Kleeblatt macht in Hamburg den ersten Schritt
15.5.2014, 22:37 UhrAls Schiedsrichter Felix Zwayer zur Halbzeit bat, sich 56.479 Fans des Hamburger Sport-Vereins verwundert die Augen rieben und 1500 Fürther feierten, da tobte unten auf dem Feld Petr Jiracek wie ein wildgewordener Seevogel über dem Hamburger Hafen. Immer wieder fuchtelte der tschechische Linksverteidiger des HSV in Richtung Pierre-Michel Lasogga, sein Mitspieler schimpfte zurück. Es war ein Bild der Zwietracht, mit dem sich die Hamburger Profis in die Kabine verabschiedeten. Man bekam das schamlos mit, weil das Hamburger Publikum staunend verstummt war, überrumpelt von dieser Spielfreude der Fürther Gäste, enttäuscht von dem gehemmten Auftritt ihrer Mannschaft.
Vor dem Anpfiff und in den ersten Minuten, auch gegen Ende wieder, als der HSV fünfzehn Minuten lang auf die Führung drückte, da war das anders gewesen. Da tobten die Fans so laut, dass es an die glorreichen Europapokalabende erinnerte, als Juventus Turin oder der FC Arsenal im Volksparkstadion zu Gast war.
Doch am Donnerstagabend war die Spielvereinigung Greuther Fürth gekommen, der Tabellendritte der zweiten Liga, zum Relegationsspiel um den letzten Startplatz in der Bundesliga. Der HSV, er spielte nicht etwa um einen Henkelpott, er spielte gegen den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte.
Die Bedeutungsschwere dieser Partie war allgegenwärtig, die nahmen die Gastgeber von der ersten Minute mit auf den Platz. Bei jedem Zweikampf, in jedem Laufduell, so schien es, schnürte die Angst vor dem Abstieg, vor einer Blamage den Hamburgern irgendwie die Luft ab.
Erste Chance nach 65 Minuten
Am meisten zu Kämpfen hatte damit Rafael Van der Vaart; vor nicht allzu langer Zeit in Hamburg noch als Spielmacher verehrt wie ein großer Star der Reeperbahn, gelang dem Niederländer lange Zeit gar nichts. Seine erste gelungene Aktion, eine Flanke auf Lasogga, köpfte dieser in die Arme von Fürths Torwart Wolfgang Hesl. Da waren bereits 65 Minuten gespielt. Es war gleichzeitig die erste ernstzunehmende Torchance der Gastgeber in diesem Spiel.
Ganz anders Fürth. Weit vor den Gastgebern war bereits der Mannschaftsbus des Kleeblatts auf den Parkplatz am Volksparkstadion gerollt, ausgestiegen waren gut gelaunte Fürther Profis. Es schien, als könnten sie es gar nicht erwarten, dass es endlich los gehen würde.
„An so einer Stimmung“, meinte Trainer Frank Kramer vorher, „muss man sich aufgeilen“. Und genau das tat seine Mannschaft dann auch. Die Leichtigkeit, das „Spiel als unerwartete Chance auf den Aufstieg“ mitzunehmen, wie Sportdirektor Rouven Schröder angekündigt hatte, war Antrieb für große Spielfreude. Vor allem Zoltan Stieber und Ilir Azemi verkörperten diese Leichtigkeit, allerdings scheiterte der Fürther Torjäger mit der ersten großen Chance des Spiels an Hamburgs Torwart Jaroslav Drobny, der kurzfristig René Adler ersetzte, der wegen Rückenproblemen passen musste (26.). Die Chance machte Fürth noch mutiger – und den HSV noch ängstlicher.
Zwar besaß Hamburg in der Folge mehr Spielanteile, wusste daraus aber keinerlei Kapital zu schlagen, nicht eine Torchance zur erarbeiten. Hakan Calhanoglu, der am Arm Trauerflor für die Opfer des Grubenunglücks in seiner Heimat trug, war zwar sehr bemüht, aber ebenfalls glücklos. Seine Freistöße, vielleicht das Letzte, das die Kontrahenten in der Bundesliga zuletzt noch zum Fürchten brachte, verpufften im Nichts. So auch nach 38 Minuten. Im September vergangenen Jahres hatte er mit einem seiner Flatterkracher noch den 1:0-Sieg im Pokal über Fürth eingeleitet, diesmal klatschte der Ball aus ähnlicher Position nur müde in die Fürther Mauer.
Weil Fürth kurz vor der Pause fast zu verspielt agierte, Mavraj den Ball an Calhanoglu verlor, durfte der 20-Jährige noch einmal aufs Tor schießen. Unbedrängt zielte er daneben. So behielt Azemi die letzte Chance vor der Pause, doch sein Torschuss aus kurzer Distanz war zu unplatziert.
Auch aus der Kabine kam Hamburg zunächst nicht großartig verändert, Mut fassten die Gastgeber erst nach rund 65 Minuten. Jetzt drückten sie mächtig, doch Fürths Hesl, selbst sieben Jahre in Hamburg aktiv, hielt seinen Kasten sauber. Ein Treffer von Lasogga wurde wegen Abseits zurecht zurückgepfiffen (67.).
Die Drangphase überstanden die Gäste bravourös, Mergim Mavraj meldete Lasogga ab, Abdul Rahman Baba, der erstmals seit März wieder in der Startformation stand, machte sein bestes Spiel der ganzen Saison.
Doch das Kleeblatt existierte ohnehin mehr im Kollektiv. Fürth kämpfte füreinander, Fürth lief füreinander und Fürth spielte tatsächlich irgendwann sogar auf Sieg. Doch Azemi und einmal noch Djurdjic rutschten an Hereingaben knapp vorbei.
Damit blieb es beim 0:0, ein Ergebnis, das aus Sicht des HSV tatsächlich schmeichelhaft ist. Als Felix Zwayer um 22.20 Uhr abpfiff, lagen sich die Fürther in den Armen. Für das Rückspiel am Sonntag im ausverkauften Ronhof (17 Uhr) wird zwar Niko Gießelmann mit Gelbsperre fehlen, doch sie wissen: das letzte Auswärtsspiel hat Hamburg am 27. Oktober 2013 gewonnen.
Hamburger SV: Drobny; Diekmeier, Djourou, Mancienne, Jiracek – Badelj, Tesche (59. Jansen) - Rincon (90. Westermann), van der Vaart, Calhanoglu – Lasogga.
SpVgg Greuther Fürth: Hesl; Brosinski, Mavraj, Röcker, Gießelmann – Stieber (88. Trinks), Fürstner, Sparv, Baba – Azemi (85. Füllkrug), Djurdjic (71. Weilandt).
Tore: - | Gelbe Karten: Sparv, Gießelmann | Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin) | Zuschauer: 56.479.
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