Pokal: Knackt Gladbach gegen Fürth den Auswärtsfluch?
7.2.2017, 06:00 UhrSeine Wundertaten vollbringt "Lulu" inzwischen in Frankreich. Natürlich, wie sollte es auch anders sein? Den OGC Nizza, ein bis dahin eher mittelmäßiges Team, dessen größte Erfolge ein halbes Jahrhundert zurückliegen, hat er zum Kandidaten für die französische Meisterschaft geformt. Und, noch wundersamer: Das Enfant terrible Mario Balotelli hat er in einen verlässlichen – oder zumindest halbwegs verlässlichen – Torjäger verwandelt, der auf dem Weg zurück zum Weltstar zu sein scheint.
Wer anders könnte so etwas schaffen als "Lulu"? "Lulu", so haben sie ihren Ex-Trainer Lucien Favre rund um den Borussia-Park in Mönchengladbach genannt. Man kann sich keinen unpassenderen Spitznamen vorstellen. Denn der Schweizer ist ein Fußball-Professor, ein Taktik-Fuchs, einer, der es schafft, aus wenig sehr viel zu machen. Noch heute verfolgen die Fans in Mönchengladbach jeden seiner Schritte genau.
Mit Favre in die Champions-League
Als Favre die Borussia im Februar 2011 übernahm, stand sie auf dem letzten Tabellenplatz. Der Schweizer führte sie über die Relegation zum Klassenverbleib, dann in die Champions League-Qualifikation, in die Europa League und anschließend direkt in die Champions League.
Für die Fans, die jahrelang hatten zusehen müssen, wie Gladbach zwischen der ersten und zweiten Liga hin- und herdümpelte, war das wie eine Offenbarung. Und zwar nicht nur wegen der Erfolge. Nein, Favres von schnellem Kurzpassspiel geprägter, offensiver Spielstil, seine Akribie, aber gerade auch seine Verschrobenheit schienen einfach zu diesem manchmal auch etwas verschrobenen Verein zu passen, zu dessen größten Sternstunden immerhin ein Star zählt, der sich selbst einwechselte.
Spektakulärer Offensivfußball
Als Favre im September 2015 nach fünf Niederlagen in Folge sich von niemandem von einem Rücktritt abhalten ließ, bedeutete das für den Verein und seine Anhänger einen ähnlich harten Einschnitt wie der Abgang von Meistertrainer Hennes Weisweiler 1975. Es war ein Schock. Favres Nachfolger André Schubert hatte deshalb bei den Fans nie einen leichten Stand. Und das, obwohl er – in einer Aufholjagd, die seinem Vorgänger würdig gewesen wäre – mit spektakulärem Offensivfußball die Borussia von ganz unten noch bis in die Champions League führte.
Doch in der laufenden Saison lief unter Schubert nicht mehr viel zusammen: Abstiegskampf in der Bundesliga trotz eines hochkarätigen Kaders, in der Champions League lief es zwar besser, die trotz einer starken Gruppe durchaus mögliche Qualifikation fürs Achtelfinale wurde aber leichtfertig hergeschenkt.
Mit Hecking wieder nach oben
Für die Suche nach einem Nachfolger von Schubert, der vor der Winterpause entlassen wurde, bedeutete das einen Spagat: Ein Team mit internationalen Ansprüchen zu trainieren, das aber momentan im Abstiegskampf steckt und schleunigst auf diesen eingestellt werden muss. Dieter Hecking, der einst den 1. FC Nürnberg auf Platz sechs der Bundesliga führte, und mit dem VfL Wolfsburg den DFB-Pokal gewonnen und international gespielt hat, scheint da der ideale Coach zu sein.
Hecking gilt als bodenständig und ruhig, aber auch als mindestens so stur wie Favre. Und tatsächlich ging es in den vergangenen Wochen aufwärts: Auf ein müdes 0:0 gegen Darmstadt folgten ein 3:2-Auswärtssieg bei Bayer Leverkusen (nach 0:2-Rückstand) und ein 3:0 gegen den SC Freiburg.
Die SpVgg Greuther Fürth muss sich also auf eine wieder erstarkte Borussia einstellen. Eine, für die der Pokal zudem eine wichtige Gelegenheit darstellt, sich noch fürs internationale Geschäft zu qualifizieren. In der Liga sind die Europapokalplätze weit weg, in der Europa League wartet schon im Achtelfinale mit dem AC Florenz ein starker Gegner. Hecking will davon noch nichts wissen: "Es ist jetzt Achtelfinale, Berlin ist noch ganz weit weg", sagt er.
Hecking verliert kaum Worte
Viele Worte verlor er über Fürth in der Pressekonferenz vor dem Pokalspiel nicht, aber er nimmt die Spielvereinigung ernst: "Wir müssen die Favoritenrolle annehmen, aber nicht einen Deut weniger abrufen als in einem Bundesligaspiel."
Einer der größten Gewinner des Trainerwechsels wird dabei wohl nicht im Ronhof zu sehen sein: Offensivspieler Jonas Hofmann, den Hecking überraschend in die Startelf zurückgeholt hatte, fällt wohl wegen eines Faszienrisses in der Hüfte aus. Und auch Winterneuzugang und Innenverteidigung Kolo – mit vollem Namen Timothée Kolodziejczak – wird mit einer Sprungelenksverletzung ebenso fehlen wie Nico Elvedi (Beckenverletzung) und Tobas Strobl (Sehnenverletzung).
Offensiv ein Spitzenteam
Trotz der Ausfälle von Hofmann und auch Ibrahima Traoré (Sehnenabriss) ist vor allem die Offensivabteilung der Gladbacher die einer deutschen Spitzenmannschaft: Gegen Freiburg spielten Weltmeister Christoph Kramer, Supertalent Mahmoud Dahoud, Nationalspieler André Hahn, der bei internationalen Top-Klubs auf der Liste stehende Thorgan Hazard, der inzwischen auf Nationalmannschaftsniveau gereifte Lars Stindl und natürlich Raffael, die Schaltstelle im Gladbacher Spiel.
Von der Bank kam dann noch der wiedergenesene Patrick Herrmann, der gleich ein Tor erzielte. Und der gegen Fürth schon wieder von Anfang an spielen könnte, zumindest ließ Hecking das vor der Partie offen. Dass er rotieren wollte, das deutete er aber schon an: "Ich habe etwas im Kopf, aber es ist noch zu früh."Kurzfristig fehlen wird der Borussia Offensivspieler Raffael. Der Brasilianer hat Oberschenkelprobleme.
Nicht immer ganz sicher präsentierte sich in der Vergangenheit dagegen die junge Innenverteidigung um Andreas Christensen (20) und Jannik Vestergaard (24). Aber vor allem eine weitere Schwäche könnte Fürth Mut machen: der Auswärtsfluch der Borussia. In dieser Bundesliga-Saison holte Gladbach in neun Partien erst fünf Punkte in fremden Stadien, kassierte 20 Tore. Jetzt muss sich nur noch zeigen, ob der Fluch auch im Pokal anhält.
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