Wahnwitz und Spielwitz

3.2.2012, 12:15 Uhr
Wahnwitz und Spielwitz

© Thomas Scherer

Es hätte alles auch ganz anders kommen können. Eine von vielen Überraschungen dieses Abends war jener Walzer, den Thilo Wolf am Klavier eher verschämt denn begeistert anspielte und den er mit neun Jahren schrieb, seine erste Komposition. Da drohte Clayderman der Zweite. Zum Glück fädelte der Fürther rechtzeitig in die Jazzer-Spur ein, lernte Schlagzeug und Klavier und stellte als 24-Jähriger eben mal eine Big Band auf die Beine.

Was die im Jahr 20 nach dem Auftakt draufhat, ist sensationell. Wolf gab im Großraum immer wieder gute Konzerte; dieses hier war mit „Lohengrin“-Länge nicht nur das umfangreichste, sondern auch das beste. Die 16 Herren und eine Dame — die Jazzszene ist anno 2012 längst weiblicher durchwirkt als Wolfs Orchester — hauen dem zunehmend staunenden Publikum einen superb gemischten Klang um die Ohren, dass es die reine Freude ist.

Der rhythmische Drive, das Knackige: Wolfs Band, die aktuell noch fünf Gründungsmitglieder in ihren Reihen hat, konnte das schon immer im Schlaf. Nagelneu arrangierte Klassiker wie „Take the A-Train“ und „Ain’t misbehaving“, bearbeitet von den Fürther Musikern Christoph Müller, Budde Thiem und Michael Flügel, haben nunmehr jedoch einen Zuwachs an Raffinesse und schillernden Farben erhalten, der die Band des Kulturpreisträgers derzeit weitgehend konkurrenzlos dastehen lässt.

Ballroom- und klassische Literatur, wie etwa der Furienchor aus Glucks „Orfeo“, befördern die Crew und die vorzüglichen Solisten — Posaunist Jürgen Neudert trägt mit dem „Hummelflug“ die Krone davon — in swingende Umlaufbahnen. Und immer wieder lässt Wolf Frischluft hinein, sucht die Fusion der Stile, ertüftelt intelligente Klangflächen ohne Blendwerk und verkopftes Jazz-Expertentum. Als „Ventilator“ machte das Rocktrio Skibbe Band mit dem Deep-Purple-Heuler „Black Night“ im dezibelstarken Nahkampf mit der Big Band allerbeste Figur; um die eleganten Noten kümmerten sich die charismatische Caroline Kiesewetter und Stadttheater-Hausikone Jutta Czurda. Karsten Nagel bewies hübsch befrackt, dass auch ein scheinbar behäbiges Instrument wie das Fagott powern kann.

Und dann war da noch Wolfs alter Schlagzeuglehrer Charly Antolini, der im Kollektiv und solistisch eine Gute-Laune-Show der Extraklasse abzog. Als ungeprobte Zugabe ein wahnwitziges Trommel-Quartett. So rasch vergehen knapp dreieinhalb Stunden. Stehende Ovationen.