Pro Verbeek: Vorfreude aufs Wiedersehen
21.3.2015, 05:58 UhrMit neuen Ideen propagierte Gertjan Verbeek beim Club einen Stil, der trotz des Abstiegs Spuren hinterließ. Krolovitsch, Kassiererin in einem Supermarkt, und der promovierte Philosoph Zimmermann betreiben seither im Internet die sehr populäre "Fan-Initiative pro Verbeek". Ein Gespräch über eine besondere Leidenschaft.
Frau Krolovitsch, Herr Zimmermann, die schwierigste Frage lieber gleich vorweg: Der VfL Bochum spielt mit Gertjan Verbeek in Nürnberg. Für wen schlägt Ihr Herz?
Krolovitsch: Eigentlich wäre ein Unentschieden nicht verkehrt, aber ich bin dann doch Lokalpatriot – mit meinem Club. Trotzdem könnte ich mit einem Unentschieden leben.
Zimmermann: Ich wäre auch einverstanden. Ganz bedingungslos können wir nicht zu Gertjan Verbeek halten.
Verbeek-View: Von vorne und hinten
Aber diesmal kommen Sie auch wegen der Gäste?
Krolovitsch: Ganz bestimmt. Einer von uns sieht Gertjan von vorne, einer von hinten. Michael sitzt in der Gegengerade, ich auf der Haupttribüne,
Sie sitzen nicht nebeneinander? Bei allem, was Sie verbindet!
Krolovitsch: Wir kennen uns noch gar nicht so lange, seit noch nicht einmal einem Jahr.
Erst Gertjan Verbeek hat Sie sozusagen miteinander bekannt gemacht?
Krolovitsch: So ist es – und jetzt hier, bei Ihnen, ist es erst das dritte Mal, dass wir uns überhaupt persönlich treffen. Wir haben gemailt und telefoniert und uns ständig mit unserer Internet-Seite befasst – Michael war damals der Erste, der mir zur Seite gesprungen ist.
Sie haben ganz alleine angefangen, zu Hause in der Küche am Computer?
Krolovitsch: Etwa so. Mein Mann hat gesagt, man soll nicht nur mosern, sondern etwas tun. Da habe ich die Initiative für den Trainer gestartet.
Und Ihr Mann?
Krolovitsch: (lacht) Der hat davon erst viel viel später erfahren. Es war überhaupt ganz lustig zu hören, wie sich Leute im Supermarkt über unsere Initiative unterhalten haben – und keine Ahnung hatten, dass ich, die Kassiererin, dahinterstecke.
Auch Gertjan Verbeek hat leider zu spät davon erfahren. Sie wollten damals, im April 2013, alles tun, damit er bleibt.
Krolovitsch: Das war die Idee, ja. Und ich hatte kaum angefangen, da war er schon beurlaubt – am 22. April war die Seite fertig, am nächsten Tag wurde Verbeek entlassen. Dabei hatte ich ihn gerade erst um ein gemeinsames Foto gebeten, das ich an diesem Tag signieren lassen wollte.
Sie, Herr Zimmermann, kamen sozusagen auch schon zu spät?
Zimmermann: Leider ja. Aber als ich die Seite entdeckt habe, war ich Feuer und Flamme.
Krolovitsch: Und ich war froh, dass er mir sofort geholfen hat – mir war die Sache fast schon ein bisschen über den Kopf gewachsen. Was ich technisch nicht gewusst habe, hat Michael gewusst, alleine hätt’ ich’s gar nicht mehr geschafft.
So viel Zulauf?
Zimmermann: Es war sensationell. Wir hatten manchmal pro Tag dreihundert neue Unterstützer. Es dauerte ja sehr lange, bis der neue Trainer kam, bis Valerien Ismaël antrat. Und als dann Ismaël bald wieder gehen musste, waren es noch einmal Hunderte an einem Tag. Es war wunderbar zu erleben, wie sich so viele Leute, die sich gar nicht kennen, zusammenfinden und für eine Idee einstehen. Wir beide sind stolz auf jedes einzelne Mitglied der Initiative. Es ist toll, dass der Club solche Fans hat.
"Momente, in denen man kurz hofft"
Und Sie glaubten wirklich, dass vielleicht doch Verbeek ...
Krolovitsch: ... es gab schon solche Momente, in denen man kurz hofft ... Dass man abends ins Bett geht und ein bisschen träumt, Sie würden es in der Zeitung geschrieben haben und am nächsten Tag liest man: Gertjan Verbeek ist doch zurück. Wirklich geglaubt habe ich es natürlich nicht.
Trotzdem können die schönsten Sachen passieren: So eine romantische Idee hatte Gertjan Verbeek ja irgendwie vermittelt – dass Fußball nicht nur nach Kalkül funktioniert, sondern mit Hingabe, Empathie, Vertrauen, dass damit viel mehr möglich ist, als man manchmal glauben mag.Romantik ist manchmal sehr wichtig für dieses kommerzielle, gelegentlich aggressive Spiel?
