Verliert Fürths Villenviertel seinen einzigartigen Charakter?
1.2.2019, 06:00 UhrPrächtige Häuser mit weitläufigen Gärten – die Fürther Westvorstadt trägt nicht umsonst den Beinamen "Villenviertel". In den vergangenen Jahrzehnten hat sie ihr Gesicht allerdings verändert. Manche der herrschaftlichen Gebäude wurden abgebrochen, wie die Villa Soldan in der Lindenstraße. Andere Grundstücke wurden mit Neubauten nachverdichtet, wie der Pillenstein-Park an der Forsthausstraße.
Karin Jungkunz, Fürths Stadtheimatpflegerin, geht das inzwischen zu weit. Ihr zufolge soll nun ein weiteres Gebäude aus der Frühzeit der Westvorstadt verschwinden: Es steht an der Ecke von Bismarck- und Berolzheimerstraße. Wie Jungkunz erfahren haben will, hat darin Heinrich Berolzheimer gewohnt, Ehrenbürger der Stadt und großzügiger Stifter. Auf sein Wirken und das seiner Söhne geht das Volksbildungsheim zurück – das "Berolzheimerianum", in dem heute die Comödie ihre Heimat hat. Dass der Bleistiftfabrikant tatsächlich dort gewohnt hat, ließ sich noch nicht bestätigen. Nach FN-Informationen stammt das Haus aus dem Jahr 1910, Berolzheimer aber starb 1906.
Fest steht: Die heutigen Eigentümer haben inzwischen einen Neubau nur wenige Meter neben das alte Gebäude gesetzt, dessen Abbruch bereits beschlossene Sache ist. Bedauernswert findet das Jungkunz, zumal sich damit der in ihren Augen negative Wandel des Viertels fortsetzt. Das Problem: Das besagte Haus ist zwar über 100 Jahre alt, steht aber nicht unter Denkmalschutz.
Hoffen auf München
In der 1994 erschienenen Denkmaltopographie Fürths fanden Jungkunz zufolge rund 20 Gebäude aus der Westvorstadt Aufnahme, aber, wie sie findet, längst nicht alle, die es verdient hätten. Die Stadtheimatpflegerin kritisiert, dass die Behörden den Denkmalbegriff oft zu eng fassten. Schon Veränderungen im Innern könnten dafür sorgen, dass ein Gebäude nicht unter Schutz gestellt wird. Außerdem sagt Jungkunz: "Häuser haben doch oft nicht nur eine bauliche Bedeutung, sondern auch eine historische." Um den Charakter des Villenviertels zu bewahren, will sie erreichen, dass das Landesamt für Denkmalpflege in München die Westvorstadt erneut in Augenschein nimmt, um die Liste gegebenenfalls zu ergänzen. "Das gehört auf jeden Fall nochmal untersucht", meint sie.
Jungkunz richtet obendrein einen Appell an die Eigentümer der teils parkähnlichen Grundstücke. Dass Flächen – gerade angesichts des Wohnraummangels – nachverdichtet werden, könne sie verstehen. Was sie aber gewaltig stört, sei die Beliebigkeit, mit der das oft geschehe. Jungkunz spricht von "langweiligen Zweckbauten", von "Schuhschachteln", die da neben historische Gebäude gesetzt werden. Alt und Neu zu verbinden, das sei eine Kunst. "Da braucht man einen Architekten, der das kann."
Fürths Baureferentin Christine Lippert teilt die Meinung der Stadtheimatpflegerin im Grunde, sagt aber auch: Stehe ein Gebäude nicht unter Schutz, "haben wir aktuell wenig Chancen, auf Bauherren einzuwirken". Was Neubauten betrifft, könnte es laut Lippert helfen, eine Gestaltungssatzung zu erlassen, mit der die Stadt vorschreibt, wie in einem Viertel Dachformen oder Fassaden, ja sogar Zäune auszusehen haben.
Weil sich Eigentümer von einer Satzung naturgemäß gegängelt fühlen, ist sie nie unumstritten. "Druck erzeugt Gegendruck", sagt Lippert – und befürchtet Ärger. Sie liebäugelt daher mit einem Gestaltungsleitfaden, der eher wie ein Appell an Bauherren daherkäme, Vorgaben einzuhalten. Sollte sich herausstellen, dass ein Leitfaden nicht reicht, könne man immer noch auf eine Satzung setzen.
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