Ein Check spaltet Deutschland: Jetzt spricht die DEL
2.10.2018, 06:00 UhrEine Frage, die Sie mit Ja oder Nein beantworten können, Herr Boos. Gehört eine Aktion wie der brutale Check von Bremerhavens Chris Rumble gegen Taylor Aronson von den Ice Tigers zum Eishockey dazu?
Tino Boos: Nein.
Sie haben sich allerdings entschieden, Rumble nicht nachträglich zu sperren. Folglich war die Aktion Ihrer Auffassung nach nicht so schlimm, wie es viele Eishockeyfans empfanden?
Boos: Richtig. Wir haben ein Strafmaß – und eine große plus Spieldauer ist für uns korrekt. Für mehr hätten noch andere Tatbestände erfüllt sein müssen. Da müsste die Aktion rücksichtsloser oder vorsätzlicher sein.
Ist es nicht schon schlimm genug, wenn ein Spieler bis auf weiteres mit einer Gehirnerschütterung ausfällt?
Boos: Zunächst einmal habe ich leider bis heute noch keine Informationen zum Gesundheitszustand von Herrn Aronson. Auch wenn ich die Verletzung des Spielers nicht kenne, ist das eine Frage, die sich immer wieder stellt. Die Sportkommission hat mir ganz klar aufgetragen, nur die Aktion an sich zu bestrafen und nicht die Konsequenz. Niemand wird es schaffen, alle Verletzungen im Sport zu vermeiden. Bei Gehirnerschütterung ist es zudem sehr schwierig. Oft spielen Spieler noch und die Symptome treten erst später auf.
Was es nicht besser macht.
Boos: Es passieren leider genug Verletzungen, die die Folge von leichten Fouls sind, bei schweren Fouls passiert dagegen manchmal nichts. Wenn es von den Vereinen gewünscht wird, dass bei einer Verletzung immer gesperrt werden soll, können wir das machen – aber das ist derzeit eindeutig nicht gewollt und auch nicht fair.
Ice Tigers-Trainer Martin Jiranek befand, Rumble hätte Aronson gejagt. Diese Ansicht teilen Sie scheinbar nicht.
Boos: Diese Ansicht kann man natürlich haben, wenn man ein bestimmtes Trikot trägt. Wir als Ausschuss müssen entscheiden, ob die Aktion so rücksichtslos und vorsätzlich war, dass man ihm ein Berufsverbot erteilt und das Geld nimmt. Das sehen wir nicht. Das war ein Check mit der Schulter angelegt mit kompakter Körperhaltung, er war nah am Spieler und hatte wenig Tempo. Aronson nimmt die Scheibe an, verliert sie dann kurz, und sieht Rumble leider nicht. Der Check trifft mit der Schulter hauptsächlich den Körper. Das war für uns kein gezielter Check gegen den Kopf. Ich kann Rumble nicht sagen, was er "großartig" falsch gemacht hat.
Ich warte auf den Freispruch von Tino Boos @DELoffiziell #NITvsBHV pic.twitter.com/3QZax68pUL
— Klaus Dörr (@doerrkla) 28. September 2018
Sie sprechen von Berufsverboten. Wenn jemand einige Spiele gesperrt ist, dann ist das doch kein Berufsverbot.
Boos: Das ist vielleicht etwas hart ausgedrückt, aber was ist das sonst? Andere Ligen machen das, dass sie jemanden einfach mal ein paar Spiele sperren. Dort passiert interessanterweise mehr als bei uns. Wir sind statistisch die fairste Liga in Europa mit den geringsten großen Strafen. Das zeigt mir, dass man nicht alles kontrollieren kann. Wenn man mehr Strafen haben will, muss man vielleicht jemand anderen auf meine Position setzen oder den Ausschuss komplett outsourcen. Eishockey ist die schnellste Sportart der Welt, mit Banden, kleinem Spielfeld, meistens 16 Männern auf dem Eis, bei der zudem das Checken erlaubt ist: Wir werden leider nicht verhindern können, dass da Verletzungen passieren.
Sehen Sie es nicht trotzdem als Ihre Pflicht an, die Spieler mehr zu schützen?
Boos: Wir haben die wenigsten Checks gegen den Kopf in Europa. Seit drei Jahren sind die Zahlen rückgängig. Vergleichbare Situationen haben wir in den letzten drei Jahren genauso beurteilt. Ob Sie es glauben oder nicht, wir arbeiten sehr viel präventiv. Unter anderem versuchen wir so viele Spiele wie möglich zu beobachten oder sprechen bei Bedarf persönlich mit den Spielern.
Es ist doch kein Argument zu sagen: Die anderen sind schlimmer.
Boos: Tun wir auch nicht. Eine Strafe muss auch immer einen Sinn haben und ist wie überall im Leben nur die letzte Konsequenz. Diese üben wir auch aus, wenn es unserer Meinung nach notwendig ist. Du musst als Spieler zudem auch selbst auf dich aufpassen. Es war ein harter Check, aber das sind Bruchteile einer Sekunde, in der ein Spieler sich entscheiden muss. Rumble zu sperren wäre ein Stück weit Aktionismus, aber dafür sind wir nicht da. Wir sind da, um die Spieler so weit wie möglich vor Verletzungen, aber auch vor ungerechtfertigten Strafen zu schützen.
Viele Fans empfinden den Schutz vor Verletzungen allerdings als wichtiger.
Boos: Nochmal: Im Eishockey passieren Verletzungen. Wenn man das nicht will, muss man das Checken verbieten. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass nichts mehr passiert, wenn wir härter bestrafen.
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