Club: Eine Niederlage mit emotionalen Kratzspuren

22.4.2013, 11:58 Uhr
Getrübte Stimmung: Eine bislang vorzeigbare Saison des 1. FC Nürnberg hat gegen Fürth einen empfindlichen Dämpfer erhalten.

© Sportfoto Zink / DaMa Getrübte Stimmung: Eine bislang vorzeigbare Saison des 1. FC Nürnberg hat gegen Fürth einen empfindlichen Dämpfer erhalten.

Das Nürnberger Fanlager war sich seiner Sache sicher: Vor dem Spiel tippte ein kleiner Nachwuchsfußballer am Mikrofon von Stadionsprecher Gudio Seibelt ein kerniges 6:0 für den Club gegen den fast schon abgestiegenen Rivalen aus Fürth. Alles war angerichtet für einen fränkischen Festtag in rot-schwarz.

Doch dann nahm das Unheil schleichend seinen Lauf: Die Fanchoreografie atemberaubend, die Anfangsphase auf dem Rasen vielversprechend. Felix Klaus dunkelgelbes Einsteigen in der 13. Minute gegen Alexander Esswein schien die Überforderung der Fürther zu dokumentieren.

Leichtfertig zeigte sich in der 27. Minute dann der Gastgeber. Keiner im weinroten Dress wusste so recht, wie der beherzt durchs Mittelfeld sprintende Johannes Geis zu stoppen war, jedenfalls griff niemand den Kleeblatt-Youngster ernsthaft an. Wenige Sekunden später lag der Ball im Nürnberger Netz, ein nicht für möglich gehaltener Schock. Von Glück und der Einmaligkeit des Fürther Augenblicks zu fabulieren, es würde ob der lächerlichen Gegenwehr viel zu kurz greifen.

Überstürzt mit Pudding in den Beinen

Das Gegentor war Pudding für die 20 Beine der FCN-Feldspieler. Die Angst, sich an diesem April-Sonntag so richtig zu blamieren, wurde Herr der Sinne. Auf rechts lief sich Chandler stereotyp fest, auf links stellten die vorher gefällig kombinierenden Esswein und Plattenhardt mehr und mehr auf Solo-Betrieb um. Überstürzte Einzelaktionen statt ausgeklügeltes Auseinanderfilettieren der über den Saisonverlauf wahrlich nicht sattelfesten Fürther Abwehr prägten die Spielanlage des Club.

Nun ist es nicht so, dass der Club keine Rückschläge wegstecken kann. In Wolfsburg schüttelte sich der FCN nach einem 0:2 kurz, um im weiteren Verlauf zurückzukommen. Vermeidbare Gegentreffer beispielsweise in Augsburg oder gegen Mainz hoben die Nürnberger nicht aus der Kurve. Aber das Kopfkino manches Protagonisten spulte offenbar den Gruselschocker aus dem Dezember 2011 ab, als der Zweitligist aus der Kleeblattstadt das Pokalachtelfinale in der Noris für sich entschied.

Statistikfreunde könnten immerhin auf das Eckballverhältnis verweisen, das mit 14:4 zugunsten der Heimmannschaft eine deutliche Sprache sprach. Drei Ecken ein Elfmeter galt vielleicht früher einmal auf dem Bolzplatz, in der Bundesliga sind solche Zahlen Schall und Rauch, wenn der notwendige Ertrag fehlt. Zwar sind die Nürnberger Ecken in dieser Saison schon desöfteren eine Waffe gewesen und auch im Derby erzeugten sie sporadische Gefahr, für das Zünglein an der Waage fehlte aber offensichtlich die letzte Konsequen. Dazu hatte der fränkische Rivale mit Wolfgang Hesl einen famosen Keeper in seinen Reihen und das Aluminium auf seiner Seite.

Je näher der Schlusspfiff kam, desto aktionistischer die Nürnberger Aufholbemühungen. Der eingewechselte Mak versuchte über rechts, Esswein über links anzuschieben, nur waren die einfältige Dribblings der Außenbahnspieler eine stumpfte Klinge gegen das ausgeklügelte Fürther Defensivschutzschild. Einen Rammbock hätte es vielleicht gebraucht, einen wie Tomas Pekhart. Allein wenn jener Rammbock ohne jegliche Wucht und Einschüchterung über den Rasen schleicht, sind 1,94 Meter Körpergröße so angsteinflößend wie ein lauer Frühlingswind über dem Brombachsee.

Famose Serie reißt

Bei aller Kritik darf dennoch nicht vergessen werden, dass der Club vor der Derbypleite elf Heimspiele ohne Niederlage geblieben ist. Für eine Mannschaft, die ihre Leistungsstärke eher im Erdgeschoss als auf der Dachterasse der Bundesliga einzuordnen hat, eine äußerst famose Bilanz.

Famos auch die Bilanz von Michael Wiesinger. Anfangs skeptisch beäugt, gelang es dem vorherigen U-23-Trainer eine stabile Einheit zu formen, ohne laute Marktschreierei. Mit Ruhe und mentaler Ausgeglichenheit gelangen kühl errungene Siege gegen Mainz oder Mönchengladbach und ein nervenstarker Big-Point gegen den FC Augsburg. Jene Ruhe, die bei Wiesinger Programm ist, wird nun zum Boomerang. Während gegen Fürth auf den Rängen von Minute zu Minute die Unruhe wuchs, verfolgte Wiesinger die sich anbahnende Pleite überwiegend stoisch auf der Bank.

So sehr eine aufkeimende Trainerdiskussion anhand Wiesingers Punktebilanz aberwitzig wäre, so unausweichlich ist der Fakt, dass der Trainernovize neben jenen unterkühlten Siegen auch emotionale Meilensteine braucht, um nicht nur im Verstand, sondern auch im Herz der Nürnberger Fangemeinde anzukommen. Und wo, wenn nicht in Derbys, holt man sich solche Siege für Herz und Seele? Ein 0:4 beim übermächtigen FC Bayern ist verzeihlich, am zukünftigen Zweitligisten Fürth zu scheitern ist dagegen ein unsägliches Tabu.

Träume und Erwartungen

Ärgerlich, dass eine ohne Zweifel positive Saison des Clubs nun eine herbe Delle erhalten hat, die Stimmung rund um den Valznerweiher erheblich eingetrübt ist. Die Fans träumen von Europa, erwarten aber Derbysiege gegen einen auf dem Papier mehr als schlagbaren Gegner wie Greuther Fürth.

In den verbleibenden vier Spielen kann der Club emotional keine komplette Wiedergutmachung betreiben, allgemein wird die Derbyniederlage noch länger Kratzspuren in der Fanseele hinterlassen, da die Gelegenheit zur Revanche vorerst nicht in Sicht ist. Allerdings kann der FCN in der Restsaison noch Reparaturarbeit verrichten, damit man halbwegs positiv gestimmt in den Sommerurlaub gehen kann. Schließlich steht 2013/14 eine weitere Erstligasaison in der Noris an - vor einigen Jahren alles andere als eine sichere Sache.

Verwandte Themen


11 Kommentare