Raststätten-Rapport: "Wir haben das über uns ergehen lassen"

30.7.2015, 10:56 Uhr
Ganz zu verstehen scheinen sich René Weiler und Martin Bader nicht.

© Zink Ganz zu verstehen scheinen sich René Weiler und Martin Bader nicht.

Als wäre die 3:6-Pleite des 1. FC Nürnberg zum Zweitliga-Auftakt beim SC Freiburg nicht schon genug gewesen, fügt sich ein dubioses Kapitel in Form einer fragwürdigen Fehleranalyse an den Fehlstart. Nach Informationen der Nürnberger Zeitung machte der Mannschaftsbus auf der Rückfahrt einen außerplanmäßigen Stopp. Martin Bader hatte den rund 40-minütigen Aufenthalt nach Mitternacht auf einer Autobahnraststätte an der A5 angeordnet. Der Sportvorstand war damit der Aufforderung der Fangruppierung der Ultras gefolgt. Die schmachvolle Auftaktpleite hatte Fragen aufgeworfen, nach deren Antworten anscheinend unmittelbar und dringendst verlangt wurde.

Vorführung nach der Vorführung

Augenzeugenberichten zufolge standen mitten in der Nacht geschätzt rund 250 Personen um den Mannschaftsbus des 1. FCN herum. Das Klima soll nicht aggressiv gewesen sein. Wohlfühlatmosphäre dürfte bei der jungen Mannschaft zu vorgerückter Stunde auf dem nur rudimentär beleuchteten Areal gewiss auch nicht aufgekommen sein - das Team war zum Rapport bestellt und prompt vorgeführt worden. Letztlich stiegen aber nur Kapitän Jan Polak, Guido Burgstaller und Thorsten Kirschbaum aus dem Bus aus, um mit den Anführern zu diskutieren.

Erst gegen vier Uhr morgens erreichte der Club-Tross schließlich Nürnberg. Das Montagstraining wurde wegen der verspäteten Rückkehr kurzfristig um zwei Stunden auf 14 Uhr verschoben. Trainer René Weiler wollte sich am Mittwoch zu diesem Vorfall nicht äußern. Dass die Verzögerung für eine schnelle Regeneration und optimale Vorbereitung auf das Heimspiel am Freitag gegen Heidenheim nicht förderlich war, steht außer Frage. Ganz abgesehen von womöglich bleibenden atmosphärischen Störungen.

Es war in der Ägide Baders jedoch längst nicht das erste Mal, dass den Forderungen der Ultras auf zwielichtige Art und Weise nachgegeben wurde. Die Nähe zwischen dem Sportvorstand und der sich selbst als führende Fangruppierung beschriebenen Vereinigung, deren anmaßendes Verhalten auch durch herrliche Choreographien nicht zu rechtfertigen ist, förderte schon so manch verfängliches Verhalten zutage. Wie groß der Einfluss jener Anhänger tatsächlich ist, zeigt ein bis dato einzigartiger Vorfall in der Bundesligageschichte: Nach einer gewiss dürftigen Darbietung beim 0:3 in Karlsruhe im September 2014 wurden die Spieler dazu genötigt, ihre Trikots in der Fankurve abzugeben. Bader hatte schon während der zweiten Halbzeit hitzig mit einigen Fans am Zaun diskutiert und die unwürdige Maßnahme letztlich zugelassen.

Der schon seit langem in der Kritik stehende Sportvorstand war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Über die Beweggründe, warum der 47-Jährige sich dieser Fangruppierung derartig ausliefert, kann nur spekuliert werden. Die nahende ordentliche Mitgliederversammlung dürfte sicherlich eine Rolle spielen. Ein gesitteter Ablauf der gerne mal zur Abrechnung umfunktionierten Veranstaltung sowie eine Rückendeckung in Form von einkalkulierbaren Stimmen bei Aufsichtsratswahlen dürfte Bader nur recht sein. Selbst seine inoffizielle Kandidatenliste für Nachrücker, wird kolportiert, habe er vor anstehenden Wahlen mit jener Fangruppe abgestimmt. Baders Hausmacht spielte schon oft das Zünglein an der Waage. Doch die jüngste, höchst bedenkliche Verneigung vor den Ultras könnte Bader, eine Missbilligung des Aufsichtsrates vorausgesetzt, selbst in die Knie zwingen.

Mittlerweile hat die Fan-Betreuung des 1. FC Nürnberg via Facebook ein Statement abgeben. Darin heißt es, dass sie die Empfehlung zum nächtlichen Treffen mit den Fans an die Vereinsverantwortlichen ausgesprochen habe.

Weiler fordert "Fair-Play"

Und auch Club-Coach René Weiler, der am Mittwoch noch geschwiegen hatte, gab am Donnerstag auf der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen Heidenheim seine Meinung preis. Zögerlich, obwohl er anfangs „auf diese Sache nicht weiter eingehen“ wollte, sie als „Schnee von gestern“ bezeichnete. Dann aber sagte Weiler doch noch was. Erwartungsgemäß erklärte der erste Ansprechpartner der Mannschaft, dass der sonderbare Aufenthalt nicht ganz nach nach seinem Gusto gewesen sei, “vielleicht verhindert werden“ hätte können. Des Trainers Fazit: “Wir haben das über uns ergehen lassen“. Weiler weiter: “Natürlich wären wir gerne eine dreiviertel Stunde früher zu Hause gewesen.“ Der Club-Coach fordert nun gleichwohl “Fair-Play von allen Seiten“. Richtig reden wollte Weiler über den ungewöhnlichen Stopp anschließend nicht mehr. Für ihn sei die Geschichte auch durch die Stellungnahme des Vereins erledigt.

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