Heirat, Aufrufe und Petitionen

Aufatmen und durchhalten: Karrar Al Hasani darf vorerst in Nürnberg bleiben - Kampf geht weiter

Minh Anh Nguyen

Online-Redaktion

E-Mail zur Autorenseite

27.4.2024, 18:03 Uhr
Karrar Al Hasani (Mitte) und seine Kolleginnen und Kollegen freuen sich über seine Rückkehr.

© Ellen Schegner/Rummelsberger Diakonie e.V. Karrar Al Hasani (Mitte) und seine Kolleginnen und Kollegen freuen sich über seine Rückkehr.

Wenn Karrar Al Hasani durch die Gänge des Hermann-Bezzel-Hauses in Nürnberg läuft, begegnen ihm Bewohnerinnen, Bewohner, Kolleginnen oder Kollegen mit einem Lächeln im Gesicht. Er hat einen kleinen Edelstein als Ohrstecker, seine Haare sind ordentlich zurückgekämmt und auch selber trägt er ein Lächeln auf den Lippen. Seine Bindung zum Haus und seinen Personen wird auch im Vorbeigehen klar. Al Hasani ist seit 2021 für die Rummelsberger Diakonie tätig. Der 30-Jährige begann hier im September 2022 seine Ausbildung zum Pflegefachhelfer, welche er knapp ein Jahr später im August 2023 abschloss. Seit jeher ist er im Hermann-Bezzel-Haus.

Freie Berufswahl: Al Hasani soll abgeschoben werden, nachdem er Weiterbildung verweigert

Im Gespräch erklärt Al Hasani, dass er oft morgens da ist. Seine Aufgabe ist es dann, Bewohnerinnen und Bewohner zu wecken, sie fertig zu machen, einige kleine Messungen durchzuführen und mit ihnen einfach den Alltag zu bewältigen. Selber hätte er nie gedacht, dass es ihn in die Pflege führt. Er denkt aber, dass es immer gut ist, wenn man Menschen helfen kann. Am Morgen des 17. April fand der 30-Jährige sich aber nicht in seinem gewohnten Umfeld mit geschätzten Kolleginnen und Kollegen wieder, sondern musste sich vor Gericht verantworten. Noch am selben Tag folgte das Urteil - Karrar Al Hasani sollte abgeschoben werden und befand sich in Haft.

"Ich war schockiert", erinnert sich der Pflegefachhelfer. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt er, dass die Polizei am Morgen des besagten Tages bei ihm geklingelt hatte. Er sollte ihnen folgen und sich vor Gericht verantworten. Selber dachte der 30-Jährige, dass es sich dabei um eine kurze Angelegenheit von ein paar Stunden handelt. Er packte nichts ein und ging mit den Sachen, die er bei sich hatte, mit.

Nach einigen Stunden wurde er vor einen Richter geführt. Dieser urteilte kurzerhand und entschied, dass der 30-Jährige abgeschoben werden soll. Zuvor wurde ihm die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis entzogen. Laut Ausländerbehörde ist der Beruf des Pflegefachhelfers kein Mangelberuf. Al Hasani soll deswegen sich zur Pflegefachkraft weiterbilden lassen, so die Argumentation. Er entschied sich jedoch gegen die Weiterbildung.

Wie er im Gespräch erzählt, leidet er an einer starken, attestierten Sehbehinderung, die ihm das Lernen erschwert. Bereits die letzte Ausbildung hatte ihn viel Kraft gekostet, erzählt er. Während Al Hasani in Haft auf seine Abschiebung wartet, wollten seine Kolleginnen und Kollegen nicht lange warten, sondern aktiv werden.

Kolleginnen und Kollegen sind tief betrübt

Im Hermann-Bezzel-Haus hing die Nachricht von Al Hasanis möglicher Abschiebung wie tiefer Nebel. "Die Leute waren geschockt", erinnert sich Christine Wagner, Leiterin des Hauses. Alle waren traurig und suchten nach Lösungen, wie sie ihren Kollegen behalten können. Heirat, Mails und Aufrufe wurden als mögliche Lösungen in den Raum gestellt. Schlussendlich entscheidet sich die Belegschaft für eine Petition. Einerseits um Al Hasani zu schützen, andererseits um über den Sachverhalt aufzuklären, der auch für sie ein Mysterium bleibt.

Wagner kann das Argument des Amtes nur schwer verstehen. Im Hermann-Bezzel-Haus sowie auch in anderen Einrichtungen mangelt es grundsätzlich an Leuten, die in der Pflege arbeiten wollen. Es gibt zu wenige Helfer als auch Pflegefachkräfte, erklärt sie der Redaktion. Auch, dass der 30-Jährige eine Weiterbildung quasi wahrnehmen muss: Wagner findet, dass jeder seinen Beruf frei wählen dürfen sollte. Das sollte für alle Menschen gelten.

Auf die Frage, ob das Haus eine solchen Resonanz erwartet hat, kann die Leiterin nur antworten: "Wir haben es gehofft – ja gehofft." Wie sie weiter erzählt, war es nicht Al Hasani als Fachhelfer, der dem Haus am Herzen liegt. Es ging viel mehr noch um den Menschen. Die Abschiebung von heute auf morgen sei vollkommen unverständlich und gar unmenschlich.

Die Petition zeigt Wirkung. Über 4.500 Personen unterschreiben und wollen, dass Al Hasani bleibt. Am vergangenen Sonntag wurde der 30-Jährige schließlich aus der Abschiebehaft entlassen. Noch am selben Tag besucht er seine Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeit, um Hallo zu sagen, erzählt er im Gespräch. Er pflegt zu allen eine gute Beziehung. Dass so viele ihn unterstützen und helfen wollen, kann er aber selber nicht ganz fassen. Daran zu denken, lässt ihn nur schweigsam und lächelnd zurück.

Zum Ende hin befinden Karrar und ich uns auf dem Balkon des Hauses. Er setzt sich hin und schaut ein wenig in die Ferne. "Wie es weiter geht, das weiß ich nicht", sagt er mir. Er hat vorerst wieder eine Duldung erhalten. Eine Anwältin hatte sich dazu bereit erklärt, ihm zu helfen. Jetzt stellen sie erstmal einen weiteren Antrag für eine Aufenthaltserlaubnis. Auf dem Weg nach unten begegnen uns noch einige Kolleginnen. "Schreiben Sie doch bitte, dass wir sehr froh darüber sind, dass wir Karrar wieder bei uns haben".