Wo das Netz hilft

Alexander Jungkunz

E-Mail

5.12.2018, 08:00 Uhr

Da gab es noch eine manchmal naive Zukunftsgläubigkeit, ein schier grenzenloses Vertrauen in die Machbarkeit von Visionen.

Heute herrscht erst einmal Skepsis, wenn es um Neuerungen geht - gerade in Deutschland mit seiner großen Sehnsucht nach Sicherheit und Stabilität samt der damit verbundenen Angst vor Veränderungen. Verständlich und nachvollziehbar: Katastrophen wie das Reaktorunglück von Fukushima oder die ICE-Tragödie bei Eschede haben die Verletzbarkeit vermeintlich unfehlbarer Technik gezeigt. Unzählige Daten-Pannen oder Hacker-Attacken machen augenfällig, wie sehr es oft noch mit der Sicherheit im Internet hapert.

Dabei bietet die Digitalisierung enorme Chancen. Auch darum ging es auf dem Nürnberger Gipfel. Nicht nur Angela Merkel hat dazugelernt und spricht mit Blick aufs Internet nicht mehr, wie vor ein paar Jahren, von "Neuland" - sondern von "nicht durchschrittenem Terrain".

Deutschland hinkt hinterher

Ein Stück Selbstironie, die durchaus angebracht ist. Denn die Kanzlerin hat erst sehr spät die gewaltige Dimension der Digitalisierung erkannt - die Folgen dieser Versäumnisse machen dem Land zu schaffen: Die Bundesrepublik hinkt hinterher. Und zwar nicht nur wegen des unsäglichen Streits zwischen Bund und Ländern um den Digitalpakt, wo sich die Unions-Länderfürsten querlegen und so eine dringliche Fünf-Milliarden-Investition in digitale Klassenzimmer auf Eis legen. Der Föderalismus erweist sich da erneut als Bremse. Aber das Land insgesamt hat zu wenig getan, um mithalten zu können - nicht nur im Vergleich zu den Netz-Giganten USA und China, sondern auch mit europäischen Staaten, die viel weiter sind in Sachen Digitalisierung.

Wir brauchen diese Technik

Deren Nutzen aufzuzeigen, an ganz konkreten Beispielen, um so klarzumachen, warum Investitionen dort buchstäblich notwendig sind: Das hat die Politik versäumt. Wenn man aber der Digital-Staatssekretärin Dorothee Bär zuhört, wie sie von technischen Hilfen für Senioren spricht, von den gewaltigen Fortschritten, die Vernetzung gerade in der Medizin bringt oder für die Versorgung auf dem Land - dann wird sehr rasch greifbar: Ja, wir brauchen diesen Fortschritt durch intelligente, lernende Technik.

Nichts anderes aber bedeutet der so bedrohlich klingende Begriff "Künstliche Intelligenz". Die drei Milliarden Euro, die der Bund nun dafür in die Hand nimmt, sind ein winziger Betrag. Zum Vergleich: Allein Audi gibt in den kommenden Jahren 14 Milliarden Euro für die Digitalisierung aus; in Europa flossen 2018 rund 23 Milliarden Euro in Start-ups.

Auch die braucht Deutschland: Die Übergänge zwischen Hochschulen und der Wirtschaft sind anderswo leichter; das Scheitern eines Unternehmens gilt anderswo als Auszeichnung dafür, es wenigstens probiert und daraus gelernt zu haben - bei uns aber als Niederlage.

Natürlich müssen die Risiken im Blick bleiben. Aber mehr Mut, mehr Zuversicht bei der Digitalisierung wären hilfreich. Sie wird gerade das Leben in einer alternden Gesellschaft erheblich erleichtern.

Keine Kommentare