Großes Interview: Schommers glaubt an Club-Klassenerhalt
25.3.2019, 06:00 UhrNZ: Herr Schommers, haben Sie langsam nicht ein bisschen Sorge, dass Sie als Trainer der schlechtesten Mannschaft seit Einführung der Dreipunkteregel in die Bundesliga-Historie eingehen? Tasmania Nürnberg sozusagen?
Boris Schommers: Statistiken interessieren mich überhaupt nicht. Wenn man die Leistung einer Mannschaft nur an den Punkten festmachen würde, wäre es auch nicht meine Bewertung einer Situation. Von daher habe ich keine Zeit und auch keine Muse, mich mit solchen Sachen zu beschäftigen. Ich glaube noch immer daran, dass wir das schaffen, was niemand mehr erwartet hätte.
NZ: Ist das ehrliche Überzeugung oder Zweckoptimismus, den man als Trainer ja irgendwie vorleben muss?
Schommers: Natürlich sind wir realistisch und wissen, dass es nur noch eine geringe Wahrscheinlichkeit gibt, die Bundesliga zu halten. Nichtsdestotrotz sind wir überzeugt, dass wir es schaffen können. Das ist kein Zweckoptimismus, vielmehr machen die Leistungen der Mannschaft in den letzten Wochen Mut. Wir haben gegen Dortmund 0:0 gespielt und hatten Leipzig, Hoffenheim, Frankfurt am Rande eines Punktverlusts – allesamt Top-Teams der Liga. Jetzt kommen mit Augsburg, Stuttgart und Schalke Mannschaften, mit denen wir hinsichtlich der aktuellen Tabellensituation eher auf Augenhöhe sind. Zwar müssen wir auch gegen diese Teams am Limit spielen, aber das tun wir im Moment, und deshalb bin ich überzeugt davon, dass wir punkten werden.
NZ: Sie loben die Mannschaft für deren Kampfgeist und Moral und dafür, dass die Spieler "an ihre Grenzen gehen". Aber wird man an der Seitenlinie nicht trotzdem wahnsinnig, wenn wie zuletzt in Frankfurt reizvolle Konter dilettantisch vergeben werden?
Schommers: Nein, es tut mir in dem Moment einfach nur leid für meine Mannschaft, dass sie sich für diese aus meiner Sicht aufopferungsvolle Leistung nicht belohnt. Wenn wir nach dem Spiel unseren Kreis bilden, sehe ich ihnen ja an, dass sie alles abgerufen haben, was im Tank drin war. Ich kann ihnen doch nicht vorwerfen, dass Hanno (Behrens, Anm. d. Red.) in Frankfurt in der dritten Minute den Ball nicht reinköpft und Trapp ein überragender Torwart ist und den Schuss in der 84. Minute hält. Geht der rein, hätten wir wohl einen Punkt mitgenommen. Wir können nur immer wieder versuchen, in solchen Situationen das Matchglück zu erzwingen. Ich bin auch nicht böse, wenn bei einem Konter der vertikale Ball nicht perfekt kommt. Der Spieler gibt ja sein Bestmögliches. Ich werde aber sauer, wenn ich das trainieren lasse und der Spieler macht es trotzdem immer wieder falsch. Weil ich dann merke, dass er nicht reflektiert und nicht gewillt ist, sich zu verbessern.
NZ: Sie haben mit Yuya Kubo, Mikael Ishak und Eduard Löwen drei Spielern wieder Vertrauen geschenkt, die es unter Michael Köllner zuletzt schwer hatten. Trotzdem sind sie noch nicht so recht in die Spur gekommen.
Schommers: Viele Spieler sehen einen Trainerwechsel natürlich als Chance und bringen sich dann neu ein. Ich wüsste jetzt aber auch nicht, was ich Edu Löwen thematisch groß vorwerfen könnte, er hat seine Aufgabe unter anderem sehr gut gemacht. Oder nehmen wir Yuya Kubo: Was erwarten wir von ihm? Er ist sicher aktuell der Spieler, der am meisten schwarz oder weiß gesehen wird – wahrscheinlich eher schwarz. Aber sieht auch einer seinen ersten Ballkontakt vor unserem Tor in Hoffenheim?
NZ: Schon, aber man sieht eben auch den Konter in Frankfurt, den er extrem schlecht ausspielt, oder die vielen verlorenen Zweikämpfe.
Schommers: Kubo muss Vertrauen spüren, er brauchte jetzt auch einmal mehrere Spiele hintereinander. Auch dieser tolle Techniker macht ja nichts absichtlich falsch. Und wir wissen alle, dass er eigentlich die Qualität hat, diese Pässe zu spielen. Wir müssen versuchen, ihn wieder dahin zu bringen. Aufgrund der Systematik, die einfach für diese Gegner die bestmögliche war, musste er viel Defensivarbeit leisten. Man darf auch nicht vergessen, dass das alles junge Spieler sind, die noch in einer Entwicklung stecken und in die Bundesliga reingeschmissen wurden.
NZ: Haben Sie vor der Saison eigentlich geahnt, dass die Kluft zwischen Bundesliga und 2. Liga mittlerweile so groß sein würde?
