Star-Gastspiel von Gregory Porter in Wendelstein
5.5.2014, 10:48 UhrNur alle Jubeljahre tauchen wie aus dem Nichts Jazz-Künstler auf, die über Insider-Kreise hinaus Aufmerksamkeit erregen. So einer ist Gregory Porter, der Bär mit der zärtlichen Brummstimme, der ganz nebenbei die Ehre der Männer in der Sparte Jazz-Gesang gerettet hat. Denn in den letzten Jahren waren es vor allem junge, gut aussehende Sängerinnen, die im Jazz punkten konnten.
Doch Porters Höhenflug ist nicht aufzuhalten. Auch in Wendelstein war ein bunt gemischtes Publikum von dem Mann mit der Mütze begeistert: Über 1000 Zuhörer in der fast ausverkauften FV-Eventhalle feierten ihn am Ende seines 90-minütigen Auftritts mit Standing Ovations.
Die Veranstalter haben mit diesem Engagement einen Coup gelandet, denn der Sänger ist normalerweise in viel größeren Städten, bei viel größeren Festivals zu Gast. Dabei hat die Jazz-Karriere des 41-jährigen Sängers erst spät angefangen und ist noch relativ frisch. Sein drittes Album „Liquid Spirit“ erschien 2013 auf dem renommierten Blue-Note-Label und wurde in den USA mit einem Grammy und in Deutschland mit dem Jazz-Echo-Preis ausgezeichnet.
Auf der Bühne zieht Gregory Porter keine große Show ab und konzentriert sich auf das, was er am besten kann: Singen. Alles andere als ein Jazz-Purist, lässt er viele Facetten schwarzer Musik in seine Songs einfließen — Gospel, Rhtyhm’n’Blues, Soul. Doch wer gehofft hatte, dass der bärtige Bariton im Konzert den Soul-Schmusekater spielt, bekam dessen Jazz-Krallen zu spüren. Porter, der die meisten seiner Songs selbst schreibt, mag keine falschen Gefälligkeiten und faulen Kompromisse, egal ob es um Liebesballaden oder politische Inhalte geht. Da mag noch so viel darüber gerätselt werden, ob der Mützen-Tick nur ein Marketing-Gag ist — Gregory Porter hat als Künstler einiges zu sagen. Nicht nur wenn es — wie in dem Song „1960 What“ — um den Rassismus in den USA geht.
Musikalisch ist das alles sehr solide, aber nicht aufregend neu. Man fühlt sich mal an Marvin Gaye, mal an Al Jarreau oder an Isaac Hayes erinnert. Wie ein Fels steht der Soul-Sänger in der Jazz-Brandung. Der hypernervöse Saxophonist Yosuke Sato übernimmt mit seinen superschnellen Solo-Einlagen gewissermaßen den Gegenpart. Der Pianist Chip Crawford, Aaron James am Kontrabass und Schlagzeuger Emanuel Harrold machen die Jazz-Abteilung komplett. Die Stücke stecken voller Zitate und Anspielungen. Zum Beispiel geht „Lonesome Lover“, eine Ballade von Max Roach, nahtlos in den unverwüstlichen Gassenhauer „Hit the Road Jack“ über.
Am 9. November ist Gregory Porter übrigens bei den Jazztagen in Ingolstadt zu Gast. Wer bis dahin neuen Stoff braucht, dem sei das Album „Great Voices of Harlem“ empfohlen, das der östereichische Jazzmusiker Paul Zauner mit seiner Blue Brass Band produziert hat. Darauf ist Gregory Porter als Stargast zu hören und zeigt, dass er auch Standards wie „Somewhere over the Rainbow“ oder „Mona Lisa“ etwas abgewinnen kann.
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