Nach Totalschaden im Knie: Erras kämpft mit den Spätfolgen
8.12.2017, 11:15 UhrZielgerichtete Abschlüsse von jenseits der Strafraumgrenze gehörten noch nie zu Parick Erras’ größten Stärken. Seine fünf Tore in der Saison 2015/16 gelangen ihm fast durchweg aus kurzer Distanz. Hier ein Abstauber, da ein Kopfball, nur in der Münchner Arena fasste er sich ein Herz und schien sich mit dem Resultat selbst ein wenig überrascht zu haben. Seinen famosen Schlenzer in den Winkel zum 1:0-Endstand gegen die Löwen im Februar 2016 dürfte er in seinen Träumen noch ein paar Mal nachgestellt haben.
Damals war sein Tank noch voll, hätte Patrick Erras wahrscheinlich auch zwei oder drei Partien an einem Nachmittag locker bewältigt. In den vergangenen Wochen allerdings schien er sich mehr und mehr der Reserve zu nähern. Unter anderem missrieten ihm seine beiden Schussversuche in Heidenheim und gegen Ingolstadt aus jeweils ambitionierter Distanz total; so manche Rückgabe kommt härter daher.
Gedämpfte Erwartungen
Schon im Frühherbst hatte Michael Köllner, sein Trainer, eindringlich vor zu hohen Erwartungen an den ehemaligen Shootingstar gewarnt – und Erras in nächster Zeit auch mal die eine oder andere Verschnaufpause in Aussicht gestellt. Nach über einem Jahr Wettkampfpause sei es "normal", wie Köllner findet, dass Erras’ ebenso langer wie schwerer Körper nicht von heute auf morgen und vor allem nicht ununterbrochen funktionieren könne wie vor dem 17. März des vergangenen Jahres, als dem jungen Oberpfälzer beim Üben eine abrupte, nicht mehr auszugleichende Fehlbelastung zum Verhängnis geworden war. Sein rechtes Bein knickte übel weg, nur das Innenband und das hintere Kreuzband überstanden das Unglück unbeschadet. Der Rest: kaputt.
Allein bis alles wieder an der richtigen Stelle war, dauerte es über zwei Monate, danach brauchte der mittlerweile 22-Jährige insbesondere viel Geduld. Im letzten Heimspiel der vergangenen Runde gegen Fortuna Düsseldorf durfte Patrick Erras in der Schlussphase erstmals wieder mitmischen, eine Woche später in Kaiserslautern sogar über 90 Minuten – trotzdem gab es in der Sommervorbereitung den nächsten Rückschlag.
Verschleppte Verletzung
Weil für eine seiner Knie-OPs eine Sehne aus dem Oberschenkel entnommen werden musste, streikte der Muskel bei intensiven Belastungen mitunter. Erst am sechsten Spieltag, beim 6:1 in Duisburg, gab er sein Saison-Debüt, danach stand er neunmal in Folge in der Startelf, der Pokal-Auftritt in Osnabrück inklusive.
An den 3:2-Erfolg an der Bremer Brücke sollte ihn noch Wochen später ein Ödem in der Wade erinnern – das ihn nach dem Ingolstadt-Spiel, als die Schmerzen kaum noch auszuhalten waren, zur nächsten Pause zwang. "Die Verletzung hab‘ ich ein bisschen mitgezogen", sagt Erras, seit Anfang dieser Woche fühlt er sich aber wieder besser, "relativ gut" sogar.
Elf Kilometer und mehr
Seinen Aufräum- und Umschaltdienst vor der Abwehr kann er freilich nur im Vollbesitz seiner Kräfte zur allgemeinen Zufriedenheit verrichten; nach seinem Comeback steigerte er seine Laufleistung einigermaßen kontinuierlich auf über elf Kilometer pro Einsatz, was auch sein Trainer regelmäßig anmerkte, trotzdem aber noch etwas mehr verlangt von seinem defensiven Mittelfeldspieler.
Anders als etwa der Kollege und Vorvorgänger René Weiler möchte Köllner einen polyvalenten, modernen Sechser sehen, der sich nicht nur auf seine defensiven Aufgaben konzentriert. Das gilt auch für Erras: "Er muss offensiver werden, torgefährlicher, muss Angriffe einleiten", fordert Köllner – gibt damit aber auch indirekt zu, dass der junge Patrick Kammerbauer noch viel lernen muss.
Ein "Auf und Ab"
Spätestens mit Beginn der Vorbereitung am 3. Januar möchte ihm Patrick Erras den Stammplatz wieder abjagen, aktuell hängt er etwas durch. "Nach so einer langen Pause merkt man irgendwann, dass wieder ein kleines Loch kommt", sagt Erras, sein Trainer spricht von einem zwangsläufigen "Auf und Ab".
Sein persönliches Ziel für 2017 hat Erras schon jetzt erreicht. "Ich wollte einfach wieder gut reinkommen, ein paar Spiele machen, auch wenn die Leistung nicht immer so gut war", sagt Erras selbstkritisch, an 2018 möchte er sich aber messen lassen. "Mein Anspruch ist, wieder Stammspieler zu werden."
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