1. FC Nürnberg: Die Ära Verbeek steht vor einem abrupten Ende

22.4.2014, 22:18 Uhr
1. FC Nürnberg: Die Ära Verbeek steht vor einem abrupten Ende

© Sportfoto Zink

Nach der 1:4-Pleite gegen Bayer Leverkusen hatte sich Gertjan Verbeek noch in branchenübliche Durchhalteparolen geflüchtet. „Wir können noch immer drei Siege holen“, rechnete der Trainer des 1. FC Nürnberg vor und fügte mahnend an: „Es ist zu früh, um aufzugeben.“ Aufgegeben hat man beim Tabellenvorletzten wohl trotzdem – und zwar die Hoffnung, dass Verbeek das Ruder in den verbleibenden drei Spielen noch herumreißen könnte. Deutet man die Zeichen richtig, wird Sportvorstand Martin Bader am Mittwoch das Ende der kurzen Ära Verbeek verkünden.

Noch am Ostersonntag schien eine Demission des populären Niederländers, der am 21. Oktober die Nachfolge von Michael Wiesinger und Armin Reutershahn angetreten hatte und nach einem furiosen Rückrundenstart schon als Heilsbringer verehrt worden war, kaum vorstellbar. Immerhin hatte Bader jüngst sogar laut darüber nachgedacht, selbst im Abstiegsfall an Verbeek festzuhalten. Und auch der 51-Jährige selbst schien einem Zweitliga-Job keineswegs abgeneigt. Zu Wochenbeginn aber hatte die bislang trotz des alarmierenden Abwärtstrends (acht Niederlagen in den letzten neun Spielen) eher latent geführte Diskussion um den Trainer eine ungeahnte Eigendynamik angenommen.

Nachdem Bader in einem TV-Interview am Ostermontag ein klares Bekenntnis zu Verbeek wortreich vermieden hatte, war die Büchse der Pandora geöffnet. Nürnbergs Sportvorstand kündigte an, „unter jeden Stein schauen“ zu wollen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie man dem Team neue Impulse geben könne. Es folgten viele Gespräche, mit Aufsichtsräten, mit Führungsspielern, mit dem Trainerteam. Am Dienstagabend wollte Bader das Meinungsbild noch abrunden. „Es wird“, ahnte er, „eine lange, arbeitsreiche Nacht.“ In der zwei Varianten zur Debatte standen: „Entweder wir ziehen das gnadenlos durch und gehen mit Verbeek notfalls auch in die 2. Liga.“ Oder man zieht die Konsequenzen und beendet die Zusammenarbeit. Und zwar sofort.

Man muss kein Prophet sein, um den Ausgang dieser Gedankenspiele zu erahnen. Zu deutlich war ans Tageslicht gekommen, dass der Riss zwischen Verbeek und Teilen einer Mannschaft, die, so Bader, „den Halt und das Vertrauen verloren hat“, kaum mehr zu kitten ist. Etliche Profis litten unter der bisweilen schroffen Art des autoritären Vorgesetzten. Von einem „Klima der Angst und des Misstrauens“ war zu hören, jeder sei nur noch darauf bedacht, möglichst keinen Fehler zu machen.

Ein Spieler soll aus Furcht vor dem Trainer sogar eine Verletzung verschwiegen haben. Im Stadion konnten die Zuschauer am Ostersonntag beobachten, wie Verbeek den wahrlich nicht als besonders wehleidig bekannten Abwehrrecken Emanuel Pogatetz, der sich nach einem Foul just vor der Trainerbank krümmte, wild gestikulierend bedrängte, gefälligst auf den Platz zurückzukehren. „Das war kein schönes Bild“, gestand Bader ein.

Auch mit der Bitte, doch wieder kompakter zu stehen, prallte die Mannschaft lange Zeit an Verbeeks Veto ab. Erst gegen Leverkusen durfte sie nach „einem kleinen Hilfeschrei“ (Bader) etwas defensiver agieren, doch soll der davon wenig begeisterte Coach in der Halbzeit getobt und die radikale Rückkehr zur offensiven Ausrichtung angeordnet haben. Die Partie ging nach einem 1:1-Pausenstand mit 1:4 verloren. Als weiterer Kritikpunkt gilt die hohe Intensität des Trainings und vor allem die letztlich wohl kontraproduktiven Einheiten im Kraftraum. Die Mannschaft, so war zu hören, sei „mental und körperlich komplett bei Null“.

Ein Eindruck, den Auftritte wie gegen Frankfurt (2:5), Freiburg (2:3), Wolfsburg (1:4) und Leverkusen (1:4) bestätigten: Da brach ein seltsam kraftlos wirkender Club stets in der zweiten Hälfte ein. Und nicht wenige Spieler munkeln, dass auch die ungewöhnliche Häufung von Knieblessuren und muskulären Problemen mit auf eine schlecht dosierte körperliche Belastung zurückzuführen sei. Das bizarre Verletzungspech ließ Bader bei seiner Analyse keineswegs unberücksichtigt, eine objektive Bewertung der Arbeit Verbeeks werde durch die Personalprobleme natürlich erschwert.

Doch müsse man sich als Trainer eben irgendwann auch an veränderte Gegebenheiten anpassen und Situationen richtig einschätzen, mahnte Bader: „Auch das ist eine Qualität.“ Was den Entscheidungsträgern vor allem zu denken gab, war Verbeeks fehlende Sensibilität für den Ernst der Lage. Von besonderen Maßnahmen wie einem Kurztrainingslager wollte Verbeek partout nichts wissen, stattdessen gab er seiner Stammelf zweieinhalb Tage frei.

Nicht nur für Bader „vor einem ersten Endspiel gegen Mainz ein Signal, das ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen kann“. Man müsse doch endlich „ein Gefühl entwickeln, wie gefährlich unsere Situation ist, sonst kann ich in den entscheidenden Spielen auch nicht über den Punkt gehen“. Verbeek habe stets auf die restlichen Partien vertröstet, „aber wir haben nicht mehr viel Zeit“. Und genau deshalb wird man am Mittwoch handeln. Zwar hält Bader Verbeeks Verbleib prinzipiell nicht für unmöglich, „aber es wäre ein Kraftakt“.

Und der Mannschaft wohl nur schwer zu vermitteln, zumindest müssten dann Spieler, die klar auf Distanz zum ungeliebten Coach gegangen sind, konsequenterweise aussortiert werden. „Und letztlich muss es eben doch die Mannschaft richten“, weiß Bader. Spekulationen, wer die verunsicherte Elf im Endspurt betreuen könnte, hielt Bader am Dienstag noch für verfrüht. Wenn ein neuer Trainer kommt, sollte er aber definitiv auch für einen eventuellen Neuaufbau in der 2. Liga zur Verfügung stehen.

Als relativ unkomplizierte Interimslösung böte sich eine erneute Konstellation mit „U23“-Coach Roger Prinzen und Co-Trainer Marek Mintal an. Das Duo hatte die Mannschaft bereits nach Wiesingers Beurlaubung übergangsweise betreut – und bei Eintracht Frankfurt ein respektables 1:1 geholt.

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