Sinkende Zahlen: Die Angst um Bayerns Bauernhöfe geht um

3.8.2018, 05:57 Uhr
Sinkende Zahlen: Die Angst um Bayerns Bauernhöfe geht um

© Foto: Sven Hoppe/dpa

Unstrittig ist, dass die Zahl der Bauernhöfe in Bayern seit Jahren schrumpft. Doch wie stark der Rückgang wirklich ist, darüber streiten CSU und SPD. Laut Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) geben alljährlich lediglich 1,1 Prozent der Betriebe auf. "Ein breites Höfesterben und ein damit verbundener Strukturbruch sind derzeit nicht erkennbar", erklärt das Ministerium und fügt hinzu: "Trotz der zunehmenden Schwankungen der Erzeugerpreise und der Herausforderungen sind die bayerischen Agrarstrukturen in den vergangenen zwei Jahren weitgehend stabil geblieben."

Anderer Meinung ist da SPD-Landwirtschaftssprecher Horst Arnold: "Das Problem ist, dass das Ministerium auf unterschiedlicher Zahlenbasis arbeitet und beliebig die Daten nimmt, die gerade in die Landschaft passen", kritisiert er.

Tatsächlich ist laut Angaben des statistischen Bundesamtes die Zahl der Höfe in Bayern zwischen 2015 und 2017 um 3,9 Prozent gesunken; dies entspricht dem bundesweiten Schnitt. Im bayerischen Agrarbericht ist jedoch für diese zwei Jahre nur von einem Rückgang in Höhe von 2,3 Prozent die Rede, also jährlich die rund 1,1 Prozent, von denen Ministerin Kaniber spricht.

Eine Frage der Statistik

Doch was stimmt? Für den bayerischen Agrarbericht wird teilweise eine Sonderauswertung des Landesamtes für Statistik aus den sogenannten InVeKoS-Daten (= Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem) zugrunde gelegt. Hier werden Antragsteller ab einem Hektar Betriebsgröße erfasst. Das Statistische Bundesamt berücksichtigt dagegen Betriebe erst ab fünf Hektar Fläche. Auch bei den Nebenerwerbslandwirten ergeben die Zahlen, die das Ministerium vorstellt, aus Sicht von Arnold deshalb ein falsches Bild. Laut bayerischem Agrarbericht gab es hier zuletzt sogar eine Zunahme.

"Viele Betriebe verpachten ihr Land und machen nur geringfügig weiter, bei diesen Daten bleiben sie aber als Antragsteller vermerkt und werden daher auch weiterhin gezählt", erläutert der SPD-Politiker. Weil zudem noch einige Haupterwerbsbetriebe auf Nebenerwerb umsteigen, erhöht sich offiziell die Anzahl der Nebenerwerbsbetriebe. "In Wirklichkeit werden es jedoch immer weniger", argumentiert Arnold.

Richtig dramatisch ist das Höfesterben laut bayerischem Agrarbericht bei den Rinderhaltern. 2016 waren es demnach 47 000, ein Jahr später nur noch 46 000. 1970 gab es mal 278 000. Und auch bei den Schweinehaltern ist ein deutlicher Rückgang erkennbar: Von 5400 im Jahr 2016 auf 5100 im Folgejahr. Auch hier für den Langzeitvergleich die Zahl von 1970: 273 000. In diesem Fall berücksichtigt übrigens auch der Agrarbericht des Landesamtes für Statistik Betriebe erst ab einer Größe von fünf Hektar.

"Wenn es geht, dann nutzen wir aber InVeKoS-Daten, weil hier die kleinbäuerlichen Strukturen in Bayern besser dargestellt werden", erklärt Ministeriumssprecher Martin Hecht. Und auch der Eindruck, der Staat fördere vor allem Großbetriebe, sei falsch: "Der Freistaat unterstützt alle Landwirte — unabhängig von der Betriebsform — mit einem breiten Maßnahmenspektrum an zielgerichteten Förderprogrammen, Investitionsanreizen, Bildung oder Beratung."

Lob für die Arbeit des CSU-geführten Ministeriums gibt es von Markus Peters, Sprecher des bayerischen Bauernverbandes: Das Bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft (BaySL) habe es ermöglicht, dass auch kleine Betriebe staatlich gefördert in die Modernisierung ihres Stalles investieren können. Nur so sei es gelungen, dass es im Freistaat immer noch über 100.000 Bauernhöfe gibt. Dennoch fordert der Verband eine Vereinfachung bei der Förderpolitik sowie eine Stärkung kleinerer Betriebsstrukturen. Und auch der Abbau der Bürokratie ist laut Rudolf Fähnlein, bis vor wenigen Tagen Direktor des Bauernverbandes in Mittelfranken, ein großer Wunsch vieler Betriebe.

"Unser Haus wird sich weiterhin für den Abbau überflüssiger Bürokratie einsetzen", verspricht das Ministerium dazu und ergänzt: "Wir wollen auch den Strukturwandel in der Tierhaltung abfedern." Denn oftmals seien es neue und scharfe Vorgaben, die Tierhalter zur Aufgabe des Betriebszweigs bewegen würden. "Daher kämpft Bayern zum Beispiel gegen ein striktes Verbot der Anbindehaltung (ohne Auslauf), die derzeit noch in rund 60 Prozent der Betriebe vorherrscht", teilt Sprecher Hecht mit.

Außerdem setze sich Bayern bei der Ferkelkastration für den "4. Weg" ein – ein Verfahren, bei dem der Landwirt die örtliche Betäubung mit einem Lokalanästhetikum selbst vornimmt. "Dies wäre gerade für kleinere Ferkelerzeugerbetriebe eine praktikable, tierschutzgerechte Lösung", erklärt Hecht.

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