Zimmermann: Ja, aber wir sind da nicht naiv. Ich gehe seit über dreißig Jahren zum Club, es gab schöne und fürchterliche Zeiten, und auf einmal habe ich mich wie damals als kleiner Bub gefühlt: diese fiebrige Vorfreude auf dem Weg ins Stadion, mit dem Fan-Schal um den Hals und dem Gefühl, gleich etwas richtig Schönes zu erleben. So ging es ja vielen in der Fan-Szene.
Krolovitsch: Ich bereue diese Liebe nicht: Diese Kampagne hat ja mit dem Trainer Verbeek begonnen, das passte perfekt zusammen.
Zimmermann: Ich war richtig stolz auf den Club, auf den Fußball, den Nürnberg auf einmal spielte, wirklich von einem Tag auf den anderen war es ein ganz anderer Stil, mutig und kreativ. So stolz war ich lange nicht mehr. Und ich war von Herrn Verbeek auch als Persönlichkeit begeistert. Es war doch ein phantastisches Projekt, wie so viele hatten wir das Gefühl, es könnte etwas Großes dabei entstehen – den Umweg in die zweite Liga hätten dafür die meisten Fans in Kauf genommen. Und ich finde, es hatte sogar eine gesellschaftlich-politische Komponente.
Sie meinen das Denken des Trainers Verbeek, seine Haltung?
Zimmermann: Ja. Man hat von Verbeek nie irgendwelche Floskeln gehört, er hat nicht nur in den vorgegebenen Strukturen gedacht, nicht nur auf Sicherheit geachtet – sondern eine Idee gelebt, an der er sehr authentisch und mit Konsequenz festhielt. Er hat Herzblut dabei eingebracht und war bereit, etwas zu riskieren. Das wünschte man der Gesellschaft auch öfter, oder? Das kann man doch so sehen?
Nur keine Scheu: Sie können gerne schwärmen!
Zimmermann: Und fernab jeder Realität war es ja ganz und gar nicht. Es war fußballerisch klasse, wie unsere Mannschaft gespielt hat, man hat eine ganz neue Begeisterung gesehen. Große Trainer haben uns applaudiert dafür: Lucien Favre, Jürgen Klopp, Hans Meyer – so ein Projekt dann aus Angst abzubrechen, war unendlich schade. Man muss doch immer sehen, wie viel Pech der Club einfach hatte. Alleine die vielen verletzten Spieler ... Für mich war es der größte Fehler, den der Club in seiner Vereinsgeschichte gemacht hat.
Obwohl das nun wirklich ein fast unendlich weites Feld ist.
Zimmermann: Ja. Aber, doch – diese Dimension hat das für mich durchaus.
"Nie etwas gegen Bader - ich auch nicht"
Sie wirken auch noch ein wenig wütend, Frau Krolovitsch.
Krolovitsch: Ja, und da bin ich auch auf Herrn Bader (Sportvorstand Martin Bader, d. Red.) schlecht zu sprechen. Zu erklären, man gehe mit Verbeek in die zweite Liga und ihn dann fast umgehend doch zu beurlauben ...
Zimmermann: Ich hatte nie etwas gegen Herrn Bader ...
Krolovitsch: ... ich auch nicht ...
Zimmermann: ... im Gegenteil, ich finde, er hat vieles richtig gemacht über viele Jahre. Aber diese Entlassung verzeihe ich ihm nicht. Wir hatten ihn ja auch kontaktiert, nachdem die Initiative erfolgreich angelaufen war.
Der Sportvorstand antwortet
Sie haben sich ausgetauscht?
Zimmermann: Er hat uns geschrieben, insgesamt drei Mal: Er wisse unser Engagement zu schätzen, aber wir möchten doch bitte die Perspektive des Vereins akzeptieren. Ein Treffen hatte er uns in Aussicht gestellt.
Aber das kam nicht zustande?
Krolovitsch: Nein. Und jetzt bräuchte ich es auch nicht mehr. Ich bin seit meiner Kindheit Club-Fan, da erlebt man einiges – die Entlassung von Herrn Verbeek war der schlimmste Moment.
Zimmermann: Ich fand es noch einmal stark, wie Herr Verbeek darauf reagiert hat. Er hat nicht nachgekartet, keine schmutzige Wäsche gewaschen – das hatte Stil, hatte Größe. Da dachte man noch einmal: Ja, wir werden ihn vermissen. Manche Pressekonferenzen mit Verbeek sehe ich mir manchmal heute noch gerne an.
Wie oft waren Sie denn seither im Stadion?
