Wie Hotelportale ihre Nutzer hinters Licht führen

21.9.2016, 18:16 Uhr
Welches Hotel sollte man buchen? Viele Kunden verlassen sich auf Hotelportale, doch das dort oben gelistete Haus ist nicht immer das beste.

© AFP Welches Hotel sollte man buchen? Viele Kunden verlassen sich auf Hotelportale, doch das dort oben gelistete Haus ist nicht immer das beste.

Das zeigen Recherchen des Zentrums Correctiv.org, das eine Kooperation mit den Nürnberger Nachrichten eingegangen ist. Demnach listet HRS jene Hotels prominenter, die zusätzliche Provision zahlen — ohne das offenzulegen. Das verstößt laut Experten aber gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Im August 2016 klingelt das Telefon von Robert Schaller (Name geändert), Inhaber eines Hotels in Nordrhein-Westfalen. Am anderen Ende ist ein Mitarbeiter der Hotelbuchungsplattform HRS. Alle zehn Tage meldet der sich mittlerweile. Mit dem immer gleichen Vorschlag: Schaller solle HRS für ein Wochenende nicht 15, sondern 19 Prozent des Zimmerpreises als Provision überweisen. Dafür stehe sein Hotel dann weiter oben in der Liste seiner Stadt. Oder, in der Sprache von HRS: Schaller solle das "Ranking" seines Hotels "boosten". Ankurbeln. Steigern. In die Höhe treiben. Schaller willigt ein.

Und während er den Booster bucht, zeigt HRS ihm an, dass sein Hotel dadurch bis zu 49 Prozent mehr Aufrufe bekommen kann. Sein Haus ist nun 25 Ranglistenplätze höher gelistet als zuvor.

HRS bestätigt lediglich, dass es den Booster seit der technischen Zusammenführung mit hotel.de gibt. HRS schluckte den einstigen Konkurrenten aus Nürnberg im Jahr 2011. HRS bestätigt, dass man Hotels höher platziere, die mehr Provision zahlen. Dies sei eine "Marketingstrategie" und eine Funktion von vielen, die in den Algorithmus einfließen, der das Ranking bestimme. Der Booster werde von den Hoteliers "gut angenommen", sagt Sprecherin Britta Schumacher.

Keine rechtliche Stellungnahme

Zahlen nennt sie nicht. Die seien "Betriebs- und Geschäftsgeheimnis".  Wer auf hrs.de ein Hotel sucht, landet zunächst auf der Rangliste "HRS empfiehlt". Dahinter steht erklärend: "Sie bekommen zuerst die Hotels vorgeschlagen, die eine Vielzahl an Kriterien am besten erfüllen. Dazu gehören flexible Buchungsbedingungen, hohe Kundenzufriedenheit und ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis." Von einem Booster, höheren Provisionen, einer gekauften Platzierung erfährt der Nutzer nichts. Hinweise auf Werbung oder Anzeige, in den Fußnoten, in den AGBs? Fehlanzeige.

Mit anderen Worten: Der Ranking Booster ist für Nutzer des HRS-Portals nicht zu erkennen. Das macht ihn nach Ansicht von Experten illegal. Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) heißt es, dass "unlauter handelt, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht (...) und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte". Unter unlautere Werbung fällt auch: heimlich Geld zu nehmen, um ein Produkt in einer Rangliste höher zu platzieren. "Eine bezahlte Platzierung muss demnach deutlich als Werbung gekennzeichnet werden, um nicht gegen das UWG zu verstoßen", sagt Philip Scholz, Sprecher des Bundesjustizministeriums.

HRS selbst will sich auf Anfrage nicht zu der Frage äußern, ob der Booster gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. "Selbstverständlich beachten die Produkte und Services von HRS das geltende Recht", schreibt Sprecherin Britta Schumacher in einer Mail. Darüber hinaus werde man keine rechtliche Stellungnahme abgeben.

Inzwischen läuft rund ein Viertel aller Hotelbuchungen in Deutschland über die großen Internetportale, schreibt der Branchenreport Hotelmarkt Deutschland 2016. Marktführer ist das Unternehmen booking.com, das zum Touristikriesen Priceline aus den USA gehört. Nummer zwei in Deutschland ist HRS. Zusammen wickeln die beiden Portale mehr als 80 Prozent der Internetbuchungen ab. Ein Duopol, an dem schon längst kein Hotelier mehr vorbeikommt.

