Meeske trifft Hack: Geld erleichtert das Toreschießen
25.7.2017, 11:44 UhrHerr Hack, jetzt, da Sie neben Ihrem Nürnberger Kollegen Michael Meeske sitzen: Wie verfolgen Sie die Bemühungen des 1. FC Nürnberg, den Profifußball in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern?
Hack: (lächelt) Wir reden also wieder einmal viel über Geld heute?
Ja, nun ja. Es gehört zum Fußball.
Hack: Darüber könnten wir jetzt schon auch streiten. Was die Menschen ja wirklich begeistert, ist das Spiel. Aber gut, ich habe wenig Zeit, über andere Vereine nachzudenken. Ich kann mir gut vorstellen, dass es - so, wie der Club gelebt wird - schwierig werden könnte mit einer Umwandlung. Vielleicht ist es gut, dass der 1. FC Nürnberg sich dafür Zeit nimmt, denn so etwas bedeutet eine Zäsur, keine Frage.
Sie haben das schon lange hinter sich in Fürth. Sind Sie im Rückblick erleichtert?
Hack: Jeder Verein muss seine Geschichte und Situation für sich bewerten. Mir war 1996, als unsere Lage wirtschaftlich alles andere als lustig war, völlig klar, dass konsequent die nötigen Entscheidungen zu treffen sind. Wir waren dann 2003 der - glaube ich - erste Verein in Deutschland, der den Profifußball ausgegliedert hat, bis hinunter zur U 16. Ohne die GmbH&Co. KGaA wären wir nicht da, wo wir heute sind.
Hat der 1. FC Nürnberg, Herr Meeske, auf dem Weg dahin schon zu viel Zeit verloren?
Meeske: Nein, er hat nicht zu viel Zeit verloren, aber er ist sicherlich spät dran. Man muss aber immer auch die vereinsspezifische Situation bewerten, und sicherlich ist es heute etwas schwieriger geworden, da der Beteiligungswillen an einem Klub insgesamt stärker geworden ist. Generell stellt sich die zentrale Frage: Wie wichtig ist wem die Mitbestimmung? Das wird an der Basis ganz unterschiedlich bewertet, aus guten Gründen. Der Fan schaut emotional auf seinen Verein – und sieht, wie sich die Realität ständig verändert und vor allem, wie in vielen Fällen alles immer rationaler wird. Es ist ein komplexes Thema und in allen Facetten erklärungsbedürftig.
"Es gibt genügend große, honorige Unternehmen"
Und dann kommen die Investoren und bestimmen alles.
Hack: Das sehe ich nicht so. Es gibt genügend große, honorige Unternehmen, die sich im Fußball engagieren und sich nicht einmischen. Es braucht eine Trennung von Gesellschafter und Management, das ist auch im Sinn eines guten Gesellschafters – es geht ja um den größtmöglichen Erfolg. Mit unserem Aufsichtsrat in Fürth haben wir es im Kleinen so – da gibt es auch keine Einmischung in sportliche Belange.
Meeske: Mitsprache gibt es ja von verschiedenen Seiten mit unterschiedlichen Ansprüchen sowieso immer. Die relevante Fanszene äußert sich, die Mitglieder tun das, auch Sponsoren – und es findet seinen Weg in die Medien. Seit 15 Jahren kommt noch eine Gruppe dazu, die strategischen Partner und Investoren. Die Frage ist: Welche Art von Investor suche ich? Welche Intension hat er? Welche Rolle habe ich ihm zugedacht? Der Anspruch muss sinnvoll eingruppiert werden, das ist eine große Herausforderung.
Das klingt so, als könnten Sie sich’s aussuchen.
Meeske: Wir leben in einer globalisierten Welt und Fußball ist ein attraktives Gut. Die große Herausforderung ist sicherlich nicht, einen Interessenten zu finden, sondern vielmehr einen geeigneten, der zu unseren Vorstellungen hinsichtlich einer gemeinsamen Vereinsentwicklung passt.
Es gab schon Anfragen?
Meeske: Zumindest über Mittelsmänner, und auch schon, bevor wir unsere Pläne bekannt gemacht haben.
Der sprichwörtliche Scheich war auch dabei?
Meeske: (lacht) ... ja, der war tatsächlich auch dabei.
