen."
Seitens der Schulleitung habe es am Vortag die Durchsage und eine Elternmitteilung gegeben, dass das Fehlen im Unterricht mit Verweisen bestraft wird. "Einige sind aus Angst deshalb lieber zur Schule gegangen." Auch eine Ansbacher Schülerin schrieb in einer E-Mail von Drohungen seitens der Schulleitung, welche die Schüler einschüchterte.
Auf die Strafarbeit angesprochen verdeutlicht der stellvertretende Schulleiter und Sozialkundelehrer am Gymnasium Stein, Bernd Landgraf, sein Dilemma: "Ich glaube, an den meisten Schulen schlagen zwei Herzen in einer Brust." Er sei selbst traurig über die Klimapolitik, aber "wir haben in der Schule nun einen Konflikt, obwohl Schüler und Lehrer dieselbe Position vertreten".
Deshalb habe er auch keine Verweise verteilt, sondern eine Arbeit aufgegeben, in der die Schüler ihre Beweggründe für die Teilnahme an der Demo aufschreiben. "Beim Lesen habe ich festgestellt, dass sich die Schüler mit dem Thema identifizieren, dass es ihnen ernst ist und sie es gut reflektieren", berichtet der 64-Jährige.
Er wünsche sich jetzt, wo die Aufmerksamkeit für ihr Anliegen erzielt ist, dass es die Schüler nicht zulasten des Unterrichts weiterverfolgen. Wenn es künftig zum Schuleschwänzen komme, entscheide man den jeweiligen Einzelfall. "Eine Befreiung fürs Demonstrieren sieht die Schulordnung nicht vor."
Das Kultusministerium gibt eine klare Linie vor: Die Schulpflicht steht an erster Stelle. Wie das Ministerium mit weiteren Schülerstreiks während der Schulzeit umgehen will, ist bislang unbekannt. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) suchte am Freitag das Gespräch zu Schülern. Es sei darum gegangen, wie man Umweltbildung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Unterricht weiter stärken könne, teilt das Ministerium mit.
Die Vorsitzende des Bayerischen Lehrerverbands, Simone Fleischmann, zeigt Verständnis für die Schüler und spricht sich gegen Schulverweise aus. "Man kann den Schülern klarmachen, dass sie zwar eine Grenze überschritten haben, dass alle aber nun davon profitieren. Die Schüler sollen eine Arbeit über ihre Erfahrungen schreiben, oder man macht ein Projekt daraus", sagt sie.
Aufgabe der Schule
Auf mehr Eigenverantwortung und Wissenstransfer setzt die Montessorischule in Erlangen. Schulleiterin Sandra Schumacher sieht es als Aufgabe der Schule, den Schülern die Möglichkeit zu verschaffen, Gehör zu finden. Außerdem passe die Aktion zum Jahresthema Nachhaltigkeit. "Wir überließen den Viert- bis Zehntklässlern, zur Demo in Erlangen zu gehen. Es waren etwa 200 Schüler von uns dort."
Im Vorfeld hatte sie bereits die Teilnahme der Grundschüler mit dem Organisator, Sebastian Hornschild, abgesprochen. Dieser sagt deutlich, dass nie zum Schuleschwänzen aufgerufen wurde. "Die Schüler sollten vorher aktiv darüber reden und sich befreien lassen. Zudem haben wir Schulexkursionen empfohlen."
"Wie sollen wir Schülern zu verantwortungsvollen und politisch interessierten Menschen erziehen, wenn wir sie nicht tätig werden lassen?", fragt Sandra Schumacher. "Wir als Schule können den Rahmen dazu geben, außerdem holen wir auch die Eltern ins Boot." Vier Schüler von der Montessorischule seien am Freitag auch nach Berlin gefahren.
"Sie fragten mich am Montag und lieferten mir wie im Gespräch vereinbart einen von den Eltern unterschriebenen Text, warum sie nach Berlin fahren wollen. Ich hatte Gänsehaut beim Lesen", sagt die Schulleiterin. Der verpasste Unterricht werde nachgeholt, das gaben ihr die Schüler auch schriftlich. "Denn sie wissen: Sie können auf eine Demo gehen, haben aber auch ihre Aufgaben in der Schule. Vorbild Greta aus Schweden macht das ja auch so."
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