Schommers: Uns war natürlich bewusst, dass der Aufstieg eher eine positive Überraschung war. Dass es tabellarisch so eine große Diskrepanz gibt, hat sich sicher niemand gewünscht. Und dass die Saison jetzt so gelaufen ist, dafür gibt es vielleicht einige Gründe. Aber das ist alles rückblickend und für mich nicht mehr interessant. Wichtig ist der Status quo, wir sind Letzter, und 13 Punkte sind nun mal eine magere Ausbeute. Wir können noch überraschen, aber mein Job ist es, aktuell aus dieser Mannschaft in dieser Situation das Optimum herauszuholen. Ich glaube, wir sind als Trainerteam auf einem guten Weg.
NZ: Mussten Sie lange überlegen, als der Verein Sie bat, für Michael Köllner zu übernehmen? Oder gab es auch Skrupel gegenüber jenem Mann, der Sie in den Profifußball geholt hat?
Schommers: Ich musste zunächst schon einmal überlegen. Dabei geholfen hat mir, dass die andere Entscheidung, also die Freistellung von Michael Köllner und Andreas Bornemann, schon längst gefallen war. Dann hat mir der Verein das angeboten, auch als Wertschätzung meiner Arbeit, und ich habe angenommen. Mein Arbeitgeber ist der 1. FC Nürnberg, dem gegenüber ich eine Verantwortung habe. Insofern glaube ich, dass die Entscheidung auch richtig war.
NZ: Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu Köllner?
Schommers: Derzeit gibt es keinen Kontakt, aber das ist eine Momentaufnahme. Wir hatten zusammen sehr gute eineinhalb Jahre, deshalb ist es natürlich ein Bestreben, dass man sich auch in Zukunft auf Augenhöhe begegnet und miteinander kommuniziert. Aber es ist ganz normal, dass sich jeder zunächst auf seine Sache fokussiert.
NZ: Wie hat sich Ihr Leben seit der Beförderung verändert?
Schommers: Ich habe noch weniger Zeit als vorher, weil die medialen Termine dazugekommen sind. Ansonsten hat sich wenig verändert. Ich hoffe, ich bin noch der gleiche Mensch, zumindest bestätigen mir das meine Freunde. Und ich kann in Nürnberg weiterhin meine Pizza essen, ohne erkannt zu werden.
NZ: Dennoch lastet auf Ihnen jetzt mehr Druck und Verantwortung.
Schommers: Was ich hier spüre, ist ein hohes Vertrauen des Vereins in meine Person, darauf bin ich auch stolz. Es macht mir viel Spaß, in dieser Führungsrolle zu sein und Entscheidungen zu treffen. Auch wenn es momentan ja keinen Sportvorstand gibt, habe ich meine Ansprechpartner im Verein, etwa den Kaufmännischen Vorstand Niels Rossow. Es ist ein sehr respektvoller, konstruktiver Austausch.
NZ: War es schon immer Ihr Karriereplan, einmal Cheftrainer im Profibereich zu werden?
Schommers: Ja, das war ja auch der Grund, warum ich aus Köln weggegangen bin. Dort war für mich der nächste Schritt nicht mehr möglich, deshalb war es logisch, ihn woanders zu machen. Und da war Nürnberg auch in der damaligen Konstellation eine sehr gute Adresse. So wie es jetzt gekommen ist, war es natürlich nicht geplant. Ich habe mit Michael sehr gut und konstruktiv zusammengearbeitet, und wir hatten mit ihm an der Spitze auch einen tollen Erfolg, das sollte man nicht vergessen.
NZ: Ihr Vertrag in Nürnberg läuft am Saisonende aus, ihre berufliche Zukunft scheint momentan völlig in der Schwebe. Können Sie das in der täglichen Arbeit so einfach ausblenden?
Schommers: Ich weiß, dass ich nächsten Samstag gegen Augsburg auf der Bank sitzen werde. Das ist momentan das einzige, was mich wirklich interessiert. Alles weitere wird man sehen. Was soll ich mir jetzt Gedanken machen und Ressourcen verschwenden, die ich für die Arbeit mit der Mannschaft brauche? Vorstellen kann ich mir vieles, aber ich weiß ja noch gar nicht, welcher Sportvorstand kommt, ob unsere Philosophie zusammenpasst und was man beim Club vorhat.
NZ: In der Bundesliga haben in letzter Zeit junge Trainer wie Julian Nagelsmann, Florian Kohfeldt oder der nun entlassene Domenico Tedesco für Furore gesorgt. Mit 40 Jahren sind Sie ja auch noch relativ jung...
Schommers (lacht): Danke. Nagelsmann ist einer der gefragtesten Trainer in Deutschland, Tedesco ist mit Schalke Vizemeister geworden, und Kohfeldt macht einen Superjob in Bremen. Ich würde mich jetzt nie in einer Reihe mit diesen dreien nennen wollen, weil das einfach noch andere Kategorien sind. Aber ich kann auch nicht verhehlen: Ich bin Bundesliga-Trainer und versuche mein Bestmögliches, um es noch ein bisschen zu bleiben.
Das komplette Interview lesen Sie in der heutigen Ausgabe der Nürnberger Zeitung.
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