48-Volt-Technologie von Conti aus Nürnberg feiert Premiere

16.12.2016, 07:30 Uhr
Innovative Produktionstechnik, hoher Automatisierungsgrad: Bei Conti in Nürnberg sollen jährlich 200.000 48-Volt-Aggregate gebaut werden, die beim Spritsparen helfen.

© Continental Innovative Produktionstechnik, hoher Automatisierungsgrad: Bei Conti in Nürnberg sollen jährlich 200.000 48-Volt-Aggregate gebaut werden, die beim Spritsparen helfen.

"Für uns beginnt mit dem neuen System ein neues Mobilitätszeitalter. Damit hat Nürnberg ja Erfahrung. Schließlich fuhr 1835 der erste Zug zwischen Nürnberg und Fürth". Rainer Pühl, der hiesige Continental-Standortleiter, greift ganz tief in die Historienkiste, um zu verdeutlichen, was der Start der 48-Volt-Hybrid-Technologie für Continental in der Sieboldstraße bedeutet.

Doch worum geht es konkret: Das neue Conti-Aggregat ersetzt in Benzin- oder Dieselantrieben den Anlasser und die Lichtmaschine, kann aber deutlich mehr. Ziel der Innovation ist in erster Linie die Treibstoff- und damit die CO2-Ersparnis. Mehr als ein Fünftel weniger Sprit frisst ein Motor mit dem Produkt aus Nürnberg – und zwar nicht auf dem Prüfstand, sondern im normalen Betrieb, verspricht Rudolf Stark, der die Sparte Hybride bei Continental verantwortet.

Und das funktioniert eigentlich recht einfach: In der Beschleunigungsphase – hier ist der Verbrauch besonders hoch – entlastet der kleine E-Motor den Verbrenner mit zusätzlich 15 Kilowatt, also etwa 20 PS. Seine Energie zieht er aus einer Batterie. Beim Bremsen und beim Ausrollen wirkt das Aggregat als Generator und lädt diese Batterie auf. Als erster Autobauer wird Renault im kommenden Sommer mit den "kleinen Wunderwerken" aus Nürnberg auf den Markt gehen. Vier weitere Kunden haben schon unterschrieben, verrät Stark.

Spagat zwischen Kosten und Nutzen gelungen

So einfach das Prinzip ist, so kompliziert war die Umsetzung: "Bei der Elektrifizierung gibt es immer den Spagat zwischen Kosten und Nutzen", weiß Stark. Diesen Spagat haben die Nürnberger Conti-Entwickler zusammen mit Partnern wie Fraunhofer und dem Bayerischen Laserzentrum geschafft. Mit einem Investitionsaufwand von 15 Millionen Euro ist dabei in drei Jahren Entwicklungszeit ein sehr kompakter, robuster Elektromotor herausgekommen, der weitgehend automatisiert gefertigt werden kann.

Bei der Entwicklung hatte Conti laut Pühl nicht, wie bei vielen Innovationen üblich, die Oberklasse im Visier, sondern "die breite Masse". Das erhöhte die Ansprüche an die Kostenkalkulation und die Größe des Aggregats. Auf 200 000 der 48-Volt-Systeme im Jahr ist die Produktion bei Conti ausgelegt. Erst einmal, wie Standortleiter Pühl sagt. Die Produktion wurde so organisiert, dass die Firma schnell auf größere Stückzahlen aufrüsten und die Produkte je nach Anforderungen an Größe und Leistung einfach variieren könne.

Unter anderem mit dieser Innovation möchte der Standort in Zukunft wachsen: "Wir werden hier weiter Kapazität aufbauen und den Takt vorgeben", verspricht Stark. In den vergangenen Jahren wuchs die Belegschaft jeweils um fünf Prozent. Allein in diesem Jahr kamen 120 Ingenieure neu dazu. Mittlerweile gehört Conti mit 2500 Mitarbeitern zu den größten Arbeitgebern der Stadt. Entwickelt und gefertigt werden in Nürnberg hauptsächlich Getriebesteuerungen. Doch das Thema Elektromobilität – vom 48-Volt-System bis zu Motoren für das rein elektrische Fahren – beschäftigt bereits 500 der Conti-Mitarbeiter. So laufen seit Ende des vergangenen Jahres schon Hybrid-Hochvolt-Antriebe in Audi- und Mercedes-Fahrzeugen.

Vom Erfolg ihrer neuesten Entwicklung sind die Nürnberger auch deswegen so überzeugt, weil sie für die Käufer der Autos echte Vorteile bringe. Denn neben den geringeren Verbrauchswerten könne er auch den zusätzlichen Schub bei der Beschleunigung spüren. Zudem gehöre das störende Ruckeln der Start-Stopp-Automatik durch das 48-Volt-System der Vergangenheit an: "Nach 0,2 Sekunden läuft der Motor rund", verspricht Hybrid-Experte Stark. Und bei der zunehmenden Vernetzung im Auto und nach außen spielt die Systemstabilität eine immer größere Rolle: "Wenn starke Verbraucher wie Klimaanlage oder Standheizung über das 48-Volt-Netz laufen ist das kein Problem mehr."

So viel Optimismus hört Nürnbergs Wirtschaftsreferent Michael Fraas gerne. Denn auf die Stadt kommen bei einer Verdrängung des Verbrennungsmotors große Herausforderungen zu. Bedeutende Arbeitgeber wie etwa Bosch oder Federal Mogul produzieren derzeit vorwiegend Komponenten für den traditionellen Antrieb. Und: Nürnberg ist noch immer eine Industriestadt. In der Rangliste der großen Städte mit dem höchsten Anteil an Arbeitsplätzen in der Produktion liege Nürnberg auf Platz fünf – noch vor Stuttgart, so Fraas.

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