Ehrgeizige Großmeisterin aus Erlangen
15.11.2017, 12:00 UhrSanfte Schritte, angestrengtes Grübeln und bedachte Züge. Die vielen Notenständer im Raum verrieten, dass der Musiksaal der Orangerie normalerweise andere Klänge verbreitet. Mehrere zugedeckte Flügel, ein Schlagzeug und ein Streichinstrument ruhten im Raum. Auf der Bühne thronte in voller Pracht eine mächtige goldfarbene Orgel. Die Bretter, die die Welt bewegen, waren an diesem Tag jedoch andere. Schwarz-weiß, acht Stück.
Hier saßen sich der SC Erlangen und der SC Forchheim gegenüber, im Schach. Beide Mannschaften befinden sich in der unteren Tabellenhälfte der zweiten Bundesliga, jeder Punkt ist wichtig.
Ganz vorn am Brett
Ganz vorne, am stärksten Brett saß die erst 22 Jahre junge Hanna Marie Klek, die seit Oktober den Großmeistertitel führen darf, also eine Elo-Zahl, die die Spielstärke bestimmt, von mindestens 2300 besitzt: "Die Spielstärke habe ich schon länger, von daher war es nur eine Frage der Zeit und der Gelegenheit. Mein nächstes Ziel ist es im nächsten Jahr Internationaler Meister zu werden." Dafür benötigt sie 2400 Punkte, also noch 132 Zähler.
Ihr Forchheimer Gegner an diesem Tag war 21 Jahre älter: Milos Jirovsky ist ebenfalls Großmeister und tschechischer Nationalspieler.
"Ich nehme die Vorteile mit"
"Ich persönlich nehme gerne die Vorteile mit, die es mit sich bringt, eine Spielerin zu sein", sagt Hanna Marie Klek. 200 Elo-Punkte weniger reichen einer Frau, um im Gegensatz zu einem Mann den Großmeistertitel zu erhalten. "Daher ist es mir auch wichtig, Internationaler Meister zu werden, damit ich auch einen ,Männer‘-Titel habe." Nur acht Prozent der Mitglieder im Deutschen Schachbund sind weiblich, im Jugendbereich ist die Quote ein wenig höher. Allerdings konnte man in den letzten Jahren eine kleine Steigerung an Schachspielerinnen erkennen.
Aber auch Klek hatte es in der Männerdomäne Schach nicht immer einfach: "Schon im Jugendbereich wird man viel mit Vorurteilen konfrontiert und bekommt natürlich auch blöde Sprüche zu hören. Aber wenn man gut ist, dann verstummen die schnell." Wie Klek erklärt, gab es wissenschaftliche Untersuchungen zum Spielverhalten von Männern und Frauen: "Es wurde herausgefunden, dass Männer gegen Frauen aggressiver spielen und dass Frauen schlechter spielen, wenn sie glauben, gegen einen Mann zu spielen. Aber ich glaube, das spielt eher auf Amateurniveau eine Rolle. Mit der Elo-Zahl gibt es ein ziemlich aussagekräftiges Maß für die Spielstärke und ich nehme an, dass mich meine Gegner nicht anders einschätzen würden, wenn ich ein Mann wäre."
Die Elo-Zahl von Jirovsky liegt bei 2446 Punkten, also höher, als die von Klek. Entmutigend? "Der Kampf Erfahrung gegen Jugend ist ja kein seltener und meist bin ich dabei auch noch die Unerfahrene."
Ungewöhnlich schnell
Der Forchheimer spielte ungewöhnlich schnell. Er verblüffte auch seine Kontrahentin mit Routine, wie Klek zugeben musste: "Diesmal hat sich wirklich die Erfahrung durchgesetzt, denn während Jirovsky klar war, was zu tun ist, habe ich die Stellung falsch eingeschätzt und einen falschen Plan gefasst, der mich auf die Verliererstraße brachte."
Forchheim konnte mit einer besseren Teamleistung letztlich das Derby in der Orangerie mit 4,5:3,5 für sich entscheiden.
Einzelergebnisse: Klek – Jirovsky 0:1, Wenninger - Rupprecht 1:0, Hilverda - Heidrich 0,5:0,5, Miller - Schulz 0:1, Ott - Doeres 0,5:0,5, Liepold - Bade 1:0, Tong - Wagner 0,5:0,5, Nehls - Staeblein 0:1.
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