Krolovitsch: Kein einziges Mal. Ich gehe seit vielen Jahren mit meiner Mutter zum Club – dann habe ich gesagt, ich komme erst wieder, wenn Verbeek wieder da ist.
Dann können Sie am Montag Ihr Comeback geben.
Krolovitsch: Ja, jetzt kommt er zurück. Gegen Bochum bin ich wieder dabei – nach fast exakt elf Monaten.
Und Ihre Mutter?
Krolovitsch: Die war auch nicht mehr im Stadion. Seither haben wir ein Sky-Abo. Ganz ohne den Club geht’s doch nicht.
Schalübergabe erwünscht
Ein Sky-Abo, die Seite – und inzwischen noch Verbeek-Fanartikel: Ihre Leidenschaft geht ganz schön ins Geld, oder?
Zimmermann: Das hält sich in Grenzen. Ein bisschen haben wir investiert. Wir hatten zwei Anzeigen in Ihrer Zeitung geschaltet – und die waren ein voller Erfolg!
Krolovitsch: Von den Fan-Schals hab’ ich nur fünf Stück herstellen lassen. Naja, ich wäre dann wohl hundert losgeworden ... Meine Mutter hat einen, einer liegt im Auto, um Werbung zu machen. Und einen soll Herr Verbeek am Montag bekommen, ich sitze ja in der ersten Reihe – vielleicht ergibt sich die Gelegenheit.
Gehen Sie noch regelmäßig ins Stadion, Herr Zimmermann?
Zimmermann: Ja, ich habe eine Dauerkarte.
Und Sie tragen noch Ihr Gertjan-Verbeek-T-Shirt?
Zimmermann: Gerne. Ich höre da nur anerkennende, freundliche Worte.
"Die meisten Fans denken gerne an Gertjan"
Als romantische Spinner sind Sie beide nie belächelt worden?
Zimmermann: Nein. Das klingt vielleicht einmal an, aber sehr sehr selten und dann freundlich. Die meisten Fans, glaube ich, denken gerne an Gertjan Verbeek.
Krolovitsch: Auf unserer Internet-Seite gab es kaum negative Äußerungen. Vielleicht eine von hundert.
Es ist ja eine mit Liebe gemachte Seite. Es wird nicht geschmäht, nicht beleidigt, man äußert keine Schuldzuweisungen, keine Feindseligkeit – anders als in manchen Foren, in denen es erschreckend aggressiv zugeht.
Krolovitsch: Das wollten wir nie. Sie werden da auch kein Wort von meiner persönlichen Enttäuschung über Herrn Bader finden.
Zimmermann: Man soll schon sehen, dass Fußball für uns ein Spiel ist. Wenn manchmal ein Augenzwinkern durchscheint, ist das in unserem Sinn. Wir haben zum Beispiel auch überlegt, ob wir uns alle aus Solidarität lange Bärte wachsen lassen sollen – wie Verbeek, als es damals in den ersten Spielen nicht klappen wollte mit dem Gewinnen.
Krolovitsch: Da hätt’ ich mich schwergetan ...
Aber aufgegeben haben Sie noch lange nicht?
Krolovitsch: Die Initiative ruht ein wenig im Moment, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Das gab es ja auch schon in Nürnbergs Fußball-Historie: Dass Trainer eines Tages zurückkommen.
Krolovitsch: Da würd’ ich wie ein Gummiball durch meine Wohnung hüpfen! Und wer weiß – jetzt hat es uns Fürth vorgemacht.
Ausgerechnet Fürth!
Trainer Mike Büskens ist nach zwei Jahren wieder zurück im Ronhof.
Krolovitsch: Ausgerechnet Fürth! Wir hätten es gern so, die machen es – obwohl es da überhaupt keine Initiative für Mike Büskens gab.
Zimmermann: Zum Bochum-Spiel werden wir jetzt sicher wieder aktiv. Herr Verbeek bringt den VfL ja gerade mit offensivem Fußball richtig voran und zeigt, was wir an ihm gehabt hätten. Aber ich hoffe trotzdem, dass Herr Weiler jetzt länger hier bleibt.
Der neue Trainer René Weiler gefällt Ihnen?
Zimmermann: Ja, ich denke, er macht das ganz gut. Ich will ihn nicht mit Verbeek vergleichen, aber er hat uns die Hoffnung gegeben, dass wir im nächsten Jahr aufsteigen können.
Krolovitsch: Das geht mir genauso.
Zimmermann: Wir hatten gute Trainer hier. Hans Meyer natürlich, Dieter Hecking – aber dieses Fiebern, diese Freude, diese Leidenschaft, die wir mit Gertjan Verbeek gespürt haben ... Das fehlt mir schon sehr.
Krolovitsch: Mir auch. Herr Weiler kann gerne lange bleiben. Aber ewig bleibt ja kein Trainer in Nürnberg.
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