Nicht alle setzen auf die Booster

Das Recherchezentrum Correctiv.org hat in den zehn größten Städten Deutschlands mit jenen Hotelbetreibern gesprochen, die in einem ausgewählten Zeitraum auf Platz eins im "HRS-empfiehlt"-Ranking ihrer jeweiligen Stadt lagen. Drei von ihnen gaben zu, den Booster zu nutzen. Die anderen wollten sich nicht äußern. Sie seien abhängig von HRS.

Auch in Nürnberg wollten viele Hoteliers auf Nachfrage von diesem Booster noch nichts gehört haben. Das gilt auch für Häuser, die weit oben im Ranking auftauchen, bei denen Branchenkenner im Gespräch mit dieser Zeitung aber zumindest große Zweifel äußern, dass gerade diese Hotels besonders empfehlenswert seien — weder sind sie besonders gut ausgestattet noch nahe am Zentrum oder richtig günstig.

Allerdings setzen nicht alle Hoteliers auf die Booster. Jörg Schlag, Geschäftsführer des Nürnberger Arvena Hotels, versichert glaubhaft: "Ich will das nicht unterstützen." Aber auch er hat schon von den Kommissionen gehört, die für eine bessere Listung eines Hotels fließen sollen. "Ich mache da grundsätzlich nicht mit", betont Schlag — sein auf HRS "sehr gut" bewertetes Vier-Sterne-Haus taucht bei den Buchungsportalen dann auch eher auf den hinteren Plätzen auf. Er glaube aber nicht daran, dass diese Auflistung für die Kunden entscheidend sei, sagt Schlag. Viele filterten die Suche stattdessen nach ihnen wichtigen Parametern — etwa die Nähe zur Messe. Und da könne das Nürnberger Arvena Hotel punkten.

Im Mai 2016 hat die EU-Kommission nun eine Richtlinie veröffentlicht, um die Manipulierung von Ranglisten zu unterbinden. Darin wird gefordert: Es müsse einen Hinweis auf Werbung geben, wenn der Verkäufer eine Bonusgebühr zahlt, um weiter oben im Ranking zu erscheinen. Außerdem fordert die EU, dass Ranking-Kriterien offengelegt werden. Die Richtlinie wurde von verschiedenen Interessengruppen entwickelt und anerkannt. Die deutsche Regierung hat nicht unterschrieben. Und auch HRS, genau wie Konkurrent booking.com machen nicht mit.

Auch die deutschen Verbraucherzentralen kritisieren die heimliche Werbung. "Provisionen sind ausschließlich legitim für die Vermittlung von Hotels", schreibt Miika Blinn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, "aber nicht für das Erkaufen von Bestenplätzen in der Ergebnisanzeige."

Nutzer, die sich betrogen fühlen, können sich an Verbraucherverbände wenden. Hoteliers, die einen Schaden durch das "Boosten" der Konkurrenz erlitten haben, können zivilrechtlich klagen. "Denn nur mit einem konkreten Fall vor Gericht", so Hans-Frieder Schönheit von der Deutschen Wettbewerbszentrale, "kann dagegen vorgegangen werden."

Die Nürnberger Nachrichten kooperieren künftig mit dem Recherchezentrum Correctiv.org. Wir werden einige Projekte und auch investigative Recherchen gemeinsam angehen.

Correctiv.org  ist die erste gemeinnützige derartige Organisation im deutschsprachigen Raum und finanziert sich vor allem durch Spenden von Bürgern und Zuwendungen von Stiftungen. Correctiv.org ist unabhängig und nicht gewinnorientiert.

Seine Recherchen und Geschichten reicht Correctiv.org in Kooperationen an große und kleine Zeitungen und Magazine wie auch an Radio- und Fernsehsender weiter — und zwar grundsätzlich immer  kostenlos. Gegründet wurde das Recherchezentrum im Juni 2014, seitdem hat es diverse investigative Arbeiten veröffentlicht — zu Machtmissbrauch und Korruption in Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur, zu Themen wie Umwelt, Bildung, Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit oder Rechtsradikalismus und Islamismus.

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