Hack: Es ist ein schwieriges Metier, in dem sowieso jeder alles besser weiß. Ich möchte über solche Fragen auch nicht erst nachdenken, wenn mir das Wasser bis zum Hals steht. Einfach zu warten, was in den nächsten Jahren passiert im Fußballgeschäft, wäre nicht klug.
Demzufolge sucht Fürth ebenfalls einen Investor?
Hack: Nicht aktiv, nein. Aber es gehört zu meiner Verantwortung, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Unser erster Auftrag lautet: Fußball – aber wir können die Welt nicht ausblenden, in der wir spielen.
Es ist ein Markt, der wächst, ohne die wirtschaftlichen Voraussetzungen würden wir und (schaut auf Meeske) würdet auch ihr gegen die Wand laufen. Unsere Gesellschaftsform würde es uns erlauben, sofort einen Investor aufzunehmen. Der müsste aber strategisch genau zu uns passen.
Und dann kommt – für einen Zweitligisten – ungefähr der Betrag in die Kasse, den eine Fußballfirma wie Leipzig ganz nebenbei für einen unbekannten Mittelfeldspieler ausgibt. Hechelt man auf Sicht nicht so oder so nur hinterher?
Meeske: Über die Bewertung des Clubs haben wir intern diskutiert. Wenn wir vom Zweieinhalbfachen des Jahresumsatzes ausgehen, wären wir bei 100 Millionen Euro und könnten zum Beispiel Anteile für 25 Millionen abgeben, was sicherlich einen spürbaren Unterschied zur aktuellen Situation darstellen würde.
Hack: Sehr schön, wenn Sie das schaffen!
Meeske: Die meisten Vereine mit Investoren haben sich positiv entwickelt, es zeichnet sich daher meist ein schiefes Bild ab, wenn man einzelne Beispiele herausgreift und das dann verallgemeinert.
Ein Blick auf 1860
Beispiele wie den Neu-Viertligisten 1860 München ...
Meeske: ... wobei es auch die Frage ist, wo 1860 heute wäre, wenn der Investor nicht eingestiegen wäre. Vielleicht in der Kreisliga?
Hack: Ja, das muss man trennen. Die Ursachen für diesen Absturz waren Fehler, die vor dem Einstieg des Investors gemacht wurden, dass sie bei 1860 Getriebene wurden, war die Folge.
"Die Entwicklung kann man nicht negieren"
Meeske: Wir gehen von einer Marktentwicklung aus, in der wir in der aktuellen Tendenz langsam verlieren werden, damit würde die Bewertung des 1. FC Nürnberg nicht besser werden. Der Druck wird sich also noch erhöhen. Ein Traditionsverein wie der 1. FC Kaiserslautern geht davon aus, dass die zweite Liga ohne Investor auf Dauer nicht finanzierbar ist – und nennt die vierte Liga als Alternative. Die meisten Vereine, die aufgestiegen sind, haben ihr Kapital nicht primär aus dem Markt geschöpft, sondern es gab strategische Partner. Die Entwicklung kann man nicht negieren.
Hack: In Hoffenheim ist etwas Gutes entstanden, da hat ein einzelner Mäzen viel für seine Region getan. Der Fall Leipzig ist wieder etwas anders gelagert, aber es steht ja außer Frage, dass dort sehr professionell gearbeitet wird. Natürlich kann man sagen: Es gibt Nürnberg, Kaiserslautern, andere Traditionsvereine – und denen kostet die Entwicklung ihren Platz in der Bundesliga. Das ist leider die Konsequenz.
Die Aufsteiger aus der zweiten Liga waren jetzt der VfB Stuttgart und Hannover 96, die Klubs mit den mit Abstand größten Etats, im Vorjahr waren es Freiburg und das von Red Bull finanzierte Millionenprojekt Leipzig.
Meeske: Es gab zwar auch immer wieder Ausreißer, Aufsteiger mit kleinen Etats – Darmstadt, Paderborn, Braunschweig.
Fürth.
Meeske: Ja, natürlich. Aber über eine Zeitspanne von zehn Jahren erkennt man eben doch ein Muster, nämlich dass Geld das Toreschießen erleichtert. Deshalb ist es sinnvoll, so viel wie möglich davon einzusammeln.
