TV-Judo: „Für uns geht es um die Ehre und nicht ums Geld“
5.12.2015, 09:45 UhrHerr Lohrer, wie haben Sie den sensationellen Aufstieg gefeiert?
Klaus Lohrer: Das war ein Riesending für die Jungs. Ich war zu der Zeit ja leider auf einer Bürgerreise in China, als nachts ein Anruf kam und die Jungs mir unseren Kampfruf ins Ohr gebrüllt und gesagt haben, dass sie jetzt feiern gehen — und das haben sie auch gemacht, ich habe es später an der Rechnung gesehen . . .
Und Sie selbst?
Lohrer: Ich habe mir nur ein kleines Schnäpschen gegönnt, für mehr gab es auf der Reise keine Gelegenheit. Nach meiner Rückkehr habe ich der Mannschaft natürlich gratuliert — verbunden mit einer Kampfansage für die Zukunft.
Planen kann man so einen Aufstieg ja nicht, wann war Ihnen klar, dass der ganz große Wurf gelingen kann?
Lohrer: Damit haben wir zunächst überhaupt nicht gerechnet und dann waren wir am fünften Kampftag plötzlich Zweiter. Und am siebten und letzten Tag haben wir gewonnen und der bisherige Tabellenführer Backnang überraschend verloren. Ich bin richtig stolz auf die Jungs und auf unseren Mannschaftsführer Heiko Koch, der mit seinem persönlichen und materiellen Engagement vieles möglich gemacht hat. Er war die treibende Kraft hinter diesem Aufstieg, ich selbst hätte damit nicht gerechnet.
Die Entwicklung in den letzten Jahren wurde damit jetzt gekrönt . . .
Lohrer: Ja. Vor Jahrzehnten haben Gerd Macholdt, Jürgen Zittlau, Heiko Koch und ich den Grundstock für die erste Mannschaft gelegt, damals noch in der Bezirksliga. Dann haben wir uns Liga um Liga hochgekämpft und das als reiner Amateurverein. Ab der Landesliga hat uns — anfangs als Gastkämpfer — Oliver Küpper seitdem immer unterstützt. Die Judoabteilung des TV 48 ist mit 420 bis 450 Mitgliedern die zweitgrößte in Bayern und mit Abstand die größte in Mittelfranken. Ganz vorne liegt Großhadern mit etwa 600 Judoka.
Apropos Amateurverein: Kann sich der TV 48 so einen Aufstieg eigentlich leisten?
Lohrer: Eigentlich nein. Nur wenn wir unseren Prinzipien treu bleiben. Und das werden wir. Für uns geht es um die Ehre und nicht ums Geld. Wir werden als einziger Amateurverein in der Profiliga antreten — und da wird richtig Geld bezahlt. Aber Geld zerstört Freundschaften und die Mannschaft steht voll hinter dieser Philosophie. Wie bisher wird keiner Geld bekommen, nur das Essen wird bezahlt. Doch selbst da zahlen die Mannschaftsmitglieder einen Eigenbeitrag. Die Auswärtsfahrten machen wir gemeinsam mit dem Bus, das stärkt auch den Zusammenhalt.
Gibt es denn Sponsoren oder Zusagen von der Stadt, um Sie zu unterstützen?
Lohrer: Von der Stadt bisher noch nicht, aber wir haben bereits Sponsoren gefunden, die uns unsere Judo- und Trainingsanzüge finanzieren. Weitere werden gerne angenommen . . .
Was gibt es denn für Anforderungen seitens des Verbands?
Lohrer: Da geht es vor allem um das Equipment. Wir brauchen eine elektronische Anzeigetafel, DJB- und Bundesligafahne und einen Arzt bei den Wettkämpfen. Ein Sanitäter reicht auch in der 2. Bundesliga nicht mehr. Aber da haben wir mit Doris und Dirk Rohde, Holm Schneider, Christian Schell und Mareen Menges gleich fünf Ärzte, die sich kostenlos für diese Aufgabe zur Verfügung stellen. Überhaupt unterstützen uns viele unserer Sponsoren auch mit Sachleistungen, wie Fahrzeugen, Geräten oder Werbung.
Taugt die Jahnhalle für Erstliga-Wettkämpfe?
Lohrer: Ja, die Halle ist okay. Und wir haben erst vergangenes Jahr vorausschauend 300 Quadratmeter neue Matten angeschafft, die den Erstligavorgaben entsprechen, also ein gelbes Kampffeld und eine blaue Umrandung haben. Man kann ja auch nie wissen, ob diese Mattenanforderungen aus der 1. Bundesliga auch in der 2. Liga durchschlagen werden. Da gilt mein Dank auch dem Verein, der das unterstützt hat, und allen Mitgliedern, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre.
Haben Sie schon mal ausgerechnet, was die 1. Bundesliga den TV kosten wird?
Lohrer: Ein Jahr 2. Liga kostet etwa 15 000 Euro, das wird in der 1. Liga ähnlich sein. Die Startgebühr verschlingt mit 2300 Euro etwas mehr als die 2. Liga. Darin sind allerdings die Kosten für die Kampfrichter schon enthalten. Das alles müssen wir aber nicht aus den Mitgliedsbeiträgen bezahlen, darauf sind wir stolz.
Die Begeisterung bei Ihnen ist groß, deshalb wäre es sicher nicht in Frage gekommen, den Aufstieg abzulehnen. Aber wäre das gegangen?
Lohrer: Nein, das wäre für uns nicht in Frage gekommen, diese Chance hätten wir unseren Jungs nie genommen. Aber grundsätzlich möglich ist ein Verzicht schon. Aber der Preis ist hoch, denn wer einen Aufstieg ablehnt, der wird in die unterste Liga seines Landesverbands zurückgestuft. Der Verband ist da sehr streng.
Wie ist die 1. Bundesliga denn in der kommenden Saison besetzt?
Lohrer: Auch die 1. Bundesliga ist zweigeteilt: Nord und Süd. Mit uns kämpfen dort der KSV Esslingen, der TSV Großhadern — neben uns der einzige weitere bayerische Verein —, der JC Ettlingen, der JC Leipzig und der JC Rüsselsheim. Die ersten vier aus beiden Vorrundengruppen kämpfen am Ende in einer Finalrunde um die Meisterschaft. Wir gehen davon aus, dass eine Mannschaft schlagbar ist, gegen die anderen wollen wir uns auf jeden Fall so teuer wie möglich verkaufen. Aber ich will da jetzt nicht spekulieren.
Wird sich die Mannschaft für die 1. Bundesliga verändern?
Lohrer: Nicht sehr. Wir werden in der gewohnten Besetzung antreten, vielleicht kommt der eine oder andere dazu — aber wir werden niemanden einkaufen!
Wie ist das Erlanger Team denn strukturiert?
Lohrer: Unsere Kämpfer sind zwischen 17 und 60 Jahre alt, das heißt unser Altersschnitt liegt etwa bei 35 bis 40 Jahren. Normal ist sicher ein Schnitt von 25 bis 30. Die Mannschaft besteht aus über 50 Judoka, denn pro Kampftag benötigen wir zwischen 25 und 30 Athleten, denn die sieben Gewichtsklassen müssen immer besetzt sein, sonst sind Geldstrafen fällig.
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