Ein Team aus Moslems, Jesiden und Christen
25.1.2016, 11:00 UhrWenn sein Trainer Jörg Endres spricht, dann hört Raad Sulaiman Haji ganz genau zu. Kein Wunder: Der 24-Jährige hat in seinem Fußball-Team, das bei den Schwabacher Hallenmasters antritt, eine besonders wichtige Rolle. Er ist der Dolmetscher, der die Vorgaben des Coaches für seine Mannschaftskameraden übersetzt.
Die „SF Welcomers“ sind ein Fürther Team, das sich aus Geflüchteten aus aller Welt zusammensetzt. Und nach einem zunächst durchwachsenen Turnierverlauf möchten sie jetzt alles dafür geben, über einen Sieg jubeln zu können. Die Spieler klatschen sich ab und gehen in die Halle.
„We need your shoes“, ruft Endres während eines Spiels einem seiner Spieler zu und zeigt dabei auf seine eigenen. Die Hallenschuhe, besonders die, auf denen man nicht ständig ausrutscht, reichen nicht für alle Spieler. Vor den Ein- und Auswechslungen muss also improvisiert werden. Die Spieler tauschen ihre Schuhe und verfolgen weiter gespannt die Partie.
Endres ist ein Trainer wie jeder andere Fußballcoach. Während des Spiels gestikuliert er, läuft auf und ab, diskutiert mit dem gegnerischen Coach und ärgert sich über vergebene Torchancen. Dass sich der 38-Jährige dabei für junge Männer aus Syrien, Äthiopien und dem Irak engagiert, erscheint beinahe nebensächlich.
„Die Jungs haben ein gutes Niveau“, analysiert er sachlich die Qualität seines Teams. Es verwundert daher auch nicht, dass er anstrebt, mit ihnen in den regelmäßigen Spielbetrieb einzusteigen und sich für die B-Klasse, die unterste Liga, anzumelden. So viel Engagement und Ehrgeiz zeigt nicht nur der Coach, auch das Team um Raad will diesen Weg gehen.
Im September vergangenen Jahres hat Endres die „Welcomers“ gegründet. Weil man ja was tun könne, auch mit einfachen Dingen wie dem Fußballspielen. „Integration muss beidseitig verlaufen. Eine aktive Integration unsererseits gehört da genauso dazu“, findet er und hat deshalb das Team auf die Beine gestellt — neben seiner Tätigkeit als Consultant beim Unternehmen Randstad und den Aufgaben als dreifacher Familienvater.
Finanzielle Unterstützung leistet sein Arbeitgeber mit dem Projekt „Ehrensache“, die Trainingsplätze stellen die Sportfreunde Fürth zur Verfügung. Im Winter stehen weitere Hallenturniere auf dem Programm, danach wird zwei Mal wöchentlich trainiert. Es sei doch recht einfach und so wichtig, etwas für junge Erwachsene zu tun, die Unterstützung brauchen, ist Endres überzeugt.
Junge Erwachsene wie Raad Sulaiman Haji: „My best Hobby is Football“, erzählt der 24-Jährige aus dem Irak. Er schmunzelt über seine Sprachkenntnisse, wenn er auf Deutsch spricht. Immer wieder wechselt er ins Englische. Sieben Monate ist es erst her, dass Raad rund 15 Tage in einem LKW verbrachte, um aus dem Irak nach Deutschland zu kommen – für 11 000 Dollar. Seine Familie, seine Frau musste er zurücklassen.
Ungewisse Zukunft
Raad spricht wenig über seine Vergangenheit. „Sie wissen ja von den politischen Problemen im Irak“, erzählt er nur auf die Frage, weshalb er seiner Heimat den Rücken kehren musste. Ausgepowert und schwitzend nach dem kurz zuvor beendeten Spiel, schildert er lieber seine Pläne für die Zukunft. Deutschland gefalle ihm sehr gut, die Kultur auch. Als er den Irak verlassen musste, war er gerade mal eine Woche in seinem Beruf tätig – als Englischlehrer. Er würde seinen Job gerne auch in Deutschland ausüben.
Zwischen Sporttaschen und Klamotten in der Umkleidekabine der Schwabacher Halle sitzen Raad und seine Mannschaftskollegen in ihren blauen Trikots, unterhalten sich und scherzen mit ihrem Trainer. Sie sind ein Team aus Moslems, Jesiden und Christen. Und eines, das nicht weiß, wie lange es noch zusammen spielen kann. Jeder der jungen Männer besitzt eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung für die nächsten drei Jahre. Auch für Raad ist noch unklar, ob er in Zukunft in Deutschland anderen die englische Sprache beibringen darf.
Für den „Captain“, wie Jörg Endres von seinem Team genannt wird, soll es nicht nur um Flüchtlinge gehen. „Wir sind einfach eine Fußballmannschaft“, sagt er. Einen anderen Eindruck machen die „Welcomers“ auch nicht. Motivation, Neugierde und Ehrgeiz sind das, was die Jungs ausmacht.
Mit einem Sieg hat es bei den Schwabacher Hallenmasters übrigens nicht mehr geklappt. Aber es stehen ja noch einige Turniere an, und die „Welcomers“ haben noch viel vor.