Das meiste kommt vom Fernsehen. Ist der Fußball dabei, zu überreizen? Die Spieltage werden zersplittert, die Champions League ist bald nur noch im Pay-TV zu sehen.
Meeske: Der Fußball tut gut daran, seine Entwicklung stets kritisch zu betrachten. Aber neben der Überdrüssigkeit, die jetzt ins Feld geführt wird, gibt es auch Parameter, die etwas vollkommen anderes aussagen. Die Sympathie für den Fußball nimmt insgesamt weiter zu, wir haben so viel Fußball-Content wie noch nie im Markt, und es kommt meiner Meinung nach darauf an, was man daraus macht. Ich bin weit von dem Fatalismus entfernt zu sagen, alles werde nur noch überdreht.
"Nürnberg, Fürth, Bayern ist nicht die Welt"
Vereine wie Mainz 05 oder der SC Freiburg nehmen heute 45 bis 50 Millionen aus TV-Geldern ein – Klubs, mit denen Nürnberg vor nicht allzu langer Zeit noch auf Augenhöhe war.
Meeske: Das sehe ich als Motivation, als Antrieb.
Hack: Es hört sich immer so wunderbar an: Der Fußball sei nur noch Kommerz ... In den Verteilungskämpfen gibt es ja immer wieder Stimmen, die eine Sozialisierung wollen. Die wollen, dass alle gleich behandelt werden. Aber das geht doch gar nicht! Nürnberg, Fürth, Bayern, Deutschland: Das ist doch nicht die Welt.
Wir sind Teil einer internationalen Gesellschaft. Den Markt bestimmen ja andere Länder entscheidend. Spanien, wo die Klubs sportlich erfolgreicher als sogar der FC Bayern sind. Und der größte Antreiber ist wirtschaftlich England. Sollen wir da die Schotten dicht machen? Wir brauchen Top-Fußball, die Nationalmannschaft ist dabei das Aushängeschild – und das hat mit der ersten und zweiten Liga zu tun, in den Vereinen und ihren Nachwuchsleistungszentren wird ausgebildet. Der ganze Fußball muss dafür Geld generieren. Es braucht eine Top-Vermarktung, auch, um die Amateur-Basis mit zu versorgen.
Macht es Ihnen Sorgen, dass alles ohne das Fernsehen gar nicht mehr zu finanzieren wäre?
Hack: Das macht mir natürlich Sorgen. Unsere Vereine – wir haben einen Umsatz von 25 Millionen, der 1. FC Nürnberg einen von 40 – könnten von Spieleinnahmen nicht annähernd leben. Wir haben drei Quellen, um den Verein weiterzuentwickeln. Die TV-Gelder, die Spieler, die wir ausbilden – also Transfereinnahmen, auf die alle außer Bayern München angewiesen sind – und die Sponsoren, die wir möglichst lange an uns binden wollen. Ich bin dankbar um die Mehreinnahmen aus dem neuen Fernsehvertrag, aber das bedeutet nicht zwangsläufig eine bessere Mannschaft. Und natürlich geht die Schere weiter auseinander, das müssen wir akzeptieren. Die Frage ist, wie viel von dem Mehr wir in die Lizenzspielermannschaft investieren.
Wie viel ist das in Nürnberg?
Meeske: Es ist nur ein geringer Teil, da wir den Großteil in die Konsolidierung stecken. Aber es ist sicher immer noch ein gutes Budget!
Also kann man beim Club immer noch besser verdienen als in Fürth?
Hack: Ich kenne die Verträge nicht, aber das Gerücht geht um (lacht). Jeder arbeitet im Rahmen seiner Möglichkeiten. Wie gesagt: Es gibt eine Kluft, aber die zweite Fußball-Bundesliga ist im Finanzvolumen die Liga Nummer sieben in Europa.
Meeske: Und die Nummer 15 unter den Sportligen in der Welt.
Hack: Es macht mich stolz, dass wir so lange zu einer Top-Liga gehören.
Sie haben dafür viel in Steine investiert.
Hack: Steine ... das ist auch so schön abgedroschen. Wenn wir unsere Infrastruktur nicht hätten, gäbe es uns nicht. Fürth, das war, als wir 1996 anfingen, Grundig, Quelle - die Loser, wir haben uns ein Image geschaffen, zugepackt. Jede Investition war solide finanziert. Sollten wir sehen, dass das finanzielle Volumen nicht mehr reicht, um mitzuhalten, stellt sich die Frage: Welcher strategische Partner passt zu uns?
