Standards als Erfolgsrezept? Das sagt Spezialist Valentini
18.7.2018, 05:58 UhrLust auf die WM hatte Enrico Valentini eigentlich nicht. Italien war nicht dabei, die Heimat seiner Eltern. Warum also zusehen? Aber man kann sich immer viel vornehmen, eine Weltmeisterschaft schaut man eben doch, wenn man sich ansatzweise interessiert für Fußball. Bei Valentini ist das der Fall, er hat sich den Sport sogar zum Beruf gemacht und war dem FCN in der Aufstiegssaison ein guter Rechtsverteidiger.
Vor allem hat Valentini seine 33 Saisonspiele genutzt, um elf Tore vorzubereiten. Die beste Quote seiner Zweitliga-Karriere, beim KSC schaffte er es in 85 Spielen nur auf zehn Torbeteiligungen. In der abgelaufenen Saison aber wurden Valentinis Flanken zur Gefahr für die Gegner, gerne nach ruhenden Bällen, sogenannten Standardsituationen. Achtmal traf der Club nach Freistößen, elfmal nach Eckbällen — der zweite Wert ist der beste der Liga.
Meist war Valentini in der Nähe. Nachdem sich Sebastian Kerk früh in der Saison verletzt hatte, wurde Valentini zum Standardexperten. Bei der WM war er trotzdem nicht dabei, sah aber vieles, was ihn an sein eigenes Leben erinnert hat. Zum Beispiel: erstaunlich viele Tore, die nach Standards fielen. Wobei, wirklich erstaunlich findet Valentini das nicht.
"Standards waren immer wichtig", sagt er, "aber wenn die Experten darauf aufmerksam werden, dann wird ein Hype daraus." Erstaunlich ist aber ein Blick auf die Zahlen. 73 der 169 Tore beim Turnier in Russland fielen nach ruhenden Bällen. Auch dafür findet Valentini eine Erklärung, es ist die neue Ausgeglichenheit im Weltfußball: "Mittlerweile ist jeder fit, alle sind taktisch geschult, selbst die ganz kleinen Mannschaften. Brasilien fällt deshalb technisch nicht mehr auf, weil Belgien technisch genau so gut ist." Wenn die spielerischen Unterschiede verschwinden, braucht es andere Dinge, um eine Partie zu entscheiden. Den Anstieg an Standardtoren, sagt Valentini, soll man deshalb bitte nicht gleichsetzen mit einem Abfall des spielerischen Niveaus.
Kreative Engländer
Eine der ganz kleinen Mannschaften ist Panama. Die ging in der Vorrunde beim 1:6 gegen England unter, wie es sich für eine kleine Mannschaft eigentlich gehört. Nur, sagt Valentini, brauchten auch da die großen Engländer zwei Standardtore, um den Bann zu brechen: Stones traf per Kopf nach einer Ecke zum 1:0, Kane erhöhte per Elfmeter auf 2:0.
Überhaupt haben ihm die Engländer in dieser Hinsicht besonders gut gefallen. "Die waren extrem kreativ, haben sich gut freigeblockt", sagt Valentini. Er meint eines der Bilder, das von der WM erinnerlich bleiben wird: Engländer stehen im Strafraum Schlange und schwärmen aus, kurz bevor der Ball in ihre Richtung fliegt.
Besonders lohnend ist diese Aufstellung, wenn es gegen Mannschaften geht, die bei der Verteidigung von Eck- oder Freistößen mannorientiert vorgehen. "Damit verwirrst du deinen Gegner", sagt Valentini. Einfach deshalb, weil zwischen die Engländer kein Gegenspieler mehr passte.
WM macht Lust auf Neues
Grundsätzlich fand Valentini "die Qualität der Standards beeindruckend". Das jüngste Beispiel: Griezmanns Freistoß im Endspiel, den Mandzukic ins eigene Tor verlängerte: "Der hatte genau die richtige Höhe." An der richtigen Höhe arbeiten sie jetzt auch beim Club, federführend ist in diesem Bereich Boris Schommers, der Co-Trainer. Beteiligen darf sich aber jeder, wenn es darum geht, neue Varianten zu erfinden. Die WM dürfte da Lust gemacht haben.
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