Unterwegs in China, Uganda und Tadschikistan
30.6.2017, 11:27 UhrEinmal, im Iran, läuft Linda gerade auf der Straße entlang, als plötzlich mehrere Autos anhalten. Die Leute rufen sie erst zu sich und bringen sie dann zur Polizei. Mit einem Englisch-Übersetzer am Telefon fragen die Polizisten, was Linda hier überhaupt mache. In der Wüste sei es zu gefährlich, sie müsse jetzt neben der Polizeistation ihr Zelt aufschlagen.
Von den gerade einmal 28 Jahren, die Linda jung ist, hat sie knapp vier im Ausland verbracht – praktisch immer dann, wenn sie mehr als eine Woche lang Zeit hatte. Dabei war sie in 43 Ländern auf vier verschiedenen Kontinenten. Je gefährlicher und unbekannter ein Land, desto interessanter ist es für sie.
Linda fährt nicht mit dem Bus oder mit der Bahn, sondern sie trampt. Sie hält den Daumen raus und hofft, ganz alleine als Frau, dass ein Fremder sie mitnimmt. Wo auch immer sie ankommt, fragt sie nach einem Schlafplatz oder schläft alleine im Zelt, wie in Sibirien.
Dort durchquert sie eine kleine Wüste in der Nähe des Baikalsees. Weil sie weiß, dass es dort Bären gibt, hängt sie ihr Essen an einen Baum. Linda sucht den Kick und das Abenteuer, feierte schon Hochzeiten in China, Uganda und Tadschikistan mit. Trampen und alternatives Reisen sind für sie nicht nur billig, sondern auch eine Lebenseinstellung.
Gastfreundliche Menschen
Denn Linda möchte den Ländern, von denen man in den Medien so viel Schlechtes hört, "eine Chance geben". In jedem Land macht sie gute Erfahrungen, findet nette und gastfreundliche Menschen, wird nach Hause eingeladen. "Ich finde es schön, an Orte zu reisen, die komplett anders sind als ich es von Deutschland kenne", erklärt die 28-Jährige.
Als Kind fuhr sie mit der Familie jedes Jahr zum Campingurlaub in die Schweiz. In der Schule fiel sie nicht besonders auf. Nach dem Abitur mit 19 machte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr in Thailand. Sie unterrichtet Englisch und hilft in einem Waisenhaus. Während dieses Jahres hat sie zwei Wochen Urlaub, doch keiner der anderen Freiwilligen hat Zeit. Also reist Linda alleine, zunächst mit Bussen, und übernachtet in Jugendherbergen.
Als sie zurück nach Deutschland kommt und ihr Bachelor-Studium in Geologie beginnt, packt die 20-Jährige der Drang, etwas Außergewöhnliches zu tun. "Ich hatte Blut geleckt in Hinsicht auf Abenteuer", erklärt sie.
In ihren ersten Semesterferien trampt sie alleine nach Hamburg, übernachtet bei einem fremden Couchsurfer und feiert mit ihm Silvester. Danach trampt sie wieder zurück. Doch Deutschland ist nicht weit genug.
Nach dem Bachelor-Abschluss jobbt Linda ein halbes Jahr, um Geld für etwas Größeres zu haben. Sie fährt zuerst mit einem Freund auf dem Fahrrad bis in den Kosovo. Dort verkaufen die beiden ihre Räder, trampen bis nach Griechenland und trennen sich dort.
Linda ist auf sich allein gestellt, doch Angst hat sie nicht. Elf Monate lang ist sie unterwegs, bis sie schließlich von Bangkok zurück nach Deutschland fliegt. In dieser Zeit schläft sie bei Couchsurfern, im Zelt, in Bussen, Lkw, Scheunen, Tankstellen oder bei fremden Familien zuhause. "Ich war nie einsam, weil ich so viele Menschen kennengelernt habe."
Das Pfefferspray hilft
Schon nach kurzer Zeit lernt sie, mit Männern umzugehen, die mehr von ihr wollen. "Sobald jemand öfter nach meinem Freund oder Mann fragt oder mir erzählt, wie hübsch ich bin, sage ich, dass ich sofort aussteigen möchte. Wenn das nicht reicht, werde ich lauter."
Doch diese Methode reicht nicht immer, einige Male kommt Linda in brenzlige Situationen. In Thailand sitzt sie bei einem fremden Mann im Auto. Als sie an ihrem Ziel angekommen ist , versucht der Mann, sie zu küssen. Linda weicht ihm aus, aber er schließt das Auto ab und lässt nicht locker. Schließlich rettet sie das Pfefferspray, ein treuer Begleiter auf ihren außergewöhnlichen Reisen.
Wenn Linda – wie während des Master-Studiums – mal länger in Deutschland bleibt, sucht sie sich andere Herausforderungen. Mit 21 läuft sie ihren ersten Marathon. Inzwischen hat sie fünf Marathonläufe und einen Ultra-Marathon von 50 Kilometer Länge und 1000 Metern Höhenunterschied absolviert.
Bei einer Reise in Uganda beschäftigt sich Linda intensiver mit dem christlichen Glauben. Von diesem Punkt an wird ihr Leben etwas ruhiger. Sie möchte sich nicht weiter gezielt in Gefahr bringen
Aber mit dem Reisen hat sie noch lange nicht abgeschlossen. "Ich treffe in allen Ländern, auch in politisch schwierigen Ländern, nette Leute. Das hätte ich als normaler Tourist nie erlebt. Das ist mir das Risiko auch wert."
Zurzeit arbeitet Linda im Oman an einem Projekt mit, das helfen soll, den Schaden der Sturzfluten zu verringern, die das Land immer wieder heimsuchen. Mittlerweile braucht sie das extreme Abenteuer nicht mehr. Sie möchte im Ausland in der Entwicklungshilfe arbeiten und dafür an einem Ort sesshaft werden. Doch bis dahin hat sie noch andere Ziele: als nächstes Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan. "Klingt spannend, und ich war noch nicht dort!"
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