Beneiden Sie, Herr Meeske, Herrn Hack manchmal um diese über nun schon zwei Jahrzehnte mit ruhiger, kontinuierlicher Arbeit geschaffene Ausgangsbasis?
Meeske: Eine solide wirtschaftliche Grundlage ist natürlich eine angenehme Sache. Das ist unsere Hauptaufgabe, der Aufbau eines ausreichenden Fundaments, um wirkungsvoller agieren zu können. Die Fragen: Wo sind Einsparungen sinnvoll, wo Investitionen notwendig? Wir mussten und müssen Einsparungen vornehmen, kurzfristig am besten gelingt das im sportlichen Bereich. Aber es soll natürlich die Grundlage für guten Fußball erhalten bleiben, das Einsparpotenzial ist irgendwann endlich – die Top sechs, die Top acht, das ist unser Anspruch, da soll unser Etat bleiben.
"Herausfordernd - und verbunden mit einigen Risiken"
Für die finanzielle Situation des 1.FC Nürnberg fanden sich ein Jahr nach dem Bundesliga-Abstieg 2014 diverse Adjektive – von besorgniserregend bis katastrophal. Welche würden Sie denn heute verwenden?
Meeske: Ich würde sie herausfordernd nennen. Und verbunden mit einigen Risiken. Wir haben den Transferdruck deutlich abgebaut und auch das strukturelle Defizit, somit geht es Schritt für Schritt voran. Aber dabei dürfen wir auf der Erlös-Seite keine Einbrüche haben, das hängt natürlich auch vom sportlichen Erfolg ab.
Da hat zuletzt ebenfalls der Nachbar besser abgeschnitten. Erstmals seit 1953, nach 64 Jahren, lag Fürth in einer Abschlusstabelle wieder vor Nürnberg. Eine statistische Zahlenspielerei, Herr Hack – oder waren Sie doch ein wenig stolz darauf? Auf die fränkische Meisterschaft?
Hack: Für unsere Fans war das ein emotional schönes Erlebnis. Mir wäre Platz sechs am Ende der Saison lieber gewesen – das hatte ich viel mehr im Kopf. Die Chance dazu hat bestanden, und dass wir es nicht geschafft haben, belastet uns bei der Verteilung der Fernsehgelder noch sehr sehr lange.
"Ich kann doch den Leuten keinen Blödsinn erzählen"
Stichwort Ziele: Einmal schaffte es das Kleeblatt in die Bundesliga – ist das, wenn auch natürlich kein Saisonziel, irgendwo doch noch im Hinterkopf? Noch einmal die Bundesliga im Ronhof erleben?
Hack: Ich bin ja auch schon geschimpft worden, dass Fürth einen Präsidenten hat, der angeblich das Aufsteigen verbietet ...
Meeske: (lacht) ... das tut man ja auch nicht, Herr Hack!
Hack: Im Ernst: Mit meiner Erfahrung kann ich den Leuten doch keinen Blödsinn erzählen. Ich habe immer gesagt: Es wird ein Jahr geben, in dem alles passt. Dann ist auch – losgelöst vom Etat – alles möglich. Wir haben es einmal erlebt, und hoffentlich dürfen wir es noch ein zweites Mal erleben.
"Wir wollen die fränkische Meisterschaft zurückhaben"
In Nürnberg, Herr Meeske, dürfte man es so vorsichtig eher nicht formulieren.
Meeske: Ich schaue natürlich auch emotional auf Fußball. Wir wollen diese fränkische Meisterschaft schon zurückhaben – und mindestens einen Punkt vor Fürth stehen.
Das Ziel bleibt – notgedrungen – die Bundesliga.
Meeske: (lacht) Ich werde den Aufstieg sicher nicht verbieten. Das bleibt unser Ziel und das muss das Ziel des Clubs sein – aufzusteigen und sich bei gutem Verlauf in der Bundesliga zu etablieren. Da dürfen wir nicht nachlassen. Aber das ist natürlich keine Vorgabe für diese Spielzeit. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen.
20 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen